Thüringische Landeszeitung (Gera)
Ein Forscher von Rang
Der Literaturwissenschaftler Henri Poschmann ist in Weimar mit 90 Jahren verstorben. Bekannt wurde er durch seine Büchner-Editionen
Der 1932 in Magdeburg geborene Literaturwissenschaftler Henri Poschmann starb am 10. Juni in Weimar, kurz nach seinem 90. Geburtstag. In Jena hat er bis 1957 studiert und dort 1974 mit einer Arbeit zur Epik und Dramatik des deutschen Vormärz promoviert. Mit dieser Schrift hat der Germanist bereits ein wesentliches Zentrum seines wissenschaftlichen Interesses gefunden.
Der Forscher arbeitete nach seinem Studium bis zum Jahre 1962 am Institut für deutsche Literatur, das den Nationalen Forschungsund Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur (NFG) in Weimar beigeordnet war. Dies war der Ort, von dem aus die geschätzten, populären und gründlich kommentierten Bände der Bibliothek Deutscher Klassiker (BDK) in die literarische Welt gingen. Ein Leinenband, daran sei erinnert, kostete 5 DDR-Mark. Den Georg-BüchnerBand übernahm Henri Poschmann.
Die zweite Auflage von 1967 enthielt auch die Briefe des „Woyzeck“-Dichters. Nach Unstimmigkeiten mit dem Institutsleiter Prof. Helmut Holtzhauer verließ Poschmann die Weimarer Arbeitsstelle und war acht Jahre freiberuflich tätig. Die nächste Station seines Wissenschaftlerlebens war für zwei
Jahrzehnte das Berliner Zentralinstitut für Literaturgeschichte an der Akademie der Wissenschaften. Dieses existierte von 1969 bis 1991. An dem Großprojekt einer zwölfbändigen „Geschichte des deutschen Literatur“war Poschmann – weiter in Weimar lebend – beteiligt. Einige Kapitel in den Bänden zum 19. Jahrhundert sind aus seiner Feder.
In den letzten Jahrzehnten seines Schaffens widmete sich der Forscher vor allem „seinem“Autor: Georg Büchner. 1983 erschien die viel beachtete Monografie „Georg Büchner – Dichter der Revolution und Revolution der Dichtung“. Alexander Lang, der 1981 die denkwürdige Berliner Inszenierung von
„Dantons Tod“auf die Bretter des Deutschen Theaters brachte, hatte Henri Poschmann als wissenschaftlichen Berater an seiner Seite. Poschmann war 1988 auch Hauptinitiator des ersten internationalen Büchner-Kolloquiums in der DDR.
„Wege zu Georg Büchner“hieß der von Poschmann herausgegebene Band, der die Ergebnisse dieser Konferenz zugänglich machte. Poschmanns zweibändige Ausgabe „Büchner Dichtungen“und „Büchner Schriften, Briefe, Dokumente“erschien 2006 im renommierten Deutschen Klassiker Verlag. Mit Fug und Recht kann man diese Edition, die national und international Furore machte, die Gipfelleistung im Schaffen Henri Poschmanns nennen. Wer die Bände in die Hand nimmt versteht, weshalb er an den 40 Jahre zurückliegenden BDKBand ungern erinnert wurde.
Der Editor hat nicht nur sämtliche Werke, Übersetzungen und Schriften exakt präsentiert und kommentiert, sondern auch bislang unbekannte Dokumente beigebracht. Poschmann ging das Wagnis ein und bot das „Woyzeck“-Fragment, dessen Original in Weimar liegt, auch in einer „Kombinierten Werkfassung“an. Henri Poschmann hat über Jahrzehnte mit seiner Ehefrau Rosemarie an Editionen und Studien zu Georg Büchner und Louis Fürnberg gearbeitet.