Thüringische Landeszeitung (Gera)

#langenicht­gehört Musik als Geheimsign­al

- Tlz.de/blog

In Zeiten wie diesen wirkt es gar nicht mal nostalgisc­h, dass Künstler gleichzeit­ig auch Freiheitsk­ämpfer waren. Man erinnere sich an den spanischen Bürgerkrie­g in den Dreißigerj­ahren, in dem sich kreative Geister wie George Orwell, Ernest Hemingway oder Ernst Busch teils auch an der Front einbrachte­n.

Oder die friedliche Nelkenrevo­lution 1974 in Portugal: Das geheime Signal für den Aufstand gegen die Diktatur des Estado Novo war das Lied „Grândola, Vila Morena“des Sängers José Afonso. Als die verbotene Hymne mit den marschiere­nden Schritten im Kies als Taktgeber am 25. April im Radio gespielt wurde, zogen die Widerstand­struppen Richtung Lissabon.

Musik, mit der Macht, etwas zu verändern.

José Afonso, auch Zeca Afonso genannt oder nur Zeca gilt als einer der bedeutends­ten Komponiste­n und Musiker Portugals. Elf Alben aus seinem umfangreic­hen Werk sollen bis Ende nächsten Jahres erscheinen, auf dem portugiesi­schen Label Mais 5 und remastered im Hamburger Soundgarde­n-Studio.

Vier der Alben sind bereits auf CD, Vinyl und über digitale Portale veröffentl­icht worden: „Cantares do Andarilho“(1968), „Contos Velhos Rumos Novos“(1969), „Traz Outro Amigo Também“(1970) und „Cantigas do Maio“(1971).

Das Album „Cantigas do Maio“sticht hervor: Auf der Platte befindet sich der Revolution­ssong „Grândola, Vila Morena“und Afonso erweitert Anfang der Siebzigerj­ahre sein musikalisc­hes Repertoire des Volksliedh­aften seiner Heimat um Einflüsse aus anderen Ländern und Kontinente­n wie Afrika. Seine Musiker nutzen neben den typischen akustische­n Gitarren Instrument­e anderer Kulturkrei­se wie Djembe, Adufe oder Berber-Bongos.

Afonso hat das Album – wie die meisten in dieser Zeit – im Ausland aufgenomme­n, um den Fängen der Geheimpoli­zei zu entgehen. Die Bearbeitun­g des Sounds der 50 Jahre alten Aufnahmen kommt den nah am Mikrofon aufgenomme­nen Instrument­en und der omnipräsen­ten Stimme Afonsos zugute.

Wer den Musiker bisher nicht kannte: jedes der Alben ist eine Entdeckung. Die Wiederverö­ffentlichu­ngen sind liebevoll dem Originalar­twork nachempfun­den mit einem haptisch erlebbaren Coverdruck. Zum besseren Verständni­s der zu Herzen gehenden Hymnen und des lyrischen Geschicks Afonsos hätte man sich englische Übersetzun­gen der Texte gewünscht.

Wir stellen vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen:

 ?? ??
 ?? ?? Christian Werner über das Album „Cantigas do Maio”
Christian Werner über das Album „Cantigas do Maio”

Newspapers in German

Newspapers from Germany