Thüringische Landeszeitung (Gera)
Späte Abrechnung mit Kate Moss
Pete Doherty, der letzte Rock ’n’ Roller, veröffentlicht seine Memoiren
Er beschreibt es als den einsamsten Moment seines Lebens: 2003 liegt Rockstar Pete Doherty auf dem kalifornischen CoachellaFestival zugedröhnt mit einer Whiskeyflasche im Gebüsch, als PunkLegende und Absturz-König Iggy Pop mit einer Wasserflasche in der Hand an ihm vorbeijoggt. Pop bleibt stehen und sagt: „Ich war da, wo du bist, aber jetzt ist Jogging meine Leidenschaft.“Da fühlt Doherty sich völlig verloren und denkt: „Sogar Iggy Pop hat mich verlassen.“
Dass Doherty jetzt mit erst 43 Jahren seine Memoiren „A Likely Lad“veröffentlicht, ist durchaus berechtigt. Kaum jemand hat solche Exzesse durchlebt und kann später noch darüber berichten wie der Offizierssohn aus dem englischen Städtchen Hexham. Seine Mission sie es gewesen, „der abgewrackteste Typ des Planeten“zu werden. Seine Bands The Libertines und Babyshambles waren in den ersten Jahren des Millenniums die Lieblinge der IndieFans und Musikkritiker.
Es ist nicht nur die Zeit der PostPunk-Musik, sondern auch der Promi-Klatsch-Blogs im noch relativ jungen Medium Internet. Die suchen täglich nach Futter – und Doherty liefert, vor allem durch seine chaotische Beziehung mit dem angesagtesten Model jener Zeit: Kate Moss. Seine Erinnerungen an sie sind schmerzhaft – weniger wegen der verlorenen Liebe als wegen seines Lieblingsteddys aus seiner Kindheit. Bei einem Streit zerstörte Moss seine Gibson-1930-Gitarre. „Dann goss sie Benzin über meinen Teddy, ich nannte ihn Pandy, und zündete ihn an. Es ist nicht lustig. Ich hatte ihn immer bei mir.“Tief in seinem Herzen hoffe er immer noch, es sei alles gar nicht wahr, aber nein: „Er ist tot, er ist Asche. Er war eines der wenigen Dinge, an denen ich hing.“
Begegnet ist er dem Model in den „seltsamen Hinterzimmern“der Promi-Restaurants. Trotz ihres Millionenvermögens sei sie ein einfaches Mädchen geblieben, versucht sie ihm weiszumachen. Doherty verlangt Beweise und drängt sie, die sich ausschließlich in einer Limousine fortbewegt, den Bus zu nehmen. Sie ziehen sich Perücken auf und kommen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Noch in derselben Woche lassen sie sich Partner-Tattoos stechen. Es ist der Beginn einer Amour fou, die den Marktwert beider steigert. Dabei beschreibt er Moss als oberflächlich: „Sie war beKrimi-Autorin sessen von der Klatschpresse und ihrem Image.“
Deswegen reagiert sie – nun ja, verschnupft, als die britische Zeitung „The Mirror“am 15. September 2005 Bilder auf dem Titel druckt, die Moss beim Kokainkonsum mit Doherty und anderen Babyshambles-Mitgliedern im Tonstudio zeigen. Die Fotos stammen von Dohertys Handy, wurden für 300.000 Pfund verkauft. Moss verdächtigt Doherty. Doch die darauffolgende Trennung sei nur zum Schein gewesen – Moss habe darauf bestanden, um ihre Karriere zu retten. Einen Vier-Millionen-Pfund-Vertrag mit H&M hatte sie bereits verloren.
„Wir waren magisch voneinander angezogen“, sagt er. Trotz des ganzen Chaos hätten sie sich geliebt. „Sie musste nur mit den Fingern schnippen und ich kam.“2007, als er den x-ten Entzug abbricht, wirft sie ihn endgültig raus.
Es sind die letzten Jahre vor Facebook und Instagram, als Stars noch Exzesse lebten, ohne einen Shitstorm
befürchten zu müssen. Auf dem Coachella-Festival etwa gibt es heute nur noch Smoothie-Bars und Botox-Boxen. Doch in seinen Memoiren stellt Doherty seine Drogenjahre nicht als Partyspaß, sondern als eine einzige lange Nahtoderfahrung dar. Während Moss unbeschadet aus allem herauskam, hatten andere Frauen in seinem Leben weniger Glück. Sängerin Amy Winehouse: tot mit 27. Musikertochter Peaches Geldof: tot mit 25. Verlegertochter Robin Whitehead: tot mit 27. Bei einer Drogenparty fühlt Doherty sich von Schauspieler Mark Blanco belästigt, will ihn rauswerfen lassen. Später fliegt Blanco vom Balkon, was genau geschah, bleibt nebulös. Doherty, der genug Ärger mit der Polizei hat, flieht an dem sterbenden Mann vorbei. Auch wenn er seinen Kummer äußert, glaubt Doherty bis heute: „Ich tat das Richtige.“