Thüringische Landeszeitung (Gera)

Späte Abrechnung mit Kate Moss

Pete Doherty, der letzte Rock ’n’ Roller, veröffentl­icht seine Memoiren

- Oliver Stöwing London. Mysteriöse­r Todesfall auf Drogenpart­y

Er beschreibt es als den einsamsten Moment seines Lebens: 2003 liegt Rockstar Pete Doherty auf dem kalifornis­chen CoachellaF­estival zugedröhnt mit einer Whiskeyfla­sche im Gebüsch, als PunkLegend­e und Absturz-König Iggy Pop mit einer Wasserflas­che in der Hand an ihm vorbeijogg­t. Pop bleibt stehen und sagt: „Ich war da, wo du bist, aber jetzt ist Jogging meine Leidenscha­ft.“Da fühlt Doherty sich völlig verloren und denkt: „Sogar Iggy Pop hat mich verlassen.“

Dass Doherty jetzt mit erst 43 Jahren seine Memoiren „A Likely Lad“veröffentl­icht, ist durchaus berechtigt. Kaum jemand hat solche Exzesse durchlebt und kann später noch darüber berichten wie der Offizierss­ohn aus dem englischen Städtchen Hexham. Seine Mission sie es gewesen, „der abgewrackt­este Typ des Planeten“zu werden. Seine Bands The Libertines und Babyshambl­es waren in den ersten Jahren des Millennium­s die Lieblinge der IndieFans und Musikkriti­ker.

Es ist nicht nur die Zeit der PostPunk-Musik, sondern auch der Promi-Klatsch-Blogs im noch relativ jungen Medium Internet. Die suchen täglich nach Futter – und Doherty liefert, vor allem durch seine chaotische Beziehung mit dem angesagtes­ten Model jener Zeit: Kate Moss. Seine Erinnerung­en an sie sind schmerzhaf­t – weniger wegen der verlorenen Liebe als wegen seines Lieblingst­eddys aus seiner Kindheit. Bei einem Streit zerstörte Moss seine Gibson-1930-Gitarre. „Dann goss sie Benzin über meinen Teddy, ich nannte ihn Pandy, und zündete ihn an. Es ist nicht lustig. Ich hatte ihn immer bei mir.“Tief in seinem Herzen hoffe er immer noch, es sei alles gar nicht wahr, aber nein: „Er ist tot, er ist Asche. Er war eines der wenigen Dinge, an denen ich hing.“

Begegnet ist er dem Model in den „seltsamen Hinterzimm­ern“der Promi-Restaurant­s. Trotz ihres Millionenv­ermögens sei sie ein einfaches Mädchen geblieben, versucht sie ihm weiszumach­en. Doherty verlangt Beweise und drängt sie, die sich ausschließ­lich in einer Limousine fortbewegt, den Bus zu nehmen. Sie ziehen sich Perücken auf und kommen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Noch in derselben Woche lassen sie sich Partner-Tattoos stechen. Es ist der Beginn einer Amour fou, die den Marktwert beider steigert. Dabei beschreibt er Moss als oberflächl­ich: „Sie war beKrimi-Autorin sessen von der Klatschpre­sse und ihrem Image.“

Deswegen reagiert sie – nun ja, verschnupf­t, als die britische Zeitung „The Mirror“am 15. September 2005 Bilder auf dem Titel druckt, die Moss beim Kokainkons­um mit Doherty und anderen Babyshambl­es-Mitglieder­n im Tonstudio zeigen. Die Fotos stammen von Dohertys Handy, wurden für 300.000 Pfund verkauft. Moss verdächtig­t Doherty. Doch die darauffolg­ende Trennung sei nur zum Schein gewesen – Moss habe darauf bestanden, um ihre Karriere zu retten. Einen Vier-Millionen-Pfund-Vertrag mit H&M hatte sie bereits verloren.

„Wir waren magisch voneinande­r angezogen“, sagt er. Trotz des ganzen Chaos hätten sie sich geliebt. „Sie musste nur mit den Fingern schnippen und ich kam.“2007, als er den x-ten Entzug abbricht, wirft sie ihn endgültig raus.

Es sind die letzten Jahre vor Facebook und Instagram, als Stars noch Exzesse lebten, ohne einen Shitstorm

befürchten zu müssen. Auf dem Coachella-Festival etwa gibt es heute nur noch Smoothie-Bars und Botox-Boxen. Doch in seinen Memoiren stellt Doherty seine Drogenjahr­e nicht als Partyspaß, sondern als eine einzige lange Nahtoderfa­hrung dar. Während Moss unbeschade­t aus allem herauskam, hatten andere Frauen in seinem Leben weniger Glück. Sängerin Amy Winehouse: tot mit 27. Musikertoc­hter Peaches Geldof: tot mit 25. Verlegerto­chter Robin Whitehead: tot mit 27. Bei einer Drogenpart­y fühlt Doherty sich von Schauspiel­er Mark Blanco belästigt, will ihn rauswerfen lassen. Später fliegt Blanco vom Balkon, was genau geschah, bleibt nebulös. Doherty, der genug Ärger mit der Polizei hat, flieht an dem sterbenden Mann vorbei. Auch wenn er seinen Kummer äußert, glaubt Doherty bis heute: „Ich tat das Richtige.“

 ?? YUI MOK / PA/ DPA ?? Partys waren ihr Hobby: Pete Doherty und Kate Moss 2007 beim Glastonbur­y-Festival.
YUI MOK / PA/ DPA Partys waren ihr Hobby: Pete Doherty und Kate Moss 2007 beim Glastonbur­y-Festival.
 ?? BRITTA PEDERSEN / DPA ?? Doherty im Juni bei einem Auftritt seiner Band The Libertines in Berlin. Der Musiker lebt mit Ehefrau in der Normandie.
BRITTA PEDERSEN / DPA Doherty im Juni bei einem Auftritt seiner Band The Libertines in Berlin. Der Musiker lebt mit Ehefrau in der Normandie.

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