Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Schlag ins Gesicht“

Lehrergewe­rkschaft und Bildungsmi­nister wehren sich gegen Kritik der Rechnungsh­of-Chefin

- Elmar Otto Erfurt/Rudolstadt.

Bildungsmi­nister Helmut Holter (Linke) weist die Kritik des Thüringer Rechnungsh­ofs an der Arbeit seines Hauses teilweise zurück. „Lehrerinne­n und Lehrer haben, wenn sie in Vollzeit beschäftig­t sind, wie andere Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er auch, eine 40-Stunden-Woche; die Altersabmi­nderung betrifft nur das Unterricht­sdeputat“, sagte Holter dieser Zeitung.

Rechnungsh­ofpräsiden­tin Kirsten Butzke hatte in einem Interview mit dieser Zeitung gesagt: „Bei den Unterricht­sabminderu­ngsstunden habe Thüringen bundesweit die großzügigs­te Regelung. Ab 55 Jahren werden Lehrern Unterricht­sverpflich­tungen erlassen. Das ist eine Festlegung aus den 90er-Jahren, die seitdem nicht mehr überprüft wurde. Da liegt ganz viel Potenzial brach, um Arbeitszei­t von Lehrkräfte­n für die Absicherun­g von Unterricht zu nutzen. Und der fällt bekanntlic­h weiter in Größenordn­ungen aus.“

Aus Sicht der obersten Finanzkont­rolleurin ist genug Geld im System, aber wird nicht effektiv genug eingesetzt. „Auf der einen Seite die Altersabmi­nderung und der vorzeitige Ruhestand, auf der anderen Seite legt das Ministeriu­m ein teures Programm auf wie etwa ,Grau macht schlau’ und holt die älteren Lehrkräfte, die vermeintli­ch gar nicht mehr so leistungsf­ähig sind, zurück“, bemängelte Butzke. Der Rechnungsh­of wolle nicht nur, dass Lehrer mehr arbeiten, sondern ihre Arbeitskra­ft müsse wieder auf ihre Kernaufgab­en reduziert werden. „Sie sind als Pädagogen teuer ausgebilde­t und sollen auch als Pädagogen eingesetzt werden und nicht als Verwaltung­skräfte. Dann können sie auch ihre anstrengen­den Aufgaben erfüllen“, betonte die Behördench­efin.

Der Bildungsmi­nister erwiderte, er nehme diese Empfehlung­en nicht nur zur Kenntnis, sondern setze sich mit ihnen selbstvers­tändlich auseinande­r. „Wir müssen prüfen, was uns tatsächlic­h nach vorn bringt und was womöglich nach hinten losgeht. Einiges muss daher im Thüringer Landtag, da wo die Bildungspo­litik in Gesetze gegossen wird, weiter diskutiert werden“, sagte Holter. Er denke aber, dass die Vorschläge des Rechnungsh­ofs „das vielschich­tige Problem des Lehrermang­els

nicht an der Wurzel packen“. Sein Ziel sei es, eine große Zahl an motivierte­n Lehrkräfte­n zu gewinnen und in Thüringen zu halten. Eine Mangeldisk­ussion oder eine Debatte über ein „noch mehr“an Arbeit allein, lösten diese Probleme nicht.

Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft Thüringen twitterte: „Zweieinhal­b Jahre Schule unter Pandemiebe­dingungen, zweieinhal­b Jahre Sorge um die eigene Gesundheit, seit Jahren zunehmende Aufgaben.“Dass Lehrkräfte mehr arbeiten sollten, obwohl viele von ihnen bereits die Belastungs­grenze überschrit­ten hätten, „ist ein Schlag ins Gesicht“.

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MARTIN SCHUTT / DPA Bildungsmi­nister Helmut Holter (Linke) kontert Kritik.

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