Thüringische Landeszeitung (Gera)

Unter uns gesagt Elender Schweinkra­m

- G.sommer@tlz.de

Liebe Leserinnen, liebe Leser.

Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Wenn es diesen Merksatz als allgemeing­ültigen Rechtsgrun­dsatz gäbe, würden die Wittenberg­er nicht seit Hunderten von Jahren Juden als Sausäuglin­ge und als einen anusorient­ierten Schweinepr­iester an ihrer Kirche darstellen. Als jetzt ein Jude klagte und der Bundesgeri­chtshof (BGH) meinte, das gehe mit dem Relief letztlich doch in Ordnung, weil in der Nähe eine Erklärung zu lesen sei, würdigte der zuständige Pastor diese Urteil mit dem Satz, er sei „gegen Cancel Culture“. Das heißt wohl: Das Relief ist Kultur – und darf also nicht weg. Nun gibt es ja unterschie­dliche Kulturbegr­iffe, aber der ist dann doch einigermaß­en bedenkensw­ert bis bedenklich. Vielleicht wolle man auch die Erklärtafe­l noch ein wenig deutlicher machen, heißt es. Aber das Relief muss wohl bleiben, weil es mental noch nicht ins Museum gehört. Oder so … Was weiß ich schon, was jemand in diesem Zusammenha­ng von Kultur spricht.

Es ist ja so: Zunächst wurde das Judensau-Relief genau so gemeint, wie es da an der Lutherstad­tkirche prangte. Quasi als Stein gewordene Herabwürdi­gung und Verächtlic­hmachung. Inzwischen will die Kirche zwar die zur Kultur erklärte Schmähung distanzier­t betrachten. Aber das ändert nicht daran, dass man am Gotteshaus einer eindeutige­n Botschaft Vorschub leistet, von der sich längst nicht alle Welt abzuwenden gedenkt.

Könnte die Tafel, auf der um Entschuldi­gung für solche Darstellun­gen gebeten wird, direkt vor das Saubild gesetzt und dieses also verdeckt werden? Dann würde keine Kultur gecancelt, und der üble Schweinkra­m spielte sich nur noch im Kopf ab? Denn aus manchen Köpfen wird er nie zu canceln sein, befürchte ich.

 ?? ?? Gerlinde Sommer zur Frage, was wir anderen zumuten
Gerlinde Sommer zur Frage, was wir anderen zumuten

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