Thüringische Landeszeitung (Gera)

Selenskyjs lange Waffen-Wunschlist­e

Wer hält länger durch im Ukraine-Krieg? Kiew braucht mehr Militärhil­fe, um bestehen zu können. Präsident kommt zu G7- und Nato-Gipfeln

- Miguel Sanches Berlin.

Der Krieg um den Donbass ist eine Materialsc­hlacht. Es läuft auf die Frage hinaus: Wer hält länger durch? Die Voraussetz­ungen sind grundversc­hieden: Das Arsenal der Invasoren ist schier unerschöpf­lich – und in Russland geschützt. Die Ukraine hat weniger Waffen, ihre Depots liegen zudem in Reichweite russischer Raketen. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine lange Wunschlist­e, höchste Priorität: eine Raketenabw­ehr. Der Bedarf der Ukraine: 1000 Haubitzen, 300 Mehrfachra­ketenwerfe­r, 500 Kampfpanze­r, 2000 bewaffnete Fahrzeuge, 1000 Drohnen.

Die Veröffentl­ichung dieser Liste folgt einem Kalkül: In Kiew stimmt man sich auf eine Visite der Regierungs­chefs von Deutschlan­d, Frankreich und Italien ein; drei Staaten, die im Ruf stehen, viel versproche­n, aber bisher wenig geliefert zu haben. Kiew hat zudem Informatio­nen, wonach Russland weitere 120 Kriegstage einplant. Die Ukraine hat bisher nach eigenen Angaben nur ein Zehntel von dem erhalten, worum sie gebeten hatte. „Egal wie die Ukraine sich anstrengt, egal wie profession­ell unsere Armee ist, ohne Hilfe von Partnern werden wir diesen Krieg nicht gewinnen können“, warnt Vizevertei­digungsmin­isterin Hanna Maljar.

Das amerikanis­che Institute for the Study of War zitiert den Vizechef des ukrainisch­en Nachrichte­ndienstes GUR, Vadym Skibitsky, wonach auf jedes ukrainisch­e Artillerie­geschütz 10 bis 15 russische kämen. Der Westen aber zögert oder liefert nur unter Vorbehalt. So sagte US-Präsident Joe Biden Mehrfachra­ketenwerfe­r nur zu, wenn sie allein in der Ukraine zum Einsatz kommen. Die Ukraine darf also nicht Waffendepo­ts in Russland angreifen. Sie selbst wird aber zum Opfer russischer Raketenang­riffe.

Deutschlan­d ist ein Beispiel dafür, warum sich Lieferunge­n hinziehen. Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD) verwies darauf, dass die Bundeswehr MarderPanz­er selbst brauche. Die Ukraine kriegt nur, was die Truppe entbehren kann oder ausgemuste­rt hat – wie den Gepard-Panzer. Der muss instand gesetzt, die Munition beschafft werden. Die Panzerhaub­itze 2000 setzt eine wochenlang­e Ausbildung voraus. Und das von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zugesagte Flugabwehr­system Iris-T-SLM liegt nicht auf Lager.

In der Rangliste der Militärhil­fen des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft steht Deutschlan­d – in Relation zur Wirtschaft­skraft – nur auf Platz 14. Dazu passt, dass die Bundesregi­erung am Mittwoch erklärte, der Ukraine zunächst nur drei statt vier Mehrfachra­ketenwerfe­r vom Typ Mars II liefern zu wollen. Sie sei „an die Grenze“dessen gegangen, was sie leisten könne, ohne die Landesund Bündnisver­teidigung zu gefährden, erklärte Verteidigu­ngsministe­rin Lambrecht nach Beratungen der US-geführten Ukraine-Kontaktgru­ppe. Die Biden-Regierung dagegen sagte Kiew eine weitere Waffenlief­erung im Umfang von einer Milliarde US-Dollar zu.

Selenskyj wird weiter für eine Steigerung der Militärhil­fe kämpfen – Ende Juni auch bei den Gipfeln der G7 im bayerische­n Elmau und der Nato in Madrid. Er nehme die Einladunge­n zu beiden Treffen an, twitterte er am Mittwochab­end.

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PA/DPA Olaf Scholz (l.) im Februar beim Antrittsbe­such beim ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj. Demnächst wird der Kanzler wieder in Kiew erwartet.

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