Thüringische Landeszeitung (Gera)
Als Merkel die Verfassung brach
CDU, AfD und FDP wählten Kemmerich – was die damalige Kanzlerin unzulässig kommentierte
Merkel hat nach dem Urteil „Respekt“vor dem höchsten deutschen Gericht geäußert: „Bundeskanzlerin a. D. Dr. Angela Merkel respektiert selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“, teilte eine Sprecherin Merkels mit.
Merkel ist 2020 zwar einerseits CDU-Politikerin, zugleich aber als Kanzlerin zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Sie ist als Kanzlerin auch Staatsorgan. Nach dem Demokratieprinzip darf sie ihr Amt, gerade bei Dienstreisen auf internationaler Bühne im Ausland, nicht für parteipolitische Zwecke nutzen. Denn dann verlässt sie die Neutralität ihres Amtes. Mit Folgen, damals 2020: Kemmerich trat nach drei Tagen zurück, die Amtsgeschäfte führte er ohne Regierung noch bis März. Ministerpräsident wurde dann wieder Bodo Ramelow (Linke), der im ersten Anlauf in den ersten beiden Wahlgängen gescheitert war.
In der Karlsruher Verhandlung im Juli 2021 hatte Merkels Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) die Äußerungen damit verteidigt, dass die mitreisenden Journalisten und vor allem der Koalitionspartner eine Positionierung gewollt hätten. Es sei auch um das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gegangen.
Der AfD-Landesverband in Thüringen
gilt als extrem rechts. An der Spitze der Fraktion und Landespartei steht Rechtsaußen Björn Höcke, der mit islamfeindlichen Reden und dem Verbreiten von Verschwörungsideologie auffällt.
Mehrfach hatte die AfD gegen staatliche Akteure, Bundesregierung und Sicherheitsbehörden geklagt. Die AfD hatte vor dem Bundesverfassungsgericht auch schon erfolgreich gegen den damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) geklagt, weil ein Interview mit AfD-kritischen Passagen auf seiner Ministeriumsseite stand. Und Johanna Wanka (CDU) wurde in ihrer Zeit als Bildungsministerin dafür gerügt, dass sie in einer Ministeriumsmitteilung die „Rote Karte“für die AfD gefordert hatte. Nach diesen Urteilen dürfen Politiker zwar Kritik an der AfD üben. Sie müssen aber das Gebot staatlicher Neutralität wahren, wenn sie sich in ihrer Rolle als Regierungsmitglied äußern. mit mark, dpa
Unser Reporter Martin Debes schrieb ein Buch über die Hintergründe der Kemmerich-Wahl. Es trägt den Titel „Demokratie unter Schock. Wie die AfD einen Ministerpräsidenten wählte“und ist erschienen im Klartext-Verlag, Essen 2021.