Thüringische Landeszeitung (Gera)
Nicht jedes Gespräch dreht sich um Krankheit
Seit 30 Jahren gibt es Klinikseelsorge im Geraer Krankenhaus. Die Seelsorgerinnen Hanna Kiethe und Cornelia Fris erzählen über ihre Arbeit
Manchmal spielt das Leiden selbst gar keine Rolle in den Gesprächen, obwohl es immer Ausgangspunkt dafür ist. Schließlich finden sie im Krankenhaus statt. Doch worüber gesprochen wird, das bestimmen die Gegenüber von Cornelia Fris und Hanna Kiethe. Als Klinikseelsorgerinnen bringen sie – unkompliziert und bedingungslos, unvoreingenommen und konfessionsübergreifend – die Zeit mit und das offene Ohr. Nicht nur für Patienten, sondern auch für Angehörige und für das medizinische Personal.
30 Jahre gibt es nun schon dieses geistliche Seelsorgeangebot am Geraer Klinikum, das sich damit schon vor dem heutigen Krankenhausträger SRH etablierte. Der unterstützt das Angebot insbesondere logistisch, räumlich und mit Material, angestellt sind die beiden Frauen auf zusammen 1,5 Stellen bei ihren Kirchen, Hanna Kiethe bei der evangelischen, Cornelia Fris bei der katholischen. „Bei Bedarf vermitteln wir auch an die muslimische Gemeinde“, sagt letztere. Überhaupt gehe es bei ihrer Arbeit nicht darum, ob jemand gläubig ist oder nicht. Jeder darf sich Seelsorgebesuche wünschen.
„Es ist auch nicht so, dass wir nur am Bett von Sterbenden stehen, dieses Bild haben viele“, sagt Cornelia
Fris. Sicher gehöre das auch dazu, doch prinzipiell decke die Nachfrage alle Themen zwischen Geburt und Tod, das ganze Leben. „Häufig sind es Bilanzgespräche, positive wie negative“, sagt Hanna Kiethe.
Auch Schuldeingeständnisse und Vergebungsbitten gehören dazu. „Trauer und Schuld sind häufige Themen“, sagt sie. Mit manchen Patienten reicht der Kontakt Jahre zurück, doch nicht nur betagte, auch
Mit der Höffner Kundenkarte jüngere Patienten suchen das Gespräch mit den Seelsorgerinnen. Oder sie werden gerufen, von Angehörigen oder Klinik-Mitarbeitern, denen auf Station einfach die Zeit fehle.
Auch sie, die Beschäftigten und Familienmitglieder können sich an die Beiden wenden, Krisenintervention und Trauerbegleitung gehören ebenso zu den Aufgaben, wie seelsorgerische Beratung und Unterstützung des Personals.
Hanna Kiethe ist seit 1996, Cornelia Fris seit 2006 im Team, das früher sogar schon aus vier Seelsorgerinnen und Seelsorgern bestanden habe. An manchen Tagen haben sie acht Gespräche, an manchen Tagen doppelt so viele. Tausende Gespräche haben sie demnach bereits geführt. Von der Floskel, „die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen“, hält Cornelia Fris nicht viel. „Man muss die Arbeit wollen und lieben“, sagt sie, darüber hinaus seien Strategien der „Psychohygiene“, des Ausgleichs, ebenso wichtig wie die familiäre Stärkung im Hintergrund. Natürlich spreche man auch miteinander, stützt sich gegenseitig.
Die Corona-Zeit war auch für die
Seelsorgerinnen eine besondere, da sie zwischenzeitlich die einzigen waren, die Patienten besuchen durften, sowohl die „normalen“als auch die auf Coronastation. „In der Zeit gab es besonders viele Anrufe von Angehörigen, die uns baten, ihre Lieben zu besuchen, die aber auch selbst Trost suchten“, sagt Hanna Kiethe, die auch jene Familien in ihrer Trauer begleitete, die Angehörige durch Corona verloren hatten und sie vorher nicht mehr sehen konnten. Die Seelsorge auf der Corona-Station in Schutzkleidung übernahm Cornelia Fris. Ihr war ein Bild in Erinnerung geblieben: ein Raum voller Taschen. Es war das Gepäck der Verstorbenen, das wegen Quarantänebestimmungen noch nicht abgeholt werden durfte.
Corona war auch der Grund, aus dem das 30-Jährige der Klinikseelsorge nicht schon im September 2021, sondern erst jetzt von kirchlicher Seite gefeiert wurde. Am Mittwoch wurde dazu ein ökumenischer Festkonvent für geladene Gäste in Gera veranstaltet, der sich um dieses kirchliche Arbeitsfeld drehte, das inzwischen Standard in größeren Krankenhäusern sei.