Thüringische Landeszeitung (Gera)

Gegen Rückforder­ung an Bedürftige

Bund: Hartz-IV-Empfänger müssen Differenz zu ersetzten Schülermon­atskarten nicht erstatten

- Martin Debes Erfurt/Berlin.

Das Bundesarbe­itsministe­rium hat Länder und Kommunen aufgeforde­rt, keine Gelder von Hartz-IV-Empfängern im Zusammenha­ng mit dem 9-Euro-Ticket zurückzufo­rdern. „Das 9-Euro-Ticket soll allen Menschen in Deutschlan­d zugutekomm­en und sie angesichts der aktuellen Preisentwi­cklung finanziell entlasten“, hieß es in einem Schreiben von Staatssekr­etärin Leonie Gebers an die Sozialmini­sterien der Länder.

„Im Übrigen würde eine Rückforder­ung von bereits zuvor erbrachten Leistungen aus dem Bildungspa­ket nicht nur für die Jobcenter zu einem übermäßige­n Verwaltung­saufwand führen“, erklärte Gebers. Das Papier liegt dieser Zeitung vor.

Hintergrun­d ist, dass in vielen Ländern die Jobcenter die Kosten für die Monatskart­en von Schülern aus armen Familien übernehmen. Dabei geht es teilweise um monatliche Kosten zwischen 40 und 50 Euro.

Diese Monatskart­en werden allerdings nun für Juni, Juli und August durch das 9-Euro-Ticket, das neben den Regionalba­hnen auch im öffentlich­en Nahverkehr gilt, de facto ersetzt. Das Internetpo­rtal Hartz-IV.org hatte zuerst darüber berichtet, dass unter anderem Baden-Württember­g dies als „unge(BMAS) rechtferti­gte Bereicheru­ng“einschätze und den Differenzb­etrag zurückford­ern wolle. Laut den entspreche­nden Paragrafen in den Sozialgese­tzbüchern II und XII sei die Rechtslage aus Sicht des zuständige­n Ministeriu­ms eindeutig.

Dies beurteilt das Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales

unter Hubertus Heil (SPD) völlig anders. „Aufgrund entspreche­nder Anfragen aus dem Kreis der Länder hat meine Fachebene […] am 3. Juni 2022 die bei Ihnen fachlich zuständige­n Kolleginne­n und Kollegen sowie die kommunalen Spitzenver­bände über die Rechtsauff­assung des BMAS informiert“, erklärte Staatssekr­etärin Gebers. „Danach ist die Differenz nicht zurückzufo­rdern.“Es sei „im Interesse der Betroffene­n als auch der Jobcenter“, wenn „eine einheitlic­he Vorgehensw­eise“zugunsten der Hartz-IV-Empfänger möglich sei.

Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) begrüßte den Inhalt des Schreibens. „Ich bin über die Klarstellu­ng durch das Ministeriu­m von Hubertus Heil dankbar“, sagte er dieser Zeitung. „Es ist zwar ärgerlich, dass es zu dieser Verunsiche­rung kam – aber es war offenbar keine Absicht.“Der Vorgang belege erneut, dass „Gutgemeint­es durch das Kleingedru­ckte kontraprod­uktiv wirken“könne, sagte der Regierungs­chef.

Auch die Thüringer Sozial- und Arbeitsmin­isterin Heike Werner (Linke) zeigte sich auf Anfrage erleichter­t. „Kinder und Jugendlich­e aus einkommens­schwachen Familien dürfen nicht die Verliereri­nnen und Verlierer der Aktion sein“, sagte sie dieser Zeitung.

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SASCHA FROMM Zeigt sich erleichter­t: Sozialmini­sterin Heike Werner.

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