Thüringische Landeszeitung (Gera)
In einer Welt der Fantasie
Im Staatstheater Meiningen wird Achim Freyers nicht ganz neue, aber taufrisch wirkende „Zauberflöte“bejubelt
Auffallend oft gab es in letzter Zeit wieder Bühnenbilder für Opernproduktionen, die nicht mit nihilistischer Leere bis zur Brandmauer und Secondhand-Kostümen der allgemeinen Tristesse der Welt von heute in bekannten oder auch unbekannten Werken der Vergangenheit nachspürten. Vielleicht ein Indiz für ein wachsendes Bedürfnis nach Kunst als Gegenwelt? Und nicht nur als Analyse- oder Diskursbeitrag der besonderen Art.
Zwei ausgesuchte Beispiele, die dezidiert auf ihrer Autonomie als Kunstwerk bestehen, bot die erste Spielzeit des Meininger Intendanten
Jens Neundorff. Die eine war „La Boheme“, die Malerfürst Markus Lüpertz als klingendes Gemälde auf die Bühne brachte. Jetzt folgte Achim Freyers „Zauberflöte“.
Die Vorlage von Wolfgang Amadeus Mozart und Emanuel Schikaneder war 1791 zur Volksbelustigung der Wiener Vorstadt gedacht. Wenn sich Freyer (88) ein Werk vornimmt und dabei für Regie, Bühne und Kostüme seine überbordende Fantasie einsetzt, dann kommt noch jedes Mal ein Gesamtkunstwerk der besonderen Art heraus. Sehr bunt. Immer etwas schräg. Meist subtil witzig. Allemal wiedererkennbar und mit der Musik eng verbandelt, wenn es um Oper geht.
Jetzt besteht der Bühnenraum aus drei großen Türen, die aussehen, als wäre sie aus einem expressionistischen Gemälde kopiert und ins Riesenhafte vergrößert. Oben drüber stehen die Schlagworte „Vernunft“, „Natur“und „Weisheit“. Die rechte, in Quietschgelb, ist eine Schwenktür, die man nur anstoßen muss, um durchzukommen. Sie ist oft in Betrieb und bietet die Chance, komödienreif aneinander vorbei zu laufen. Bei der mittleren ist die Klinke so hoch, dass niemand an sie heran rankommt, der es nicht soll. Hier haben der mit Strahlenkrone versehene Sarastro (mit Stimmgewalt und Selbstironie: Selcuk Hakan Tıraşoğlu) und seine putzig blonden Mitstreiter mit ihren (Frei-)Maurerkellen ihre Auftritt. Aber auch ein wogendes Wasservideo und der Sternenhimmel für die Königin der Nacht. Die junge Laura Braun lieferte mit ihrem Bühnendebüt (!) ein atemberaubendes Beispiel von Koloraturakrobatik und kassierte dafür den entsprechenden Jubel an Ort und Stelle.
Alle haben ihren Auftritt: der Sympathikus Papageno, dessen Liebessehnsucht Johannes Mooser – inklusive vorwitzigem Vögelchen im Hosenschlitz – auch stimmlich sehr einnehmend abliefert. Der strahlend und tenorschön singende Rafael Helbig-Kostka als braver Tamino. Und die mit ihren feinen Piani
in ihrer Traurigkeit betörende Sara-Maria Saalmann als Pamina. (Sie wurde nach der Vorstellung mit dem Ulrich-Burkhardt Preis der Opernfreunde bedacht.) Auch Sten Meus glänzt als Monostatos. Alle fügen sich ins Gesamtkunstwerk ein.
In Meiningen sorgten nicht nur das fabelhafte Ensemble, der spielfreudige Chor und natürlich die Hofkapelle unter Leitung von Harish Shankar vokal und musikalisch nach Kräften für einen Erfolg. Dass auch diese Inszenierung sitzt, war schon deshalb klar, weil sie bereits an anderen Häuser bejubelt wurde. Jubel, was sonst!
Wieder am 7. und 15. Juli, ab 19.30 Uhr