Thüringische Landeszeitung (Gera)

Ist Biden zu alt für ein zweites Mal?

Selbst Demokraten zweifeln, ob der Präsident fit genug ist für eine weitere Amtszeit

- Dirk Hautkapp Washington.

Der alte Mann soll nicht mehr. Auf diesen Nenner kann man bringen, was gerade Teile der Demokraten in Amerika umtreibt, wenn sie mit Schweiß auf der Stirn an die Präsidents­chaftswahl in zwei Jahren denken. Der unter konstant prekären Umfragewer­ten leidende Joe Biden, so sagen es manche, möge doch bitte seinen Verzicht auf eine zweite Kandidatur 2024 verkünden und den Weg frei machen für Jüngere. Andere, darunter Biden selber, sehen in dem „Oldie“die einzige Abwehrwaff­e gegen ein denkbares Comeback von Donald Trump.

Im Fokus der durch Recherchen von „New York Times“und „Wall Street Journal“hochgeschw­appten Debatte steht die nackte Sorge, dass der Amtsinhabe­r nicht mehr die Spannkraft für den Knochenjob im Weißen Haus besitzen könnte. Ronald Reagan war 77, als er abtrat. Biden ist heute 79 und mit Abstand der älteste Präsident, den Amerika je hatte. Bei der nächsten Amtseinfüh­rung im Januar 2025 wäre der politische Dinosaurie­r aus Delaware 82. Am Ende seiner zweiten Amtszeit stünden 86 Lenze auf Bidens Arbeitszeu­gnis. Allein diese Zahl lässt demokratis­che Strategen schaudern. Biden zeige schon heute Verschleiß­erscheinun­gen – etwa bei schlecht choreograf­ierten Äußerungen, die später eingefange­n werden müssen. „Wie soll das erst werden, wenn ...?“

David Axelrod, zu Zeiten Barack Obamas, dem Biden als Vize diente, eine zentrale Beraterfig­ur in der Regierung, sagt: „Die Präsidents­chaft ist ein ungeheuer anstrengen­der Job. Und die krasse Realität ist, dass der Präsident näher an der 90 als an der 80 wäre am Ende einer zweiten Amtszeit. Und das wäre ein gravierend­er Punkt.“Axelrod meint: ein möglicher Grund für demokratis­che Wählerenth­altung 2024.

Bret Stephens, einer der wortmächti­gsten Zeitungsko­mmentatore­n im Land, argumentie­rt inhaltlich. Für ihn ist Biden ein Mann, der „wie ein Paar Zementschu­he“an der Zukunft der Demokraten hängt. Tenor: Biden versuche mit einem Politikver­ständnis aus den 80er-Jahren die Probleme von heute zu lösen. Das und der erbitterte „Njet“-Widerstand der Republikan­er führe zusammen immer häufiger zu Entscheidu­ngsstau und Stillstand.

Joe Biden hat früh bekundet, in zwei Jahren wieder antreten zu wollen. Den Gepflogenh­eiten nach musste er das tun. Kein Präsident seit Lyndon B. Johnson 1968 hat ein Wiederwahl­szenario ausgeschlo­ssen. Andernfall­s wäre Biden sofort zur „lahmen Ente“deklariert worden. Aber heißt Ambition zwangsläuf­ig auch Verwirklic­hung derselben?

Biden hat seine Karrierepl­äne konditioni­ert: „Wenn ich die Gesundheit habe, die ich jetzt besitze, wenn ich bei guter Gesundheit bin, dann würde ich tatsächlic­h antreten.“Spätestens im Frühjahr 2023, ist aus dem Weißen zu Haus hören, komme eine offizielle Ansage.

Auf ein amtsärztli­ches Bulletin wollen viele Demokraten nicht warten. Als die Parteilink­e Alexandria Ocasio-Cortez in einem Interview gelöchert wurde, ob sie Biden 2024 unterstütz­ten würde, druckste die Kongressab­geordnete aus New York herum. Man werde sich das ansehen, sagte sie, wenn es so weit ist. Übersetzt: eher nicht.

Ocasio-Cortez und ihresgleic­hen rufen in Erinnerung, dass sich Biden seinerzeit gegen Donald Trump ausdrückli­ch als „Übergangsf­igur“angeboten hatte, die zeitig den Weg für die nächste Generation frei machen würde. Aber für wen?

Vizepräsid­entin Kamala Harris wäre nach internen Erhebungen die geborene Nachfolger­in. Leider rangieren ihre Umfragewer­te sogar noch unter denen von Biden. Der ersten Frau im zweithöchs­ten Staatsamt fehlt, wie es in der Fußballers­prache heißt, bis heute die Bindung zum Spiel. In Kreisen der Partei gilt sie nicht wenigen als Leichtgewi­cht.

Nach Harris werden ein gutes Dutzend Namen gehandelt. Da sind zunächst die üblichen Verdächtig­en, die beim letzten Mal Biden Platz machen mussten: die Senatoren und Senatorinn­en Bernie Sanders, Elizabeth Warren, Cory Booker und Amy Klobuchar. Aber auch der junge Verkehrsmi­nister Pete Buttigieg gehört zum Anwärterpo­ol. Dazu noch umtriebige Gouverneur­e namens Phil Murphy aus New Jersey, der unter Obama mal Botschafte­r in Deutschlan­d war, und Gretchen Whitmer aus Michigan sowie J. B. Pritzker aus Illinois. Oder die jetzige Wirtschaft­sministeri­n Gina Raimondo. Und der ehemalige Bürgermeis­ter von New Orleans, Mitch Landrieu.

Noch ist das Feld unsortiert. Und niemand macht Biden das Zugriffsre­cht auf eine zweite Kandidatur öffentlich streitig. Klar ist aber auch: Gehen die Demokraten bei den Kongresswa­hlen im November unter, „kommen die Messer heraus“, sagen demokratis­che Strippenzi­eher in Washington. „Dann ist die Schonzeit vorbei.“

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Kamala Harris hat noch schlechter­e Umfragewer­te als Joe Biden
SAUL LOEB / AFP So alt wie er war noch kein amtierende­r US-Präsident: Joe Biden (79). Kamala Harris hat noch schlechter­e Umfragewer­te als Joe Biden
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Phil Murphy, Gouverneur von Philadelph­ia, wird als Biden-Nachfolger gehandelt. Vizepräsid­entin Kamala Harris hingegen sinkt in der Gunst.
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PICTURE ALLIANCE

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