Thüringische Landeszeitung (Gera)
Macron muss um Unterstützung werben
Nach der Parlamentswahl in Frankreich ist das Bündnis des Präsidenten auf Partner angewiesen
Einer der großen Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich ist die Art und Weise, wie regiert wird. Beim französischen Nachbarn ist vieles auf den Präsidenten zugeschnitten – und für gewöhnlich wird er getragen von einer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung, mit der sich durchregieren lässt. Seit der Wahl am Sonntag sieht das anders aus – was Staatschef Emmanuel Macron in seiner zweiten Amtszeit vor Probleme stellen dürfte. Der 44-Jährige hat in der Nationalversammlung künftig nur eine einfache Mehrheit hinter sich. Einen Wahlausgang wie am Sonntag gab es zuletzt vor mehr als 30 Jahren. Die Aufgabe des Präsidenten und seiner Partei – aber auch der Opposition im Parlament – ist es nun, Wege der Zusammenarbeit zu finden. Es ist eine schwierige Aufgabe in einem politischen System, dass solche Wege bisher nicht kannte und auch nicht brauchte.
Ist Frankreich nun unregierbar? Die örtliche Presse ist skeptisch, drückt dem Land teils schon den Stempel „Unregierbar“(„Le Parisien“) auf, „Libération“sieht „Macron im Belagerungszustand“. Vokabeln wie „Minenfeld“, „Chaos“, „Katastrophe“und „Blockade“finden sich in den Analysen und Reaktionen. Es besteht die Sorge, dass Frankreich erst am Anfang einer politischen Krise steht.
„Können wir es nicht wie in Deutschland machen?“, lautet da ein Vorschlag, im Bundestag schlössen sich doch seit jeher verschiedene Parteien zu einer Regierung zusammen. Kompromisse und Koalitionen aber sind in der französischen Politik unüblich. Und so positionieren sich an Tag eins nach der Wahl alle Konkurrenten des Macron-Lagers. Die erstarkten Ränder am linken und extrem rechten Rand lassen keinen Zweifel daran, dass sie es Macron so schwer wie möglich machen wollen – auch von einem Misstrauensantrag gegen die Regierung ist die Rede.
Klar ist, dass der von Kritikern als arrogant und autoritär bezeichnete Macron seinen Politikstil wird umstellen müssen. Er wird stärker den Austausch und Dialog suchen müssen. Entscheidend wird am Ende sein, ob es Macron gelingt, eine handlungsfähige Mehrheit auf die Beine zu stellen. Denn vor jeder Entscheidung im Parlament immer wieder neue Absprachen mit anderen Parteien zu suchen, dürfte das Regieren schwierig machen.
Dass die Streitlust der Parteien auch nach der Wahl anhielt, könnte Macron in die Karten spielen. Als sein Konkurrent, der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon, am Montag eine gemeinsame Fraktion des bei der Wahl so erfolgreichen Linksbündnisses Nupes vorschlug, kassierte dieser prompt die Absage der Sozialisten, Kommunisten und Grünen. Sie beharrten auf der getroffenen Regelung, dass jede Partei für sich im Parlament agiert. dpa