Thüringische Landeszeitung (Gera)
Wofür lernen wir eigentlich?
Nils R. Kawig zitiert in seinem Kommentar zum thüringischen Schulwesen den Satz: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.“
Erst lange nach meinem Abschied vom humanistischen Gymnasium habe ich erfahren, dass dieser Satz, der früher über dem Portal von Gymnasien zu lesen war, eine Fälschung ist. Seneca schrieb in seinem Brief an Lucilius (Brief 106): „Nicht für das Leben, für die Schule lernen wir“. Er wollte damit die Philosophenschulen kritisieren, die von der Wirklichkeit abgehoben seien!Dass der Satz von „Schulmännern“, wie man früher sagte, sozusagen umfunktioniert wurde, verharmloste noch der Berufsschullehrer Georg Büchmann in seiner wertvollen Sammlung „Geflügelte Worte“von 1864: „was wir umstellen und belehrend zitieren“.
Man sieht daran, wie wichtig Kritik ist, und zwar Kritik von allen Seiten an allen Seiten, ob oben oder unten. Und da würde ich die Frage nach „Demokratie“doch in allen Lebensbereichen stellen wollen, nicht nur in der Schule.