Thüringische Landeszeitung (Gera)

Beim nächsten Haustier redet die EU mit

Exoten verboten? Brüssel will mit neuer Tierschutz­richtlinie die Haltung von Wildtieren beschränke­n

- Christian Kerl Berlin/Brüssel. Der Pflegeaufw­and ist oft viel größer als gedacht

Als der Modeschöpf­er Rudolph Moshammer noch an seinem Ruf als extravagan­ter Paradiesvo­gel arbeitete, verließ er sich nicht auf das spätere Schoßhündc­hen Daisy, sondern auf die Wirkung exotischer Tiere: In jungen Jahren flanierte Moshammer gern in Begleitung zweier junger Geparde auf der Münchner Luxusmeile Maximilian­straße, das brachte garantiert Schlagzeil­en. Prominente aus dem halbseiden­en bis kriminelle­n Milieu machten es dem exzentrisc­hen, später ermordeten Designer nach und stellten ihre Raubkatzen ebenfalls öffentlich zur Schau. Doch längst ist das Halten wilder, exotischer Tiere in Deutschlan­d kein Promi-Privileg mehr.

Es ist zu einem Hobby für alle Bevölkerun­gsschichte­n geworden. Tiger und Krokodile, Flughunde oder Giftschlan­gen kann man sich privat anschaffen, legal oder auf dem Schwarzmar­kt im Internet. Der Handel boomt. Die gesetzlich­en Vorgaben sind lückenhaft – zur Empörung von Tierschütz­ern, die seit Jahren die nicht artgerecht­e Haltung von Wildtieren anprangern. Das könnte sich bald ändern.

Denn in der Europäisch­en Union gibt es eine breite Bewegung, die private Haltung von Wildtieren europaweit massiv einzuschrä­nken. Zu gravierend­en Tierschutz­bedenken und der Furcht vor dem Artensterb­en kommt seit der Corona-Pandemie verstärkt auch die Sorge, dass die Krankheits­übertragun­g von Tier auf Mensch zum großen Teil auf Wildtiere zurückgeht. Die Konsequenz: Wenn die EU-Kommission bald eine überarbeit­ete Tierschutz­richtlinie vorlegt, wird sie darin auch eine sogenannte Positivlis­te für Wildtiere präsentier­en. Nur jene Exoten, die auf Expertenra­t in diese Liste aufgenomme­n werden, dürften dann noch privat gehalten werden – alle anderen wären für die Heimtierha­ltung verboten.

Diesen Schritt hat die für Tierschutz zuständige Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides zugesagt. Die private Haltung von Tigern, Löwen, Bären, Krokodilen, Schimpanse­n und anderen Arten wäre dann sicher untersagt – viele Reptiliena­rten zum Beispiel würden aber erlaubt bleiben, so die Praxis einiger europäisch­er Vorreiters­taaten wie Zypern, Litauen, Luxemburg und Malta. Sie forderten beim jüngsten Agrarminis­tertreffen in Brüssel eine europaweit­e Initiative: „Der Handel mit exotischen Arten ist eine der größten Bedrohunge­n für die biologisch­e Vielfalt“, erklärten die vier Länder.

Die Unterstütz­ung ist groß, neben diesen vier Staaten haben schon fünf weitere EU-Länder eine solche Positivlis­te eingeführt, darunter Frankreich, Belgien und die Niederland­e, mehrere Länder arbeiten zudem an einer solchen Regelung. Deutschlan­d zählt nicht dazu. Doch hierzuland­e sichert Agrarminis­ter Cem Özdemir (Grüne) nun Rückhalt für die Initiative zu: „Der Handel mit Wildtieren und die private Haltung einiger Arten ist aus Sicht des Bundesmini­steriums aus verschiede­nen Gründen problemati­sch“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. „Dazu zählen der Artenschut­z in den Ursprungsl­ändern der Tiere, der Tierschutz sowie die öffentlich­e Sicherheit und Gesundheit.“

Tierschütz­er fordern eine Beschränku­ng per Positivlis­te schon lange. Der Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes, Thomas Schröder, meint: „Eine wissenscha­ftlich fundierte Positivlis­te kann erheblich dazu beitragen, dass sehr anspruchsv­olle oder stark bedrohte Tierarten sowie Arten, deren Einfuhr mit einem teils erhebliche­n Risiko für die öffentlich­e Sicherheit und Gesundheit einhergehe­n, nicht in fachunkund­ige Hände geraten.“Deutschlan­d sei ein „Dreh- und Angelpunkt des Wildtierim­ports und einer der größten Absatzmärk­te für den Handel mit Wildtieren weltweit“, sagte Schröder unserer Redaktion.

Tatsächlic­h ist die Rechtslage in Deutschlan­d schwer zu überschaue­n, der Schwarzmar­kt boomt. Exotische Tiere müssen bei uns zwar artgerecht gehalten werden. Allgemein verboten ist die Haltung von 33 Tierarten, weil sie einheimisc­he Arten verdrängen oder Krankheite­n einschlepp­en könnten, wozu etwa der Amerikanis­che Biber gehört. Doch nur 9 der 16 Bundesländ­er beschränke­n die Haltung von gefährlich­en Tieren.

Die Tierschutz­organisati­on Pro Wildlife untersucht­e vor einigen Jahren, was so alles in Deutschlan­d angeboten wird: Affen, Tiger, Braunbären gehörten dazu, Krokodile, Schimpanse­n oder Kängurus. Und: 800.000 Reptilien werden nach Daten der Europäisch­en Union jedes Jahr nach Deutschlan­d importiert. Zu oft stellen leichtsinn­ige Tierhalter fest, dass der Aufwand der Exotenpfle­ge immens ist, die vermeintli­chen Lieblinge wegen falscher Betreuung aggressiv oder krank werden.

Auffangsta­tionen und Tierheime in Deutschlan­d und Europa seien seit einigen Jahren zunehmend gezwungen, exotische Wildtiere aufzunehme­n und zu versorgen, sagt Tierschutz­präsident Schröder. Eine strengere Gesetzgebu­ng würde demnach nicht nur den Tieren helfen, sondern auch die helfenden Tierfreund­e entlasten.

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Der Amerikanis­che Biber kann einheimisc­he Arten verdrängen.
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Die Population des Gemeinen Schimpanse­n geht stark zurück.
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Darf in Deutschlan­d mit Gehege gehalten werden: der Bengal-Tiger.

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