Thüringische Landeszeitung (Gera)
Beim nächsten Haustier redet die EU mit
Exoten verboten? Brüssel will mit neuer Tierschutzrichtlinie die Haltung von Wildtieren beschränken
Als der Modeschöpfer Rudolph Moshammer noch an seinem Ruf als extravaganter Paradiesvogel arbeitete, verließ er sich nicht auf das spätere Schoßhündchen Daisy, sondern auf die Wirkung exotischer Tiere: In jungen Jahren flanierte Moshammer gern in Begleitung zweier junger Geparde auf der Münchner Luxusmeile Maximilianstraße, das brachte garantiert Schlagzeilen. Prominente aus dem halbseidenen bis kriminellen Milieu machten es dem exzentrischen, später ermordeten Designer nach und stellten ihre Raubkatzen ebenfalls öffentlich zur Schau. Doch längst ist das Halten wilder, exotischer Tiere in Deutschland kein Promi-Privileg mehr.
Es ist zu einem Hobby für alle Bevölkerungsschichten geworden. Tiger und Krokodile, Flughunde oder Giftschlangen kann man sich privat anschaffen, legal oder auf dem Schwarzmarkt im Internet. Der Handel boomt. Die gesetzlichen Vorgaben sind lückenhaft – zur Empörung von Tierschützern, die seit Jahren die nicht artgerechte Haltung von Wildtieren anprangern. Das könnte sich bald ändern.
Denn in der Europäischen Union gibt es eine breite Bewegung, die private Haltung von Wildtieren europaweit massiv einzuschränken. Zu gravierenden Tierschutzbedenken und der Furcht vor dem Artensterben kommt seit der Corona-Pandemie verstärkt auch die Sorge, dass die Krankheitsübertragung von Tier auf Mensch zum großen Teil auf Wildtiere zurückgeht. Die Konsequenz: Wenn die EU-Kommission bald eine überarbeitete Tierschutzrichtlinie vorlegt, wird sie darin auch eine sogenannte Positivliste für Wildtiere präsentieren. Nur jene Exoten, die auf Expertenrat in diese Liste aufgenommen werden, dürften dann noch privat gehalten werden – alle anderen wären für die Heimtierhaltung verboten.
Diesen Schritt hat die für Tierschutz zuständige Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides zugesagt. Die private Haltung von Tigern, Löwen, Bären, Krokodilen, Schimpansen und anderen Arten wäre dann sicher untersagt – viele Reptilienarten zum Beispiel würden aber erlaubt bleiben, so die Praxis einiger europäischer Vorreiterstaaten wie Zypern, Litauen, Luxemburg und Malta. Sie forderten beim jüngsten Agrarministertreffen in Brüssel eine europaweite Initiative: „Der Handel mit exotischen Arten ist eine der größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt“, erklärten die vier Länder.
Die Unterstützung ist groß, neben diesen vier Staaten haben schon fünf weitere EU-Länder eine solche Positivliste eingeführt, darunter Frankreich, Belgien und die Niederlande, mehrere Länder arbeiten zudem an einer solchen Regelung. Deutschland zählt nicht dazu. Doch hierzulande sichert Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) nun Rückhalt für die Initiative zu: „Der Handel mit Wildtieren und die private Haltung einiger Arten ist aus Sicht des Bundesministeriums aus verschiedenen Gründen problematisch“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. „Dazu zählen der Artenschutz in den Ursprungsländern der Tiere, der Tierschutz sowie die öffentliche Sicherheit und Gesundheit.“
Tierschützer fordern eine Beschränkung per Positivliste schon lange. Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, meint: „Eine wissenschaftlich fundierte Positivliste kann erheblich dazu beitragen, dass sehr anspruchsvolle oder stark bedrohte Tierarten sowie Arten, deren Einfuhr mit einem teils erheblichen Risiko für die öffentliche Sicherheit und Gesundheit einhergehen, nicht in fachunkundige Hände geraten.“Deutschland sei ein „Dreh- und Angelpunkt des Wildtierimports und einer der größten Absatzmärkte für den Handel mit Wildtieren weltweit“, sagte Schröder unserer Redaktion.
Tatsächlich ist die Rechtslage in Deutschland schwer zu überschauen, der Schwarzmarkt boomt. Exotische Tiere müssen bei uns zwar artgerecht gehalten werden. Allgemein verboten ist die Haltung von 33 Tierarten, weil sie einheimische Arten verdrängen oder Krankheiten einschleppen könnten, wozu etwa der Amerikanische Biber gehört. Doch nur 9 der 16 Bundesländer beschränken die Haltung von gefährlichen Tieren.
Die Tierschutzorganisation Pro Wildlife untersuchte vor einigen Jahren, was so alles in Deutschland angeboten wird: Affen, Tiger, Braunbären gehörten dazu, Krokodile, Schimpansen oder Kängurus. Und: 800.000 Reptilien werden nach Daten der Europäischen Union jedes Jahr nach Deutschland importiert. Zu oft stellen leichtsinnige Tierhalter fest, dass der Aufwand der Exotenpflege immens ist, die vermeintlichen Lieblinge wegen falscher Betreuung aggressiv oder krank werden.
Auffangstationen und Tierheime in Deutschland und Europa seien seit einigen Jahren zunehmend gezwungen, exotische Wildtiere aufzunehmen und zu versorgen, sagt Tierschutzpräsident Schröder. Eine strengere Gesetzgebung würde demnach nicht nur den Tieren helfen, sondern auch die helfenden Tierfreunde entlasten.