Thüringische Landeszeitung (Gera)
Thomas Thieme geht in die Oper
Er inszeniert Glucks „Telemaco“im Theater Erfurt, das eine „Griechische Spielzeit“versucht
Erfurt. So geht’s also auch! Der Weimarer Schauspieler Thomas Thieme, 73 inzwischen, soll den Erfurter Intendanten Guy Montavon eines Tages angerufen und ihm erklärt haben, es würde doch nun so langsam mal Zeit für seine erste Opernregie: „Ich erwarte deine Vorschläge!“
Montavon ließ sich bezirzen und überträgt Thieme, sich nächsten April auf die Insel der Zauberin Circe zu begeben: in Christoph Willibald Glucks „Telemaco“, einer Geschichte über Odysseus’ Sohn.
Das passt gut in eine „Griechische Spielzeit“, die das Theater Erfurt für 2022/23 vorbereitet hat. Sie gründet in Richard Strauss’ „Elektra“, mit der Alexander Prior als neuer Generalmusikdirektor startet. Er leitet insgesamt, unter anderem, drei Opern, fünf Sinfoniekonzerte.
Und auf die „Elektra“, in der übrigens Cheryl Studer als Klytämnestra gastiert, folgt umgehend die Parodie zur griechischem Mythologie:
Offenbachs „Die schöne Helena“.
Das war’s dann auch schon mit der Neuinszenierung erwartbar zugkräftiger Titel aus dem gängigen Repertoire. Der Rest der Saison gilt Ausgrabungen, Neu- und Wiederentdeckungen, einer Uraufführung.
Das ist kein Spielplan von der Stange. Man geht sehr ins Risiko, ausgerechnet in einer Zeit, in der es erstmal der Auftrag ist, „die Leute wieder ins Theater zu bringen“, wie Montavon angesichts von deren Pandemie- und Geldsorgen selbst sagt. Der Intendant spricht auf Nachfrage von einer Gratwanderung, vom Vertrauen in die Kraft der angesetzten Werke und in deren Umsetzung, kalkuliert aber mögliche „Auslastungsprobleme“ein.
So endet die nächste Spielzeit mit Felix Weingartners „Orestes“, acht Jahre älter als Strauss’ „Elektra“, die hier nebst Vor- und Nachgeschichte erneut auftritt. Beide Werke bilden so die dramaturgische Klammer.
Aufstand mit Rossini, Bürgerkrieg mit Nestor Taylor
Darin gefasst, zum Beispiel: Rossinis französische Oper „Die Belagerung von Korinth“, vom Griechischen Aufstand der 1820er inspiriert. Regisseur Markus Dietz will mit Bürgerstatisten und somit mit 100 Menschen auf der Bühne von Krieg und Verstrickung erzählen.
Dem Griechischen Bürgerkrieg ab 1946 widmet sich die Uraufführung „Eleni“von Nestor Taylor, Sohn einer griechischen Familie in Australien. Das dirigiert auch ein
Grieche: Erfurts Ex-GMD Myron Michailidis, jetzt noch wenige Wochen als „Chefdirigent“am Haus. Richard Rodgers’ Musical „The
Boys from Syracus“nach Shakespeares „Komödie der Irrungen“spielt auf griechischem Boden, Jorge Pérez Martinez’ Choreografie
„Zorbas“nach Mikis Theodorakis derweil mit griechischen Klischees, zusammen mit Eisenachs Ballett.
Dem „Nachdenken über Musiktheater als Kunstform und Institution“widmet sich die „Studio.Box“unterm Dach, so Markus Weckesser, der sie mit Mila van Daag leitet. Derweil sich beide von der Frage leiten lassen: „Wie kriegt man diese tolle Gattung unter die Leute?“
Sie programmieren etwa John Cages „Europera 5“, die soeben in Weimar lief, Christian Josts „Dichterliebe“nach Schumann und Heine sowie Mark Simpsons Kammeroper
„Pleasure“, die vor Toiletten eines Schwulenclubs siedelt. Auch multidisziplinäre Performances gehören hier zum dichten und dicken Plan.