Thüringische Landeszeitung (Gera)
Die Schirmherrin des Kleinen Prinzen
Christiane Weidringer spielt im Erfurter Theatersommer mit Saint-Exupéry und geht danach damit auf Thüringen-Tour
„Die Menschen“, glaubt der Kleine Prinz, „haben keine Fantasie. Sie wiederholen, was man ihnen sagt.“Das ist ein Missverständnis. Zum einen ist er hier der Rufer in der Wüste, der auf einem Berg sein eigenes Echo hört. Zum anderen belegen Menschen wie Christiane Weidringer sehr wohl, dass sie über Fantasie verfügen, selbst wenn sie jetzt scheinbar wiederholt, was der Pilot und Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry ihr sagt: durch seine von ihm selbst illustrierte Erzählung „Der Kleine Prinz“.
Daraus hat die Puppen- und Schauspielerin binnen zwei Jahren ihre neue Aufführung entwickelt, zusammen mit ihrem Mann, dem Regisseur Harald Richter. Die gelangt diesen Freitag im Hof des Naturkundemuseums Erfurt zur Premiere, dort, wo das „Figurentheater Weidringer“seit 2010 den „Erfurter Theatersommer“bereichert, eine gemeinsame Werbeplattform fünf freier Theatermacher. Zuletzt spielte Weidringer dort zum Beispiel ihre „Zauberflöte“nach Mozart als die „Sternstunde einer Souffleuse“.
„Unterwegs zu den Sternen“heißt jetzt der erweiterte Titel ihrer „Kleiner Prinz“-Version, auch wenn die uns, gleichsam als Echo auf Saint-Exupéry, ja eher zu merkwürdigen Kleinstplaneten führt, zu Asteroiden eigentlich. Dies ist eine im gleichen Augenblick sowohl mobile als auch immobile Produktion. Mobil, da sie auch andernorts aufgeführt wird und nach rund zwanzig Erfurter Sommerabenden im Herbst und Winter auf große Thüringen-Tour mit aktuell vierzehn Stationen gehen soll, gefördert von der Kulturstiftung des Landes. Immobil aber, weil sich daran ein vom Erfurter Metallkünstler Thomas Lindner entsprechend umgebautes Fahrrad zwar bewegt, aber kaum fortbewegt. Es steht letztlich auf einem 2,20 mal 2,20 Meter großen
Podest wie das Zentralgestirn in Weidringers Theaterkosmos.
Darin tauchen selbstredend der Prinz und der Pilot auf, die Rose und der Fuchs, aber auch Saint-Exupéry selbst, nebst seiner Frau Consuelo, sowie, in der Rahmen- und Parallelhandlung, Christiane Weidringer als Schirmverkäuferin aus Paris. Die wurde, so die Erzählung, eines Tages vergeblich nach einem Fallschirm gefragt: von einem Mann, der ihr dann ebenso vergeblich anbot, in sein Flugzeug zu steigen. Nun aber verließ sie Paris, ihn zu suchen. Mit sich führt sie die Geschichten, die sie von ihm erfuhr, sowie jede Menge Schirme.
Die werden in der Aufführung zu den Kleinstplaneten der Geschichte beziehungsweise auch mal zu deren Bewohnern. Der Trinker nämlich ist selbst ein Schirm, aufgemalt mit roter Nase, faltig und schwer atmend, wenn sich der Schirm mal mehr, mal weniger öffnet und schließt. Weidringer spielt mit Objekten sowie mit von Barbara und Günter Weinhold in Berlin gebauten Tischfiguren. Den kleinen Prinzen gibt es, für ein Spiel mit Dimensionen und Perspektiven, in klein und in noch viel kleiner. Nach der Pause kommt es zudem zu Schattenspielen auf der Erde, und ein Ärmel im Kostüm wird zur Schlange.
Sie habe „ganz viel experimentiert“, so Christiane Weidringer über ihr neues Stück, das auf ihrer Internetseite als einziges doppelt auftaucht: unter „für Kinder“ebenso wie „für Erwachsene“. Denn „Der Kleine Prinz“ist beides: Märchen und philosophische Parabel auf den Sinn des Lebens, die stärker freigelegt werden soll als üblich. Das handelt von der Suche nach Partnern, Freunden, Begegnung.
Das drückt sich auch in Chansons aus, die Weidringer textete und als Rose zum Akkordeon singt, zu Kompositionen des Weimarers Andreas Kuch, der auch darüber hinaus Musik einspielte, für „eine kleine Achterbahn der Gefühle“.
So ein Chanson geht etwa so: „Ich unterhalte mich lange mit mir selbst, ich hör mir zu und unterbrech mich nie. Doch meine Antworten sind immer gleich – beaucoup de mots, personne pour me parler.“Weidringer lässt also den Klang französischer Sprache einfließen. Saint-Exupérys Original, das ihr in Frankreich in die Hände fiel, empfand sie aber auch als „viel tiefer und philosophischer“als die deutsche Version. Später schrieb ihr eine Zuschauerin: „Machen Sie doch mal den ,Kleinen Prinzen‘, das würde so gut zu Ihnen passen!“
Bald entdeckte Weidringer zudem die Musik der Sängerin Zaz für sich, von der sie sich inspirieren ließ. So kam eins zum anderen. Nun bricht sie in andere Sphären auf, mit Poesie und Witz – und Fantasie.
Ich brauche niemanden, bin glücklich, trinke meinen Tee. Doch ein Glas Wein am Abend: Wer stößt mit mir an – Qui boit à ma santé? Christiane Weidringer in einem ihrer Chansons, die sie für „Der Kleine Prinz unterwegs zu den Sternen“schrieb
Premiere: 24. Juni, 20.30 Uhr, Hof des Naturkundemuseums Erfurt. Bis zum 3. September immer Freitag und Samstag. Am 21. Juli Kultursommer Tiefurt, am 24. August Lutherkirche Apolda. Mehr unter