Thüringische Landeszeitung (Gera)
Kämpfen, ohne zu kämpfen
Seit diesem Jahr ist der TSV Eisenberg Ost-Stützpunkt eines besonderen Karate-Verbandes – unter den Augen mehrerer Großmeister
Geht es um Karate, denken viele direkt an Filme aus den Achtzigern. An Karate-Kid Daniel Larusso und Mister Miyagi, oder den Sportler und späteren Hollywoodstar Jean-Claude Van Damme.
Nicht anders war es bei Mario Zeitschel, der die asiatische Kampfkunst seit 1991 in Eisenberg betreibt. „Ich hatte immer den Faible für Asien, speziell für Japan. 1988 begann ich mit Judo, Karate war in der DDR verboten. Nach der Wende hat mich dieser Sport gepackt und bis heute nicht wieder losgelassen“, so der 46-jährige Träger des zweiten Dans. Damals entstand ein regelrechter Karate-Boom, auch in Eisenberg. Beim hiesigen Turn- und Sportverein (TSV) wurde eine Abteilung Karate gegründet – mit zwischenzeitlich über 200 Mitgliedern. Alle sind sie nicht geblieben, Mario Zeitschel schon.
Bis 1996 nahm er im klassischen Karate am Wettkampfsport teil. Mit 18 Jahren legte er zudem seine CTrainer-Lizenz ab. Dann wurde es ruhiger um den Eisenberger. Bis 2008, als Mario Zeitschel und andere Abteilungsmitglieder ein Seminar von Karate-Großmeister Benjamin Cem Gencoglu besuchten: „Ben und sein Verband Okuden Circle zeigten uns Sichtweisen, die wir bisher so nicht kannten.“
Kyusho Jutsu heißt diese Art des Karate. Im Fokus steht die Arbeit mit inneren Prinzipien – körperliche Strukturen, die Atmung, Psychologie. Eben die unmittelbare Verbindung von Körper und Geist.
Daneben spielen auch klassische Module wie Hebel, Schlagen/Greifen/Treten oder Takedowns eine Rolle. Ben Cem Gencoglu fungiert als Verbandsvorsitzender mit 8. Dan und ist Meisterschüler des angesehenen chief instructor im Kyusho Jutsu, dem US-Amerikaner James E. Corn (10. Dan). Beide Großmeister waren jüngst Ehrengäste
bei einem überregionalen Kampfkunstlehrgang in Eisenberg. Insgesamt 60 bundesweite Vertreter unterschiedlicher Kampfsportarten nahmen sich dem Thema Nervendruckpunkte am Beispiel von Kyusho Jutsu und Okinawa-Karate an.
2008 schloss sich der TSV Eisenberg dem Verband von Ben Gencoglu an, seit 2022 ist man zudem Stützpunkt Ost im Okuden-Circle-Verband. Schüler- und Meistergruppen trainieren jeden Monat an einem Wochenende mit Großmeister Ben höchstpersönlich – und das im heimischen Dojo (Trainingsraum) von Stützpunktleiter Mario Zeitschel.
Etwas kleiner geht es in der Nachwuchsgruppe zu. Jeden Donnerstag kann hier von 16.30 bis 17.30 Uhr in der TSV-Vereinsturnhalle in der Goethestraße trainiert werden. Das Ganze nennt sich Kids-Kyusho und ist ab sechs Jahren geeignet.
Derzeit hat die Karate-Abteilung beim TSV um die 20 Mitglieder. Durch die intensivierten Verbandsstrukturen wollen Mario Zeitschel und seine Mitsportler wieder mehr Menschen für die „Faszination Karate“begeistern. „In Internet-Videos werden wir häufig belächelt, da alles so unwirklich aussieht. Aber das ist es nicht. Selbstverteidigung bedeutet auch Selbstbewusstsein“, sagt Mario Zeitschel. Karate ist für ihn ein Stück weit zu kämpfen, ohne zu kämpfen.