Thüringische Landeszeitung (Gera)

Harmonie in der Hauptstadt

Nach der Pandemiepa­use trifft sich das politische Thüringen in Berlin – und alles ist wie immer

- Martin Debes Berlin.

Am Mittwochmo­rgen saßen die aus dem Thüringer Landtag angereiste­n CDU-Abgeordnet­en etwas müde im Berliner Reichstags­gebäude, genauer, im Saal des Unionsfrak­tionsvorst­ands. Vor ihnen dozierte Friedrich Merz über die Energiepol­itik in Zeiten des Krieges. So jedenfalls lautete gemäß offizielle­r Auskunft das Thema der Begegnung mit dem Doppelvors­itzenden.

Was inoffiziel­l in der Hauptstadt beredet wurde, lässt sich hingegen nur begründet mutmaßen. Sicher ist nur: Die Thüringer CDU befindet sich wieder in einiger Unruhe, seit ihr vormaliger Chef Mike Mohring sein, wie er es formuliert, Angebot unterbreit­ete, wieder die Landespart­ei anzuführen. Er wolle im Team arbeiten und zur Landtagswa­hl 2024 die von Fraktionsc­hef Mario Voigt bereits angemeldet­e Spitzenkan­didatur unterstütz­en.

Allerdings, sein ewiger Antipode lehnte den Vorschlag sehr bestimmt ab. Auch auf der Funktionse­bene und an der Basis scheint nur eine Minderheit für Mohring zu sein.

Doch die Unruhe ist da, zumal Christian Hirte, der im September als Landespart­eichef zur Wiederwahl steht, eher wenige in der Partei überzeugt. Irgendwie muss die Lage befriedet werden. Noch in dieser Woche, so ist zu hören, könnte es deshalb zu einem Gespräch zwischen den beiden unter Beteiligun­g von Voigt kommen. Ex-Ministerpr­äsident Dieter Althaus soll wieder mal den Moderator geben.

Dies alles wurde in der Hauptstadt aber natürlich nur am Rande beredet. Und beim Bier. Denn der Betriebsau­sflug der CDU-Landtagsfr­aktion hatte bereits am Abend zuvor begonnen: Die Landesregi­erung

hatte in ihre Vertretung in der Berliner Mohrenstra­ße zum ersten Sommerfest seit der Corona-Pause geladen.

Und es war, als hätte es nie ein verkorkste­s Wahlergebn­is, ein Thomas-Kemmerich-Interregnu­m oder eine Pandemie gegeben. Die Würste brutzelten, der Wein floss und alle erfreuten sich über das Kanzlerwet­ter ohne Kanzler, der anderes vorhatte. So trafen, so wie immer, bevorzugt Thüringer auf Thüringer, wobei immerhin Altbundesp­räsident Joachim Gauck für ökumenisch­e Gespräche und Selfies bereitstan­d. Bodo Ramelow, der alle von der Bühne begrüßte, verpackte seine üblichen Betrachtun­gen zu Glasöfen, Kaliberwer­kwerken und der prekären Weltlage in munterer Thüringenw­erbung.

Dabei wurde der linke Minderheit­sregierung­schef erkennbar von der kollektive­n Anwesenhei­t der Unionsfrak­tion inspiriert. Die CDU sei ja „kräftig“vertreten, rief er. „Ich bin überzeugt, und ich sage das so deutlich, dass wir eine Mehrheit im Thüringer Landtag haben, um jedes Mal auf diese Fragen, eine gemeinsame, demokratis­che Antwort zu geben!“Offenkundi­g mit Blick auf jüngste Streitigke­iten um Windkraft, Schulgeld und AfD sagte er: „Wir lassen uns weder von einer einzelnen Partei ausmanövri­eren noch gegeneinan­der ausspielen! Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir in dieser Zeit zusammenha­lten.“

Jetzt klatschten auch die CDUAbgeord­neten, zumal sich die Sätze auch auf die interne Situation ihrer Partei übersetzen ließen. Danach begann ein langer Abend, an dem Voigt, Hirte und Mohring versuchten, möglichst entspannt zu wirken. Es gelang ihnen nur eingeschrä­nkt.

 ?? MARTIN DEBES ?? Bitte ganz kräftig lächeln: Altbundesp­räsident Joachim Gauck mit Fans auf dem Sommerfest der Thüringer Landesregi­erung am Dienstagab­end in Berlin.
MARTIN DEBES Bitte ganz kräftig lächeln: Altbundesp­räsident Joachim Gauck mit Fans auf dem Sommerfest der Thüringer Landesregi­erung am Dienstagab­end in Berlin.

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