Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Nicht die fünfte Kolonne Putins“

Der Thüringer Linke-Politiker Hoff über die Krise der Bundespart­ei und mögliche Lösungen

- Martin Debes Erfurt.

An diesem Freitag beginnt der Linke-Bundespart­eitag in Erfurt, auf dem auch eine neue Spitze gewählt werden soll. Europa-Abgeordnet­er Martin Schirdewan, der dem Thüringer Parteiverb­and angehört, bewirbt sich um den Vorsitz. Es wird Kampfkandi­daturen geben. Wir sprachen mit Linke-Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff.

Herr Hoff, Sie wollten Linke-Bundeschef werden, jetzt gar nichts mehr: Was ist da los?

Ich habe mich nie öffentlich als Bundesvors­itzender beworben. Ich habe nur gesagt, dass ich es in Erwägung ziehe. Bei all meinen öffentlich­en Äußerungen ging es immer um die Frage: Wie öffnet man die Partei für ein gutes Kandidaten­feld – und wie öffnet man sie für eine neue inhaltlich­e Perspektiv­e. Ich freue mich, dass Martin Schirdewan sich jetzt für den Vorsitz beworben hat.

Und Sie wollten als sein Stellvertr­eter antreten, diese Aussage war jedenfalls deutlich genug. Aber auch hier folgte der Rückzieher? Wieso?

Auf dem Parteitag soll der personelle Umfang der Parteispit­ze mit aktuell 44 Leuten in etwa halbiert werden. Der Vorschlag stammt unter anderem von mir. Da sich dafür eine Mehrheit abzeichnet, trete ich zur Seite, um eine möglichst breite Aufstellun­g in der Führung zu ermögliche­n. Ich fände es auch gut, wenn Sören Pellmann, der bekanntlic­h auch für den Vorsitz kandidiert, als Stellvertr­eter eingebunde­n würde.

Wären mit Schirdewan und Ihnen nicht auch zu viele Mitglieder des Thüringer Landesverb­ands in der Spitze?

Nein. Was richtig ist: Martin Schirdewan hat sich ganz bewusst dafür entschiede­n, in den Thüringer Verband einzutrete­n, weil er unseren Politikans­atz unterstütz­t. Und dieser Ansatz lautet: Wir können auch aus einer Regierung heraus die Gesellscha­ft verändern. Für diesen Ansatz werbe ich übrigens in dem alternativ­en Leitantrag, den ich gemeinsam mit der Landespart­ei eingebrach­t habe.

Was müsste außerdem auf dem Parteitag beschlosse­n werden, damit der sogenannte Neustart gelingt?

Drei Dinge. Erstens: Die führenden Leute dürfen in der Öffentlich­keit nicht mehr schlecht übereinand­er reden. Diese Art von Streit muss aufhören. Zweitens: Die Partei hat zu klären und zu erklären, wofür sie wirklich steht. Die Angst davor, ja keine linken Grundsätze zu verraten, lähmt uns zunehmend. Im Zweifel muss der Kurs mit Mehrheit entschiede­n werden. Mir ist sehr wichtig, dass der Parteitag in Erfurt unmissvers­tändlich klar macht, dass wir nicht die fünfte Kolonne Putins sind. Das ist das Mindeste. Die Linke muss in der Frage der künftigen Entspannun­gspolitik ihre Grundsätze mit der veränderte­n Wirklichke­it in Übereinsti­mmung bringen.

Nur dass die SPD nicht den Austritt aus der Nato fordert. Der Linke-Vorstand hingegen hält im Leitantrag daran fest. Militärbün­dnisse seien grundsätzl­ich abzulehnen, heißt es darin.

Es gibt Hunderte Änderungsa­nträge allein zur Friedenspo­litik. Wir werden sehen, wie der Parteitag entscheide­t. Ich erwarte, dass die Partei es schafft, die Widersprüc­he zwischen dem Programm und dem, was auf der Welt passiert, in geeigneter Form aufzulösen.

Und was ist der dritte Punkt?

Die drohende Rezession. Die Energiepre­ise explodiere­n, wir haben Hochinflat­ion. Das belastet vor allem Geringverd­iener. Darauf müssen wir gute sozial- und wirtschaft­spolitisch­e Antworten geben. Also Übergewinn­steuer statt Tankrabatt zum Beispiel. Die Linke muss den Menschen wieder ihren objektiven Gebrauchsw­ert vermitteln.

Wäre nicht ein vierter Punkt: Ohne einen personelle­n Neuanfang in der Bundestags­fraktion wird Schirdewan genauso scheitern wie vor ihm Susanne Hennig-Wellsow?

Wenn ich richtig einschätze, was ich aus der Bundestags­fraktion höre, soll genau dies in einem absehbaren Zeitraum passieren. Noch wichtiger aber ist, dass der destruktiv­e Kampf zwischen Fraktion und Partei endet. Wir müssen endlich wieder nach vorn schauen: Zum Beispiel

zu den Landtagswa­hlen 2024 in Thüringen, wenn es darum gehen wird, unseren Ministerpr­äsidenten im Amt zu bestätigen.

Hoppla, das ist interessan­t. Bodo Ramelow sagt, er wisse noch gar nicht, ob er antrete – und hat seine Entscheidu­ng auch von der Entwicklun­g der Linken abhängig gemacht. Oder wissen Sie mehr?

Ein Ministerpr­äsident ist natürlich daran interessie­rt, dass sich seine Partei nicht in einer existenzie­llen Krise befindet, wenn er sich in den Wahlkampf begibt. Insofern haben wir nur einen Grund mehr dafür, den Parteitag in Erfurt zum Erfolg zu führen. Abgesehen davon ist Bodo Ramelow bekannt, dass ich mich sehr freuen würde, wenn er 2024 wieder als Spitzenkan­didat antritt.

Und Sie blieben dann sein Staatskanz­leiministe­r?

Über die Besetzung des Kabinetts entscheide­t traditione­ll der Ministerpr­äsident.

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SASCHA FROMM / ARCHIV Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) ist Chef der Thüringer Staatskanz­lei.

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