Thüringische Landeszeitung (Gera)
Scholz fordert „Marshall-Plan“für die Ukraine
Vor dem Gipfelmarathon mit den westlichen Partnern schwört der Kanzler das Land auf eine „über Jahre“nötige Hilfe ein
Bundeskanzler Olaf Scholz rechnet nicht mit einem baldigen Ende des Ukraine-Krieges: „Die Wahrheit ist doch, wir sind von Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland weit entfernt“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im Bundestag. „Wir brauchen einen langen Atem.“Militärisch – aber auch mit Blick auf den Wiederaufbau der Ukraine.
„Über Jahre hinweg“würden viele Milliarden Euro nötig sein, um das enorme Ausmaß der Zerstörung zu bekämpfen. Sein Versprechen: „Wir werden die Ukraine auch weiterhin massiv unterstützen – finanziell, wirtschaftlich, humanitär, politisch und nicht zuletzt mit der Lieferung von Waffen.“Bei seinem Besuch in der Ukraine vergangene Woche habe ihn vieles an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. „Und wie damals das kriegszerstörte Europa braucht heute auch die Ukraine einen Marshall-Plan für den Wiederaufbau.“Bundeskanzler Scholz betonte in seiner gut 20-minütigen Regierungserklärung vor den drei internationalen Gipfeltreffen in den kommenden Tagen ausdrücklich die militärische Verantwortung Deutschlands: „Sie können sich auf uns verlassen“, sagte Scholz an die Adresse der westlichen Partner. Vor dem Hintergrund des Streits zwischen Russland und dem Nato-Partner Litauen wegen der Ostsee-Exklave Kaliningrad erneuerte Scholz seine Zusage: „Wir werden jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets verteidigen.“
Vor Scholz liegen drei Gipfel innerhalb von acht Tagen – erst mit den EU-Regierungschefs, dann als Gastgeber der G7-Industriestaaten auf Schloss Elmau und schließlich mit den Nato-Partnern. Der Marathon startet an diesem Donnerstag in Brüssel, wird dann ab Sonntag fortgesetzt in den bayerischen Alpen und endet Mitte kommender Woche in Madrid. Die Ukraine und die Folgen des russischen Angriffskrieges werden im Mittelpunkt der drei Gipfel stehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bereits angekündigt, ebenfalls bei allen drei Gipfeln dabei zu sein, aber nur per Videoschalte. Scholz erinnerte im Bundestag an seine jüngste Reise zu
Selenskyj, an den Schrecken und die Zerstörung, die er in der Ukraine gesehen habe. Er habe die Bilder aus Irpin noch im Kopf: „Ich werde sie nicht vergessen.“
In Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs der EU unter anderem die Anerkennung der Ukraine und ihres Nachbarlandes Moldau als offizielle EU-Beitrittskandidaten besiegeln. Beim G7-Treffen geht es zentral um die Sanktionen gegen Russland und langfristige Hilfen für die Ukraine. Scholz wird sich als deutscher Gastgeber gleich zu Beginn mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden in kleiner Runde treffen. Sorge bereitet aktuell die Sicherheit: In der Nacht zum Mittwoch
wurden mehrere Polizeiautos in München angezündet. Ermittlerkreise sprechen von einem Brandanschlag. Man gehe ganz klar von einem politischen Motiv aus und von einem Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen, hieß es.
Beim Nato-Gipfel in Madrid schließlich steht vor allem die Frage der Geschlossenheit des westlichen Bündnisses im Mittelpunkt: Bislang weigert sich die Türkei, einem Start von Nato-Beitrittsgesprächen mit Finnland und Schweden zuzustimmen. Scholz warb am Mittwoch in seiner Rede für eine Einigung: „Schweden und Finnland sind ein Sicherheitsgewinn für alle Nato-Mitglieder und für ganz Europa.“