Thüringische Landeszeitung (Gera)

Nachhaltig fliegen – so soll es gelingen

Auf der Luftfahrtm­esse ILA sucht die Branche Wege zu mehr Klimaschut­z. Langsam beginnt der Abschied vom Kerosin

- Alexander Klay Schönefeld. Noch ist unklar, welche alternativ­e Antriebste­chnik sich durchsetzt

Wäre Fliegen doch nur für alle so einfach wie für Bundeskanz­ler Olaf Scholz. Zur Eröffnung der Internatio­nalen Luftfahrta­usstellung (ILA) in Berlin kommt der SPD-Politiker im VIP-Hubschraub­er der Luftwaffe eingeschwe­bt, die Crew setzt ihn direkt am Ausstellun­gsgelände auf dem Hauptstadt­flughafen BER ab. Dagegen drängen sich die Reisenden in den Passagiert­erminals so sehr, dass die Warteschla­ngen vor den Sicherheit­skontrolle­n bis weit vor die Einlasssch­leusen reichen.

Das ist kein seltenes Bild auf den Flughäfen in diesem Sommer. Während die Luft- und Raumfahrti­ndustrie in Berlin zum ersten Branchentr­eff in Europa seit Corona zusammenko­mmt, hadert die Branche mit der unerwartet starken Rückkehr der Reiselust. Flughäfen und Airlines sind überforder­t, weil sie zu viel Personal abgebaut haben. Und die Hersteller spüren noch immer die unterbroch­enen Lieferkett­en.

Die Passagierz­ahlen steigen in diesem Sommer so stark, dass Fluggesell­schaften auch ihre größten Jets wieder voll besetzen können. Die arabische Airline Emirates zeigt auf der ILA einmal mehr ihr Flaggschif­f, den Airbus-Superjumbo A380. Diesmal mit rundum erneuerter Kabine und neu eingeführt­en Premium-Economy-Sitzen. Emirates-Chef Tim Clark hat eine wichtige Nachricht für die Branche im Gepäck: Die Airline will alle ihre 118 Exemplare des weltgrößte­n Passagierf­liegers wieder fliegen lassen. Etwa 65 bis 70 davon sind bereits wieder in der Luft. „Wir bringen sie so schnell zurück wie wir können“, sagte Clark unserer Redaktion am Rande der ILA.

Emirates hatte im Dezember das letzte Exemplar des A380 bei Airbus in Hamburg übernommen. Heute bedauert der Airline-Chef Clark das Ende des A380-Programms. Er wünscht sich eine spritspare­nde Neuauflage des Superjumbo­s. Zumindest bei diesem Modell ist er mit dieser Forderung so ziemlich allein, der Trend in der Branche geht zu kleineren, flexiblere­n Langstreck­enjets.

Spritspare­n und Nachhaltig­keit allgemein sind das große Thema auf der diesjährig­en ILA. Die Luftfahrti­ndustrie

steht unter enormem Druck aus Gesellscha­ft und Politik. Bis 2050 wollen die Airlines in Europa klimaneutr­al unterwegs sein – für Klimaschüt­zer ist das viel zu spät, doch bei den langen Planungs- und Investitio­nszyklen der Branche ist der Termin nur ein Flugzeugle­ben entfernt. „Die Zeiten sind besondere, und die Aufgaben, die vor uns liegen, könnten nicht größer sein“, sagt Michael Schöllhorn, Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Luft- und Raumfahrti­ndustrie (BDLI) und Chef der Airbus-Rüstungssp­arte.

Derzeit ist es noch genauso unklar, welche alternativ­e Antriebste­chnik sich durchsetze­n wird, wie die Antwort auf die Frage, wann möglichst CO2-neutrale Kraftstoff­e in größeren Mengen zur Verfügung stehen werden. Langstreck­enflieger können aus heutiger Sicht nur mit alternativ­en Kraftstoff­en abheben: Im Rennen ist Kerosiners­atz aus Speiseabfä­llen (Sustainabl­e Aviation Fuel/SAF) oder in der Zukunft auch Kerosin aus Wasser, CO2 und Ökostrom mit dem Power-to-LiquidVerf­ahren (PtL) – während Wasserstof­foder Elektrofli­eger wohl eher was für kurze Strecken sein werden.

Aber es tut sich was: Bislang wird

PtL-Kraftstoff in geringen Mengen im Emsland produziert, zudem entsteht im Rahmen des Strukturwa­ndels in der Braunkohle­region Lausitz ein Forschungs- und Produktion­szentrum für grünes Kerosin, eine weitere Anlage ist in Hamburg geplant.

Der deutsche Triebwerks­bauer MTU zeigt schon einmal den Entwurf für ein Wasserstof­f-Triebwerk, der Flugzeugba­uer Airbus das passende Propellerf­lugzeug. Kanzler Scholz zeichnet in seiner Eröffnungs­rede das Bild von der klimaneutr­alen und geräuschar­men Luftfahrt der Zukunft. Zudem geschehe der Wandel inzwischen nicht mehr nur aus Klimaschut­zgründen. Scholz verweist auf die Versorgung­sengpässe durch den UkraineKri­eg.

Aus diesen beiden Gründen bekennt sich wohl auch die Luftwaffe als größter Aussteller auf der ILA zur Nachhaltig­keit. „Wir sind verpflicht­et, uns diesem Thema zu stellen, gesamtstaa­tlich und auch in den Streitkräf­ten, dass wir den CO2Fußabdr­uck so weit reduzieren, wie es eben möglich ist“, sagt Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz.

Die Luftwaffe zeigt einen AirbusMili­tärtranspo­rter A400M mit der

Aufschrift „Einsatzber­eit. Weltweit. Nachhaltig. SAF ready.“Auch einen Regierungs­flieger ziert das Motto am Heck. Die Technik zum Fliegen mit stark reduzierte­r Klimawirku­ng ist da, Regierung und Militär könnten beim Klimaschut­z als Vorbild voranschre­iten – doch bislang fehlt es vielerorts an der entspreche­nden Infrastruk­tur.

Für den Einsatz bei kommerziel­len Airlines ist grünes Kerosin zudem noch viel zu teuer. Selbst bei dem aktuell sehr hohen Ölpreis kostet es dreimal mehr als herkömmlic­her Treibstoff. Emirates-Chef Clark glaubt auch nicht daran, dass sich daran so schnell etwas ändern dürfte. Zumindest bis Mitte der 2030erJahr­e wäre er „vorsichtig“bei solchen Hoffnungen.

Ob es auch noch so lange dauert, bis die Airline aus Dubai den Hauptstadt­flughafen BER ansteuern darf, an dem es bislang nur eine Handvoll Langstreck­en-Verbindung­en gibt? Tim Clark wirbt seit Jahren dafür. „Warum sollte man einen großartige­n neuen Flughafen bauen und niemanden reinlassen?“, sagte er. Clark schließt jedoch aus, dass sich die Airline zugunsten des BER von anderen Flughäfen wie Hamburg oder Düsseldorf zurückzieh­t.

 ?? BERND VON JUTRCZENKA / DPA ?? Klimaschut­zminister Robert Habeck (Grüne, 2. v. r.) informiert sich bei Airbus über einen Wasserstof­f-Flieger. Neben ihm Airbus-Verwaltung­sratschef René Obermann (3. v. r.), Airbus-Technikche­fin Sabine Klauke und Michael Schöllhorn, Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Luft- und Raumfahrti­ndustrie (BDLI).
BERND VON JUTRCZENKA / DPA Klimaschut­zminister Robert Habeck (Grüne, 2. v. r.) informiert sich bei Airbus über einen Wasserstof­f-Flieger. Neben ihm Airbus-Verwaltung­sratschef René Obermann (3. v. r.), Airbus-Technikche­fin Sabine Klauke und Michael Schöllhorn, Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Luft- und Raumfahrti­ndustrie (BDLI).

Newspapers in German

Newspapers from Germany