Thüringische Landeszeitung (Gera)
Buchtipps Der Weg allen Fleisches am Ostseestrand
In „Ein Sommer in Niendorf“schildert Heinz Strunk den Niedergang eines mittelalten Managers
Heinz Strunk hat es wieder getan. Hat sein kaltes, gnadenlos unchristliches Auge wieder einmal auf seine als geistig-moralisch und körperlich zutiefst versiffte Wracks wahrgenommenen Mitbürger geworfen. Auf die Mitbürgerinnen und Mitbürger könnte man – politisch korrekter – auch sagen.
Was die Sache aber nicht viel besser machen würde. Und auch aus seinen neuen An- und Aussichten hat der Hamburger Kultautor („Fleisch ist mein Gemüse“), nunmehr 60 Jahre alt, einen Roman geschaffen: „Ein Sommer in NienOranienburg, dorf“, veröffentlicht im RowohltVerlag. Fans der Prosa des mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2016 (für „Der goldene Handschuh“) und der Goldenen Kamera 2018 (für „Jürgen – heute wird gelebt“) ausgezeichneten Allround-Künstlers dürften zufrieden sein. Den menschlichen und sozialen Totalabstieg eines Karrieremanns im mittleren Alter beschreibt Strunk, der sonst auch als Mitglied der musikalischen Komiker-Vereinigung „Studio Braun“Furore macht, auf rund 230 Seiten in gewohnt laxer Alltagssprache mit minuziöser Neigung
zum fiesen und unappetitlichen Detail.
Am Ende löst sich dieser Roth, der mit seinem Luxuskoffer „Rimowa Cabin Twist“an die Lübecker Bucht reist, um zwischen zwei Jobs eine Chronik seiner NaziUnternehmerfamilie zu verfassen, auf dem Brodtener Steilufer in den Farben des Winters nahezu auf.
Das tut er allerdings an der Seite einer unvorstellbar adipösen Vertreterin des Prekariats, Simone aus
die ihm eine zuvor nie gekannte sexuelle Lust zu bereiten versteht. Und mit der er nun ein Li- kördepot betreibt, das er von Simo- nes jüngst verstorbenem Liebhaber, einem Ferienapartment-Hausmeis- ter namens Breda, übernommen hat. Das Buch ließe sich auch so le- sen: als konsequenten Bildungs- gang eines durchschnittlichen 51- Jährigen, der alle bürgerlichen Hül- len fallen lässt und quasi heldenhaft endlich zu sich selbst findet. dpa
Heinz Strunk: Ein Sommer in Niendorf. Rowohlt Verlag, 240 Seiten, 22 Euro.