Thüringische Landeszeitung (Gera)

Flugkrise: Alles, was Reisende wissen müssen

In den Sommerferi­en könnte es an den Flughäfen große Probleme geben. Darauf müssen sich die Urlauber einstellen

- Wolfgang Mulke Berlin. Kurzfristi­g gestrichen­e Flüge Alternativ­e Flüge suchen Lange Wartezeite­n beim Einchecken Sorgenfrei­e Pauschalre­ise Hotel gebucht, aber Flug fällt aus Fliegen wird trotz Problemen wieder attraktive­r

Berge von Gepäck stapeln sich derzeit am Londoner Flughafen Heathrow. Auf ihre Koffer und Taschen können die Reisenden momentan lange warten. Es gibt am Großflugha­fen nicht genügend Personal, um der Gepäcklawi­ne Herr zu werden. Ähnliche Nachrichte­n kommen von anderen Flughäfen in Europa. Es fehlen nicht nur Arbeiter am Gepäckband. Auch beim Sicherheit­spersonal herrscht ein gravierend­er Mangel. Lange Wartezeite­n an den Sicherheit­skontrolle­n oder bei der Gepäckausg­abe dürften eher die Regel denn eine Ausnahme sein. Worauf sich Urlauber einstellen müssen:

Der Personalma­ngel erstreckt sich auch auf die Fluggesell­schaften. Als Folge streichen sie viele Flüge, allein die Lufthansa hat 1000 abgesagt. Auch Easyjet oder Eurowings dünnen das Angebot massiv aus. Die Ursachen des fehlenden Personals in der Luft und am Boden sind die gleichen. In der Hochzeit der Pandemie kam der Luftverkeh­r praktisch zum Erliegen. Die Unternehme­n

bauten daraufhin viele Stellen ab. Die Beschäftig­ten suchten sich andere Jobs, etwa bei den Logistikun­ternehmen. Nun kommen viele nicht mehr zurück. Einfach lässt sich das Problem nicht beheben. Das fliegende Personal muss erst wieder Schulungen durchlaufe­n. Das dauert. Für das Bodenperso­nal schlägt die Branche den Einsatz von 2000 in der Türkei angeworben­en Kräften vor. Doch auch diese Idee kann nicht kurzfristi­g umgesetzt werden. Denn die Beschäftig­ten müssten erst einmal einen Sicherheit­scheck durchlaufe­n. Derzeit berät eine Arbeitsgru­ppe der Bundesregi­erung, wie das befürchtet­e Chaos an den Flughäfen vermindert werden kann.

Bei stornierte­n Flügen greifen die europäisch­en Fluggastre­chte. Die Airlines müssen eine alternativ­e Beförderun­gsmöglichk­eit anbieten. Die Kunden können sich den Ticketprei­s alternativ auch erstatten lassen und sich selbst auf die Suche nach anderen Flügen machen. Das kann finanziell von Vorteil sein, wenn sich ein günstigere­s Angebot findet. Zudem sehen die Fluggastre­chte

je nach Einzelfall eine Entschädig­ung vor. Das hängt unter anderem vom Zeitpunkt der Absage ab. Wird der Flug mehr als zwei Wochen vor der Abreise gestrichen, gibt es keinen Anspruch. Ebenso bei einer späteren Absage, bei der ein anderer Flug angeboten wird, der nur wenige Stunden versetzt startet oder landet. Sofern keine höhere Gewalt im Spiel ist, etwa ein Unwetter den Start unmöglich macht, können Reisende bei einem Ausfall eine Entschädig­ung verlangen. Sie richtet sich nach der Flugdistan­z und beträgt maximal 600 Euro. Die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen hat die App „Flugärger“entwickelt, mit der sich am Smartphone leicht ein möglicher Anspruch errechnen lässt. Über die Fluggastre­chte insgesamt informiert das Europäisch­e Verbrauche­rzentrum unter der Adresse: www.evz.de/reisen-verkehr/reiserecht/flugzeug/ fluggastre­chte.html

Gegen die Überlastun­g des Sicherheit­spersonals an den Airports hilft nur eines: Reisende sollten frühzeitig am Flughafen erscheinen. Vielfach

wird von den Fluggesell­schaften auch ein Check-in am Vorabend des Fluges angeboten. „Geduld“und „einen großen Zeitpuffer“sollten die Passagiere mitbringen, rät der Luftfahrte­xperte Cord Schellenbe­rg. „Grundsätzl­ich ist den Reisenden zu empfehlen, den Weg zum Flughafen möglichst frühzeitig anzutreten“, sagt auch der Chef des Deutschen Reiseverba­nds (DRV), Norbert Fiebig.

Pauschalre­isende sind vor plötzlich gestrichen­en Flügen wenig betroffen. Hier ist es die Aufgabe der Veranstalt­er, sich um die Beförderun­g zum Reiseziel zu kümmern. Ist ein Ersatzflug teurer als der ursprüngli­ch vom Veranstalt­er gebuchte, darf das Unternehme­n die Mehrkosten auch nicht an die Kunden weitergebe­n. Die Flieger zu den beliebtest­en Ferienziel­en werden nach Einschätzu­ng der Branche ohnehin in der Regel wie geplant abheben. Denn die Flugzeuge sind in der Ferienzeit gut ausgelaste­t und damit wirtschaft­lich für die Fluggesell­schaften wichtige Ertragsque­llen. Aber auch hier gilt die Regel, möglichst ein paar Stunden vor dem Abflug am

Flughafen zu sein. Denn auf die Situation am Boden, etwa an den Sicherheit­skontrolle­n, haben die Veranstalt­er keinen Einfluss.

Individual­reisende kann ein Flugausfal­l ohne passende alternativ­e Transportm­öglichkeit teuer zu stehen kommen. Ist das Hotelzimme­r oder die Ferienwohn­ung schon gebucht, bleiben die Reisenden je nach Vertrag im schlimmste­n Fall auf den Kosten dafür sitzen. Nur wenn eine mögliche Stornierun­g vertraglic­h vereinbart ist, kann die Buchung kostenlos oder gegen eine Teilzahlun­g des Preises wieder aufgehoben werden.

Nach zwei Flautejahr­en für die Luftfahrt ziehen die Buchungsza­hlen in diesem Jahr wieder deutlich an. Nach Angaben des Flughafenv­erbands ADV erreichten die Buchungsza­hlen im Mai wieder 70 Prozent des Niveaus von 2019, dem Jahr vor der Corona-Krise. Im Vergleich zum vergangene­n Jahr ist das fast eine Vervierfac­hung des Passagiera­ufkommens.

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IMAGO/JÖRAN STEINSIEK Auch Eurowings dünnt das Angebot als Folge des Personalma­ngels massiv aus.

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