Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Langeweile zeigt, dass uns was fehlt“
Die Wissenschaftlerin Anke Zeißig erklärt, warum sie das Thema spannend findet
Mir ist sooo laaangweilig, was soll ich nur tun? Dieses Gefühl kennt wohl jeder Mensch. Anke Zeißig auch. Doch die Wissenschaftlerin findet Langeweile auch spannend.
Wie kam es, dass Sie sich als Forscherin mit dem Thema Langeweile beschäftigen?
Ich habe mich zu Beginn meines Kunststudiums extrem gelangweilt. Ich habe damals begonnen, Langeweile zu untersuchen und versucht, Filme zu machen, die die Langeweile einfangen und mir begreiflich machen. Mich hat das nicht losgelassen, was das eigentlich ist: Langeweile. Später habe ich dann noch Psychologie studiert und nun erforsche ich das richtig wissenschaftlich.
Haben Sie schon herausfinden können, was genau Langeweile ist? Jein. Ich würde sagen, Langeweile ist, keinen Zugang in einer Tätigkeit oder Begegnung zu finden. Es ist ein Gefühl, dass sich auf unser Gehirn auswirkt. Wir arbeiten anders, wenn wir gelangweilt sind. Mich interessiert besonders der Zusammenhang zwischen Langeweile und
Kreativität. Gerade schaue ich, was dazu schon alles erforscht wurde.
Fühlt sich Langeweile für alle Menschen etwa gleich an?
Es gibt verschiedene LangeweileArten, die sich unterschiedlich anfühlen, zum Beispiel eher entspannt, dösig oder auch ganz furchtbar.
Sogar mit Ärger kann das Langeweile-Gefühl verbunden sein, zum Beispiel, wenn man gerne etwas tun möchte, aber nicht kann.
Warum empfinden wir unterschiedliche Dinge als langweilig?
Weil wir Menschen so verschieden sind. Manche lieben es zum Beispiel, wenn die Dinge sehr ordentlich sind und für andere ist Aufräumen furchtbar langweilig. Manche finden Fußball spannend und andere haben Spaß daran, über alles Mögliche nachzudenken. Je nachdem, was uns gerade interessiert oder was wir gerade brauchen, zeigt sich die Langeweile.
Warum empfinden wir Langeweile oft als störend?
Einige Philosophen sind der Ansicht: Langeweile ist wie seelischer Hunger. Wenn das stimmt, ist Langeweile
ein sehr wichtiges Gefühl und zeigt uns, dass uns etwas fehlt. Wenn man dem Gefühl nachgeht, kann es uns dabei helfen herauszufinden, was einen interessiert. Kinder brauchen dabei manchmal Hilfe von Erwachsenen.
Langweilen sich Kinder mehr als Erwachsene?
Kinder langweilen sich mit zunehmendem Alter immer mehr. Im Jugendalter langweilt man sich am meisten. Im Erwachsenenalter nimmt das wieder ab. Neue Studien zeigen jetzt, dass die Langeweile bei älteren Menschen wieder zunimmt.
Haben Sie Tipps, was Kinder tun können, wenn sie sich zum Beispiel in den Sommerferien langweilen?
Wenn die Ferien losgehen und plötzlich keine Schule mehr ist, ist es ziemlich normal, sich erst einmal zu langweilen. Man kann Langeweile vertreiben, wenn man sich vor den Fernseher hockt oder zockt. Damit wird die Zeit aber eher totgeschlagen. Das ist auch mal okay, aber man fühlt sich meist länger glücklich und lebendig, wenn man aktiv etwas macht. Zum Beispiel etwas baut, erfindet, ein Abenteuer erlebt oder etwas Neues ausprobiert. Wenn man etwas herstellt, also etwas Kreatives macht, hat man danach etwas Greifbares in der Hand. Oder man schnappt sich einen Freund oder die Eltern, steigt aufs Fahrrad und erkundet eine Gegend, in der man noch nicht war. Solche Erlebnisse machen uns glücklich.
Nur zur Sicherheit: Kann man sich zu Tode langweilen?
Mit dem Spruch ist wohl eher dieses seelische Verhungern gemeint. Körperlich sterben kann man an Langeweile nicht. dpa