Thüringische Landeszeitung (Gera)
Der Kriminalpolizei drohen zahlreiche Abgänge
Thüringer Berufsverband fordert, freie Stellen mit Beamten direkt nach der Ausbildung zu besetzen
Der Thüringer Kriminalpolizei droht ein deutlicher Verlust an kriminalistischem Wissen und Erfahrung. In den nächsten zehn Jahren gehen etwa 330 erfahrene Beamtinnen und Beamte aus den Kriminalpolizeiinspektionen (KPI) und -stationen in den Ruhestand, teilte die Landespolizeidirektion (LPD) in Erfurt dieser Zeitung mit.
Das wäre mit 46 Prozent knapp die Hälfte der 714 Beamten bei der Kripo im Land. Etwa 90 weitere Kripo-Dienstposten sind derzeit bereits unbesetzt.
Betroffen sind alle sieben Kriminalpolizeiinspektionen. Diese leisten in der Fläche Thüringens das Gros der Ermittlungsarbeit – egal, ob Diebstahl, Körperverletzung, Landfriedensbruch oder Umweltbeziehungsweise Rauschgiftdelikte aufgeklärt werden müssen.
Gut 600 weitere Beamte sowie Wissenschaftler und Techniker beim Landeskriminalamt (LKA) sind Schwerverbrechern auf der Spur, leisten aber auch intensiv Unterstützung für die Kriminalpolizeiinspektionen.
Von „einer Lücke, die nur schwer zu schließen sein wird“, spricht Mike Hellwig, Thüringens Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Der Berufsverband fordert seit Längerem, dass auch im Freistaat direkt nach der Ausbildung der Einstig bei der Kripo möglich sein muss. Derzeit verhindere das die fehlende Spezialisierung „Kriminalpolizei“am Bildungszentrum
der Polizei. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Thüringen verteidigt das Konzept. Die Stellenbesetzung erfolge „meist mit bereits diensterfahrenen Kolleginnen und Kollegen, da ein Direkteinstieg bei der Kriminalpolizei aufgrund des notwendigen hohen Erfahrungsschatzes nicht zielführend“sei. Ausbildung und Studium für den Thüringer Polizeidienst würden breit angelegt. Aus Sicht der Landespolizeidirektion sind die Dienstposten bei der Kriminalpolizei „mindestens analog, meist sogar besser besetzt als die bei den Schutzpolizeidienststellen“. Polizisten in Thüringen möglichst breit aber ohne Spezialisierung auszubilden, „ist aus Sicht des BDK nicht mehr zeitgemäß“. Mike Hellwig kritisiert eine entsprechende Entscheidung aus dem Vorjahr. Die Strategie, die Kriminalpolizei stattdessen durch erfahrene Beamtinnen und Beamte personell absichern zu wollen, helfe nur bedingt. Denn Tatortarbeit, Spurensicherung oder Vernehmungen müssten auch von der Pike auf gelernt werden. Allein Erfahrung bringe nur wenig weiter, so Hellwig.
Zudem sieht er in der Möglichkeit, nach der Ausbildung direkt zur Kripo wechseln zu können, auch ein gutes Argument für die Thüringer Polizei.
Denn andere Länder wie beispielsweise Hessen oder Berlin bieten diesen Karriereweg, sodass einheimische Bewerber bei Interesse dann eher dort anfangen werden als im Freistaat.