Thüringische Landeszeitung (Gera)
Irgendwas von und mit Liszt
In einem Festkonzert schicken sechs Ensembles der Weimarer Musikhochschule ihren Namenspatron in die Jazz-Session. Rund 130 Studenten sind beteiligt
Da ist es plötzlich: jenes Stück, das so naheliegend schien für ein abenteuerliches „Irgendwasvon-und-mit-Liszt“-Potpourri, dass ein jeder Beteiligter glaubte, einer werde es schon arrangieren. Was niemand tat. Es blieb, so die Erzählung, eine Improvisationsaufgabe.
Und tatsächlich, inmitten des 75minütigen Konzertteils geht das mitunter zeitgenössisch verfremdete Salve Regina aus der „Via Crucis“über in Weimars Volkslied: „Von der Wartburg Zinnen nieder / weht ein Hauch und wird zu Klängen, / hallt von Ilm und Saale wieder / hell in frohen Festgesängen.“
Das musste so kommen. Wird darin doch „Weimars edles Fürstenhaus“gepriesen, damals als Institution, jetzt als gleichnamiges Hauptgebäude der Hochschule für Musik „Franz Liszt“. Die feierte am Freitag 150. Geburtstag, an dem Präsident Christoph Stölzl der Nachfolgerin Anne-Kathrin Lindig in der Weimarhalle symbolisch das Amtsgeschäft übergab.
Am Abend ereignet sich gleichenorts das zweite Festkonzert. Tags zuvor spielten Hochschulorchester und Kammerchor auf, jetzt folgen sechs Ensembles von Studenten, die oft kein Instrumenten-Hauptfach belegen, aber unter anderem Schul- oder Kirchenmusik, Musikwissenschaften und dergleichen studieren. Und die gleichwohl instrumental sehr auf der Höhe sind.
Es vereinen sich: klassisches und Jazz-Vokalensemble, SchulmusikBigband und Jazz-Orchester, Hochschulchor und „Collegium Musicum Weimar“: zum 130-köpfigen Ensemble, in dem einige zwischen den Positionen wandern und das gleichsam einen nachhaltigen Eindruck davon gibt, wie diese Musikhochschule wohl in Gänze klänge.
Sie heben an zu ausführlichen, bald auch uferlosen Festgesängen, die den Namenspatron in eine monumentale Jam-und Jazz-Session schicken, angeführt von Juan Garcia als Moderator mit EntertainerQualitäten sowie Kerstin Behnke am Pult. Beide sind Professoren für Chor- und Ensembleleitung, er für Jazz und Pop, sie fürs Klassische.
Das beginnt mit Liszts „Ave Maria“, dem erste Swing-Elemente untergejubelt werden, mixt „O lieb, so lang du lieben kannst“(später Liszts dritter Liebestraum) mit Andy Razafs „In the Mood“und funktioniert weiterhin nach dem Erkennen-Sie-noch-die-Melodie-Prinzip: die zweite Consolation, die zweite Ungarische Rhapsodie, der Jazzchor mit „Angel fair with golden hair“(Englein hold im Lockengold) und „Child, if I were king“(Enfant, si j’étais roi), im Finale „Un Sospiro“. Das alles zielt auf einen Klangrausch ab, der mitunter wunderbar gelingt, derweil an anderen Stellen die aufwendige Konzeption Konfusion erzeugt. Das driftet planmäßig ab, dreht viele Schleifen, lässt einige im Publikum aus dem Häuschen geraten, während sich andere auf lange Strecke hin darin verkriechen.
Im ersten, 90-minütigen Teil, stellten sich die Ensembles einzeln vor. Trompeter Frederik Köster, der hier jüngst eine Masterclass leitete, führte das Jazzorchester in eigenen Stücken zu Höchstform. Seonggeun Kim leitete einen betörenden Kopfsatz aus Rimski-Korsakows „Scheherazade“, worin Soli der Konzertmeisterin Maasa Morimoto eine glänzende Erzählstimme abgaben.