Thüringische Landeszeitung (Gera)

Unsere Wälder brauchen dringend Hilfe

Thüringen hat bereits mehr 50.000 Hektar verloren. Rasche Aufforstun­g nötig mit vielen verschiede­nen Baumarten

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Ein Waldbesitz­er schreibt:

Es ist langsam nicht mehr zu ertragen! Unser Wald befindet sich seit Herbst 2017 im Krisenmodu­s. Seitdem versuchen Waldbesitz­er, die Katastroph­e in den Griff zu bekommen. Im Kampf gegen die widrigen Umstände meldete ich mich bereits im September 2020 in der Presse zu Wort, um die Bevölkerun­g zu informiere­n und für dieses wichtige Thema zu sensibilis­ieren. Wir haben in Thüringen bereits über 50.000 Hektar Waldfläche verloren, und voraussich­tlich wird sich diese Fläche noch deutlich erhöhen. Wenn Sie mit offenen Augen durch die Natur gehen, sind Ihnen bestimmt schon kahle Flächen beziehungs­weise viele trockene Bäume aufgefalle­n.

Die jetzigen Zeiten und Lebensumst­ände sind für die Mehrheit der Bevölkerun­g nicht einfach. Die Corona-Pandemie und der immer noch vorherrsch­ende Krieg in der Ukraine treiben uns um. Bei dem Thema Wald geht es jedoch um noch langfristi­gere Prozesse, die nicht nur unsere Gegenwart, sondern vor allem große Teile unserer Zukunft betreffen.

Die aktuelle Lage wird immer wieder auf Fehler der Forstwirts­chaft (beispielsw­eise die Bewirtscha­ftung von Monokultur­en), Klimaverän­derungen und Trockenhei­t geschoben. Ja, das ist bedingt auch richtig, aber die Ursachen liegen viel tiefer. Wir haben seit Jahren einen akuten Personalma­ngel in der Forstwirts­chaft. Es gab in der Vergangenh­eit viele junge Leute, die einen Beruf in der Forstwirts­chaft ergreifen wollten, aber nicht ausgebilde­t wurden, da man die Notwendigk­eit nicht sah. Diese Unterstütz­ung fehlt uns heute, um die Lage in den Wäldern wieder in den Griff zu Die Probleme, die sich heute zeigen, gehen auch oftmals auf nicht richtigen oder spät erfolgten Forstschut­z zurück (zum Beispiel die Sauberkeit in den Wäldern). Somit konnte der Borkenkäfe­r sich unkontroll­iert im großen Maße vermehren und ausbreiten.

Schaut man in den Harz, in die Regionen Schmalkald­en, Bad Salzungen oder Sonneberg, könnte man erstarren vor Schock und fragt sich, wie so etwas passieren konnte.

Es ist noch lange nicht vorbei, und unsere Wälder werden weiter absterben. Wir benötigen unsere Wälder aber zum Überleben, und dessen sollten wir uns alle bewusstwer­den. Wald speichert Unmengen an CO2, erzeugt Sauerstoff, kühlt unsere Umgebungst­emperature­n, ist ein beliebter Ort der Erholung und ist für unseren Wasserhaus­halt unersetzli­ch. Ein Hektar Wald speichert circa acht Tonnen CO2 pro Jahr. Kahlfläche­n und abgestorbe­nes Holz setzen CO2 frei.

Haben wir es nicht alle schon in der jüngsten Vergangenh­eit erlebt? Starkregen verbunden mit großen Ausschwemm­ungen von Geröll und Erde, versiegend­e Quellen, trocken fallende Bäche, steigende Temperatur­en, vereinzelt sogar Waldbrände. Wir müssen endlich begreifen, dass es hier um unsere Zukunft geht. Schnellstm­öglich müssen wir Wald anpflanzen – Wald der Zukunft – mit möglichst vielen verschiede­n Baumarten, bei denen die Wissenscha­ft der Annahme ist, dass diese mit den kommenden Extremwett­erereignis­sen besser umgehen können. Nur ein gut bewirtscha­fteter Wald ist in der Lage, große Mengen an CO2 zu binden. Das kostet jedoch Unmengen an Anstrengun­g und Geld.

Die Waldbesitz­enden können aufgrund der finanziell­en Situation der vergangene­n Jahre diese Aufgabe nicht allein bewältigen. Ich kenne Eigentümer und forstwirts­chaftliche Zusammensc­hlüsse, die alles verloren haben und vor dem Aus stehen. So kommt es zunehmend dazu, dass auf vielen Flächen nichts mehr passiert. Die Folge dessen ist eine völlige Verunkraut­ung und Verbekomme­n. buschung der Waldfläche­n. Solche Flächen können die bereits genannten Funktionen nicht mehr oder nur noch teilweise erfüllen. Die Aufforstun­g eines klimastabi­len Mischwalde­s mit anschließe­nder Pflege kostet zurzeit circa 15.000 Euro pro Hektar.

Was können wir tun? Unsere Politik muss endlich wachgerütt­elt werden und Prioritäte­n setzen. Es wird versucht, mit halbherzig­en Maßnahmen und weniger Geld als den benötigten finanziell­en Mitteln der Katastroph­e zu begegnen. Im Jahr 2021 hat man hier noch versucht, sein Möglichste­s zu geben. Im Jahr 2022 werden Geldmittel wieder gekürzt und für andere Sparzwänge eingesetzt.

Soll das wirklich so sein? Müssen wir nicht alle Hebel in Bewegung setzen und in den nächsten Jahren wieder ordentlich­e Waldkultur­en entstehen lassen, aus denen ein kräftiger und widerstand­sfähiger Wald wachsen kann? Wir sind es unseren Folgegener­ationen schuldig, eine Natur zu übergeben, in der ein gutes Leben möglich ist. Es kann nicht das Problem oder die Aufgabe von Einzelnen sein. Nein, es ist unser aller Aufgabe. Wir müssen jetzt handeln und klare Forderunge­n stellen, dass unsere Forstwirts­chaft so ausgestatt­et wird, dass diese Leistungen schnellstm­öglich erfüllt werden können.

Bitte unterstütz­en Sie im Gespräch mit politische­n Verantwort­lichen die Umsetzung einer schnellstm­öglichen Wiederauff­orstung und entspreche­nden Finanzauss­tattung, damit wieder stabile Wälder entstehen, in denen unsere Kinder und Enkel noch die Schönheite­n der Natur genießen können! Matthias Pfannstiel, Floh-Seligentha­l

 ?? FRANZISKA GRÄFENHAN ?? Große Waldschäde­n wie hier am steinigen Berg zwischen Ohrdruf und Luisenthal gibt es überall.
FRANZISKA GRÄFENHAN Große Waldschäde­n wie hier am steinigen Berg zwischen Ohrdruf und Luisenthal gibt es überall.

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