Thüringische Landeszeitung (Gera)

Nach Tragödie von Melilla: Schwere Vorwürfe gegen Polizei

Mindestens 23 Menschen starben beim Ansturm auf den EU-Grenzzaun. Menschenre­chtler und spanische Politiker fordern eine Untersuchu­ng

- Ralph Schulze Madrid.

Auch vier Tage nach dem Todesdrama an der EU-Grenze in der spanischen Nordafrika­exklave Melilla ist weiter unklar, wie viele Menschen bei diesem verhängnis­vollen Zwischenfa­ll umkamen. Marokkos Behörden sprechen weiter von 23 Todesopfer­n. Marokkanis­che und spanische Menschenre­chtsgruppe­n sagen, dass 37 Flüchtling­e und Migranten starben. Mehr als 300 Menschen waren bei einem Ansturm von fast 2000 Afrikanern auf die meterhohen und schwer bewachten Sperranlag­en verletzt worden.

Während Menschenre­chtler und auch spanische Politiker eine Untersuchu­ng forderten, zeigte die marokkanis­che Regierung wenig Interesse daran, zur Aufklärung der Tragödie beizutrage­n. Am Montag begannen marokkanis­che Totengräbe­r, auf dem Friedhof von Melillas Nachbarsta­dt Nador die Opfer in anonymen Gräbern zu verscharre­n. Nach Angaben der größten marokkanis­chen Menschenre­chtsorgani­sation AMDH wurde weder eine Autopsie der Toten angeordnet noch eine Identifizi­erung vorgenomme­n.

Die Menschenre­chtsliga AMDH hatte Videos mit grausamen Szenen veröffentl­icht, auf denen man sah, dass Dutzende von leblosen Körpern

auf der marokkanis­chen Seite des Grenzzaune­s lagen. Die marokkanis­che Polizei sei mit äußerster Brutalität gegen die Migranten vorgegange­n. Die Beamten hätten auch noch auf Menschen eingeschla­gen, die sich schon bewegungsl­os am Boden befanden. Dann habe man die Opfer stundenlan­g in der Sonne gelassen, ohne jenen, die noch Lebenszeic­hen von sich gaben, zu helfen.

Auch Spaniens Grenzpoliz­isten wurden hart kritisiert. „Sie haben mit verschränk­ten Armen zugesehen und nichts unternomme­n, um den Menschen zu helfen.“Sie hätten dafür sorgen können, dass Sanitäter auf die andere Seite der Grengelass­en ze gelangen, so der Vorwurf. Stattdesse­n seien die im Grenzzaun ein

Gittertüre­n nur genutzt worden, um Migranten, die es auf die spanische Seite geschafft hatten, wieder abzuschieb­en.

Nachdem Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez sich zunächst darauf beschränkt­e, den Einsatz der spanischen und marokkanis­chen Polizisten zu loben, äußerte er inzwischen Bedauern über das Geschehene: „Der Verlust von Menschenle­ben tut uns leid. Es handelt sich um verzweifel­te Personen, die ein besseres Leben suchen und Opfer von Mafias und Verbrecher­n sind, welche gewaltsame Aktionen gegen unsere Grenze organisier­en.“

Vizeregier­ungschefin Yolanda Díaz vom linken Koalitions­partner

Unidas Podemos unterstütz­te derweil die Forderunge­n nach einer Untersuchu­ng. „Es sollte aufgeklärt werden, was dort passiert ist.“Die Migrations­politik müsse im Einklang mit den Menschenre­chten stehen. „Niemand sollte auf diese Weise sterben.“

Nach bisher vorliegend­en inoffiziel­len Informatio­nen wurden etliche Migranten in einem Grenzgrabe­n erdrückt oder niedergetr­ampelt, als sie versuchten, vor den marokkanis­chen Grenzpoliz­isten zu fliehen, die mit Knüppeln und Tränengas gegen die Menge vorgingen. Andere Flüchtling­e sollen vom Grenzzaun gestürzt oder zu Tode geprügelt worden sein.

 ?? G. GUTIERREZ / DPA ?? In Madrid protestier­ten Anti-Rassismus-Aktivisten gegen das Drama von Melilla.
G. GUTIERREZ / DPA In Madrid protestier­ten Anti-Rassismus-Aktivisten gegen das Drama von Melilla.

Newspapers in German

Newspapers from Germany