Thüringische Landeszeitung (Gera)
Faszination Osterstein bleibt
Umfassende Auskünfte über den Geraer Osterstein in einem schwergewichtigen Band
Neugierig nahm ich kürzlich die Publikation „Der Osterstein in Gera Berg-Burg-Schloss“in die Hand, um Antworten auf Fragen zu erhalten, die mich umtreiben, seit ich Mitte der 70er-Jahre das erste Mal den trutzigen Bergfried auf dem Osterstein zu Gesicht bekommen habe.
Nun hoffte ich, mit der von Stadtmuseum und Stadtarchiv herausgegebenen Veröffentlichung Aufschluss zu erhalten. Der Schutzumschlag mit dem Gemälde der einst repräsentativen Schlossanlage ist ein Augenschmaus. Auch die Rückseite mit einer historischen Luftaufnahme vom einstigen Wahrzeichen der Stadt und einer kurzen inhaltlichen Orientierung sollte man vorher lesen. Denn hier steht: „Dieses Buch wurde als Begleitband zu einer Sonderausstellung im Stadtmuseum Gera erarbeitet und stellt in zehn Einzelbeiträgen die Geschichte des Ostersteins dar.“
Es ist ein Buch für die hauseigene Bibliothek, um Wissenslücken zu schließen. Gerade in diesem Jahr, in dem wir den 450. Geburtstag von Heinrich Posthumus begehen, dem bedeutendsten Herrscher des Hauses Reuß Jüngere Linie, der bis zu seinem Tode 1635 vierzig Jahre lang von der Residenz Osterstein aus das Land regierte.
Klaus Brodale zeigt auf 14 Seiten das höfische Leben auf Schloss Osterstein in der Posthumus-Zeit. Das erste Blättern in dem 148 Seiten umfassenden reich illustrierten Werk war vielversprechend. Das Buch hält, was Matthias Wagner im Geleitwort verspricht: Es würdigt die Bedeutung des Ostersteins als frühgeschichtliche Siedlungsfläche, als Standort einer mittelalterlichen Burg und als Residenzschloss des 16. bis 20. Jahrhunderts.
Mehr als ein paar Mauerbrocken an Erinnerung
„Festgebissen“habe ich mich am Kapitel „Mit Filzpantoffeln durch die Prunkräume der Reussen...“von Christel Gäbler. Die teils doppelseitigen Fotos haben mich in ihren Bann gezogen – seien es der Ahnensaal oder das Eckzimmer zwischen Nord- und Ostflügel. Die Publikation ist unterhaltsame Lektüre und erforderte auch Anstrengungen, wie im ersten Kapitel, in dem Roland Altwein zu umfangreich über die Wahrnehmung des Ostersteins als Bodendenkmal referiert. Allgemeinplätze sind nicht leseanreizend. Streitbar gar sind die Auslassungen
über das Nationale Aufbauwerk der DDR. Eine politische Bewertung des NAW gehört nicht in ein Sachbuch.
Ältesten baulichen Spuren reichen bis um 1200 zurück
Die Autorin Christine Müller versteht es, den Leser mitzunehmen auf der Suche nach Wegespuren. Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Geraer Burg auf dem Hainberg mit ihrer Lage an einer stark frequentierten Durchgangsstraße eher eine Ausnahme ist, denn die meisten älteren Burgen in dieser Region liegen auf Bergspornen. Eine Erklärung für diese Besonderheit habe ich nicht gefunden. Die Recherchen haben ergeben, dass die ältesten baulichen Spuren bis in die Zeit um 1200 zurückreichen. Vermutlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstand der Bergfried.
Dass man bei der Lektüre immer wieder zurückblättern muss, liegt daran, dass seit Heinrich I. alle männlichen Mitglieder der Familie den Vornamen Heinrich trugen, weshalb sie auch als Heinrichinger bezeichnet werden. Sehr hilfreich ist dabei eine Stammtafel der Heinrichinger auf Seite 38.
Das nächste Kapitel von Yves Hoffmann lässt uns durch eine Bebilderung teilhaben an dem Schicksal des Bergfriedes, der „bis heute von der oberirdisch weitgehend untergegangen Burg der Vögte von Gera zeugt“.
Es gibt viele Fotos über das Ruinenfeld Schloss Osterstein nach der Bombardierung am 6. April 1945. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden Mauerreste als Abbruchsteine genutzt, bis am 9. Dezember 1962 die letzten Ruinen des Schlosses gesprengt wurden. Zu dem Zeitpunkt hatte der Bergfried jedoch schon ein neues Dach .
„Was bleibt von Schloss Osterstein?“fragt Matthias Wagner zum Schluss. Seine Antwort: Der Osterstein sei mehr als ein paar Mauerbrocken in Erinnerung an eine grandiose Vergangenheit. Er erinnere an die Sinnlosigkeit von Kriegen und sei immer noch ein schönes Fleckchen Erde, das den Geraern auch in Zukunft Genuss, Ablenkung und Entspannung bieten wird.“
Unbeantwortet bleibt für mich die Frage, warum sich für das Geraer Schloss der Name Osterstein eingebürgert hat, wo es doch auf dem Hainberg errichtet wurde.
ISBN: 978-3-9813780-6-2, Band im Stadtmuseum Gera erhältlich, 34 Euro.