Thüringische Landeszeitung (Gera)
Was Putins Hyperschallwaffe Zirkon wirklich kann
Der Kremlherrscher hat gedroht, die neuartige Seerakete bald in den Dienst zu stellen – doch es gibt Zweifel an ihrer Präzision
Wenn er von Hyperschallwaffen redet, dann gerät Kremlchef Wladimir Putin schnell ins Schwärmen. Zum einen stellen sie eine Bedrohung dar, zum anderen gilt Russland als Technologieführer. China verfügt ebenfalls über derartige Superwaffen. Solche bahnbrechenden Raketen, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können, sind in den USA noch in der Erprobung, in der Testphase. Der Start ist frühestens für 2023 vorgesehen. Der Westen hinkt technologisch hinterher.
Am Wochenende hat der russische Präsident in Sankt Petersburg nicht nur seiner Marine eine neue Doktrin verpasst, sondern auch versprochen, die Hyperschall-Seerakete Zirkon alsbald in den Dienst zu stellen. Die Ankündigung ist erst einmal ein Propagandaerfolg.
Denn so lenkt Putin von Rückschlägen im Ukraine-Krieg ab. Gleichzeitig ist es eine Drohung an die Nato. Schon zu Beginn der Invasion in der Ukraine will Putin solche Superwaffen eingesetzt haben, damals eine Kinschal-Rakete. Rein physikalisch sind Hyperschallraketen überaus beeindruckend:
- Sie sind extrem schnell, bis zu zehnmal schneller als der Schall.
- Sie haben eine flache Flugbahn und können ihren Kurs selbst auch in der oberen Atmosphäre ändern.
- Sie sind schwer zu orten, dem angegriffenen Staat bleibt wenig Reaktionszeit.
- Sie haben ein beängstigendes Eskalationspotenzial. Es ist nicht erkennbar, ob sie mit atomaren Sprengköpfen ausgerüstet sind, was potenziell zu fatalen Gegenreaktionen führen kann.
Als das German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) im November 2022 zur Fachtagung nach Hamburg einlud, sah man lauter dunkelblaue Luftwaffenuniformen. Vor allem eine Frage trieb die Militärs um: Ob die neue Technologie zum „Game-Changer“wird.
Unbestritten ist, dass solche Raketen schnell fliegen. Der springende Punkt aber ist, ob sie auch präzise einsetzbar sind. Schon beim Einsatz der Kinschal-Rakete in der Ukraine äußerten westliche Experten Zweifel; ein von den Russen veröffentlichtes Video wies jedenfalls Ungereimtheiten auf.
Man unterscheidet zwischen ballistischen Flugkörpern, die schnell sind, aber auf einer berechenbaren Flugbahn bleiben, und lenkbaren Raketen, die freilich langsamer sind. Hyperschallraketen verbinden im Vergleich dazu die Vorteile miteinander: Extrem schnell, extrem manövrierbar, extrem schwer zu orten. Und extrem gehypt?
Klar ist, dass sie aktuell den Kriegsverlauf in der Ukraine kaum beeinflussen können. Klar ist aber auch, dass die Hyperschall-Technik als der größte Fortschritt der Raketentechnologie der letzten Jahre gilt. Sie hat definitiv das Potenzial, die globale strategische Stabilität zu verringern.
Indes steckt der Teufel im Detail: Durch extreme Reibung und Temperaturen bei hohen Geschwindigkeiten entsteht offenbar eine Spur von ionisiertem Gas. Das kann Navigationssignale stören sowie die Präzision beeinträchtigen. Und so rätseln viele, ob Putins Superwaffe tatsächlich so präzise und schwer zu orten ist oder nur eines zweifelsfrei verursacht: Angst, Unsicherheit, Bedrohungsgefühle.