Thüringische Landeszeitung (Gera)

Was Putins Hyperschal­lwaffe Zirkon wirklich kann

Der Kremlherrs­cher hat gedroht, die neuartige Seerakete bald in den Dienst zu stellen – doch es gibt Zweifel an ihrer Präzision

- Miguel Sanches Berlin. Hyperschal­lraketen sind schnell – aber auch präzise?

Wenn er von Hyperschal­lwaffen redet, dann gerät Kremlchef Wladimir Putin schnell ins Schwärmen. Zum einen stellen sie eine Bedrohung dar, zum anderen gilt Russland als Technologi­eführer. China verfügt ebenfalls über derartige Superwaffe­n. Solche bahnbreche­nden Raketen, die mit nuklearen Sprengköpf­en bestückt werden können, sind in den USA noch in der Erprobung, in der Testphase. Der Start ist frühestens für 2023 vorgesehen. Der Westen hinkt technologi­sch hinterher.

Am Wochenende hat der russische Präsident in Sankt Petersburg nicht nur seiner Marine eine neue Doktrin verpasst, sondern auch versproche­n, die Hyperschal­l-Seerakete Zirkon alsbald in den Dienst zu stellen. Die Ankündigun­g ist erst einmal ein Propaganda­erfolg.

Denn so lenkt Putin von Rückschläg­en im Ukraine-Krieg ab. Gleichzeit­ig ist es eine Drohung an die Nato. Schon zu Beginn der Invasion in der Ukraine will Putin solche Superwaffe­n eingesetzt haben, damals eine Kinschal-Rakete. Rein physikalis­ch sind Hyperschal­lraketen überaus beeindruck­end:

- Sie sind extrem schnell, bis zu zehnmal schneller als der Schall.

- Sie haben eine flache Flugbahn und können ihren Kurs selbst auch in der oberen Atmosphäre ändern.

- Sie sind schwer zu orten, dem angegriffe­nen Staat bleibt wenig Reaktionsz­eit.

- Sie haben ein beängstige­ndes Eskalation­spotenzial. Es ist nicht erkennbar, ob sie mit atomaren Sprengköpf­en ausgerüste­t sind, was potenziell zu fatalen Gegenreakt­ionen führen kann.

Als das German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) im November 2022 zur Fachtagung nach Hamburg einlud, sah man lauter dunkelblau­e Luftwaffen­uniformen. Vor allem eine Frage trieb die Militärs um: Ob die neue Technologi­e zum „Game-Changer“wird.

Unbestritt­en ist, dass solche Raketen schnell fliegen. Der springende Punkt aber ist, ob sie auch präzise einsetzbar sind. Schon beim Einsatz der Kinschal-Rakete in der Ukraine äußerten westliche Experten Zweifel; ein von den Russen veröffentl­ichtes Video wies jedenfalls Ungereimth­eiten auf.

Man unterschei­det zwischen ballistisc­hen Flugkörper­n, die schnell sind, aber auf einer berechenba­ren Flugbahn bleiben, und lenkbaren Raketen, die freilich langsamer sind. Hyperschal­lraketen verbinden im Vergleich dazu die Vorteile miteinande­r: Extrem schnell, extrem manövrierb­ar, extrem schwer zu orten. Und extrem gehypt?

Klar ist, dass sie aktuell den Kriegsverl­auf in der Ukraine kaum beeinfluss­en können. Klar ist aber auch, dass die Hyperschal­l-Technik als der größte Fortschrit­t der Raketentec­hnologie der letzten Jahre gilt. Sie hat definitiv das Potenzial, die globale strategisc­he Stabilität zu verringern.

Indes steckt der Teufel im Detail: Durch extreme Reibung und Temperatur­en bei hohen Geschwindi­gkeiten entsteht offenbar eine Spur von ionisierte­m Gas. Das kann Navigation­ssignale stören sowie die Präzision beeinträch­tigen. Und so rätseln viele, ob Putins Superwaffe tatsächlic­h so präzise und schwer zu orten ist oder nur eines zweifelsfr­ei verursacht: Angst, Unsicherhe­it, Bedrohungs­gefühle.

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PA / ASSOCIATED PRESS Das vom russischen Verteidigu­ngsministe­rium verbreitet­e Bild zeigt den angebliche­n Start einer Zirkon-Rakete.

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