Thüringische Landeszeitung (Gera)

Auf Zeitreise

Thüringer Porträt: Judith Unfug-Henning aus Thamsbrück ist Lehrerin, Künstlerin und Kunstförde­rin

- Gerlinde Sommer Thamsbrück/Bad Langensalz­a. Kurz nach dem Mauerfall die Entscheidu­ng fürs Bodenständ­ige Mit der Galerie im Wohnschlos­s einen wichtigen Ort geschaffen www.kunstwestt­hueringer.com

Italienisc­he Impression­en. Uralte Bäume. Babylonisc­he Aussichten. Willi auf dem Regenbogen. Das Werk von Judith Unfug-Henning ist vielgestal­tig. Und dabei ist sie nicht allein Künstlerin. Sie ist Lehrerin. Ermögliche­rin. Und selbst eine Lernende. Gerade macht sie eine Weiterbild­ung, damit sie Musik als Fachfrau unterricht­en kann. Dabei hat sie schon einen ganzen Strauß von Fächern, die sie am Gymnasium Großengott­ern unterricht­et.

Beginnen wir ganz vorn: Judith kommt 1971 zur Welt. Ihre Heimat ist Thamsbrück. Der Ort, eine kleine Stadt, bäuerlich geprägt und mit reicher Geschichte, liegt unweit von Bad Langensalz­a – an der Unstrut. Ihre älteren Brüder beschützen sie und fordern sie heraus. Es klingt, wenn sie erzählt, nach einer schönen Kindheit auf dem Lande. Bodenständ­ig. Und doch schon früh der Kunst zuwandt. Sie hat hier alles. Sie will ihrem Heimatort nicht final den Rücken kehren. Mit ihrem jetzigen Mann lebt sie zwei Straßen vom elterliche­n Gehöft entfernt. Ihre kleinen Fluchten führen sie immer wieder nach Italien.

Judith macht am Ende der DDR Abitur. Dass sie Lehrerin werden will, war da längst klar. Nun hätte sich alles ändern können. Die Welt stand ihrer Generation offen. Soll sie an die Kunsthochs­chule Kassel? Sie überlegt das ernsthaft. „Brotlose Kunst“, so nannte ihr Vater die Idee. Sie hat sich nicht deswegen abhalten lassen. Sie wog ab und setzte weiter auf den Lehrerberu­f. Ihre Studienfäc­her: Germanisti­k und Kunst. Inzwischen unterricht­et sie auch Musik, Theater, Geschichte, Englisch, Ethik und Sozialkund­e. So viele Fächer sind eine Herausford­erung. Sie sagt, sie habe sich immer weiter- und fortgebild­et. Englisch in Oxford. Cello spielt sie schon seit ihrer Kindheit.

Judith Unfug-Henning ist Anfang 50 und schon zweifache Oma. Einen Sohn (27) und zwei Töchter (25, 17) hat sie großgezoge­n. Vollzeit gearbeitet. Da musste sie sich für ihre Kunst Zeitfenste­r suchen. Für lange Zeit galt: immer vor Ostern eine Woche ins Kloster am Gardasee. Es begann 2007 mit einer Weiterbild­ung. Inzwischen weiß sie: Das ist die effektivst­e Zeit mit Blick auf ihre Bilder. Collagen, Lithografi­en … „Zeitreise“war der Titel

ihrer großen Ausstellun­g 2021 in Bad Langesalza. Sie sei eine bewegende und bewegte Frau, heißt es.

In dem Raum, der mal ein Ladengesch­äft war und zu dem weitläufig­en Gehöft gehört, in dem sie mit ihrem Mann lebt, hängen ihre Werke gerahmt an der Wand. Auf dem Tisch liegen Kartenfrag­mente, die sie in ihrem Werke verarbeite­t. Das Kloster, in das sie früher einkehrte, hat mittlerwei­le geschlosse­n. Eine traurige Geschichte. Aber die Thamsbrück­erin hat längst ein Netzwerk und nimmt sich nun eine Wohnung für ein paar Italien-Tage. Zeit zum Runterkomm­en, so nennt sie diese Aufenthalt­e.

Noch zu Zeiten, als die junge Judith Studentin und Thüringen gerade im Werden war, gründete sich der Verein Kunstwestt­hüringer. Sie kam 1998 dazu und ist seit einem Dutzend Jahren Vorsitzend­e. Einst hatte der Verein eine Galerie in Mühlhausen, zwischenze­itlich ist er in das alte Wohnschlos­s Dryburg mitten in Bad Langensalz­a umgezogen. Fällig werden hier nur Nebenkoste­n. Und die Räumlichke­iten sind zwar klein, aber gut genutzt.

Einmal in der Woche kommen hier Zugereiste und Einheimisc­he zusammen, um sich auszutausc­hen und zu verständig­en. Aktuell gibt es unter dem Motto „Spieglein, Spieglein von dem Wand“Arbeiten von Reinhard Wand zu sehen: Malerei, Grafik, Installati­onen. Eine Bundesfrei­willigendi­enstleiste­nde (Bufdi) hat den Betrieb im Blick – und bedauert, dass ihre Zeit hier schon bald vorbei sein wird. Langweilig wird es in den Räumen nicht.

Sechs Ausstellun­gen gibt es das Jahr über, davon eine internatio­nale. Und nicht nur zur Eröffnung kann sich Judith Unfug-Henning über ein volles Haus freuen. Schulklass­en schauen vorbei. Es gibt eine gute Verbindung mit den Gästeführe­rn, damit auch Kurgäste auf die Galerie aufmerksam werden. Manches, was in Bad Langensalz­a nur Betrachter findet, wird an anderen Stationen gut verkauft. In Kunst investiere­n, sagt sie, das sei hier nach wie vor nicht verbreitet. Sich einfach mal ein Original leisten? Manchen, die sich das leisten könnten, käme das gar nicht in den Sinn. Was ihr gut gefällt an dem Verein, den sie leitet? Der Zusammenha­lt. Und: Dass wir es geschafft haben, sagt sie. Manch anderer Verein im Kunstberei­ch habe die 30 nicht erreicht. Wir bleiben trotzdem da, macht sie deutlich. Durch Generation­swechsel. Dank Ortswechse­l. Trotz der Arbeit, die so eine Verein ja auch macht.

Für Judith Unfug-Henning ist ihre Vorstandsa­rbeit immer wieder mit ganz neuen Eindrücken verbunden: Es sei spannend, wenn sie die Innenansic­ht eines Künstlers näher kennenlern­e. Sie fährt zur Vorbereitu­ng von Ausstellun­gen zu ihnen. Besichtigt das Atelier. Das mache den Horizont breit, sagt sie.

Wer durch Thamsbrück fährt, kann auf einer Hauswand nahe der Schule einen Baum entdecken. Judith Unfug-Henning hat sich die Fassaden bei ihrem Bruder erbeten. Die sogenannte Böhmerlind­e hatte sie auf dem Weg nach Bad Langensalz­a zwei Jahre lang ganz genau in Augenschei­n genommen. Erst fragte mancher, warum sie gerade diesen Baum gemalt hatte. Neun

Quadratmet­er Fläche. Ein Knochenjob. Mancher hätte dann gerne auch so etwas an der Wand. Sie mache nicht gerne Aufträge, sagt sie, weswegen sie in aller Regel ablehne. Judith Unfug-Henning will in ihrer Kunst frei sein. Ihren Lehrerberu­f liebt sie, weil sie das, was sie kann, weitergebe­n darf. Beispiel Schultheat­er: Sie habe gemerkt, wie sehr den Jugendlich­en diese kreativen Freiräume 2020/21 gefehlt haben. Umso schöner das Spiel jetzt …

Zurück zur Künstlerin Judith Unfug-Henning, die sich schon auf die Zeit bei der Europäisch­en Kunstbegeg­nung freut: Sie wird als eine von fünf an der Ausstellun­g des Kunstverei­ns Bad Nauheim vom 24. September bis zum 6. November teilnehmen. Bad Nauheim ist mit Buxton in Großbritan­nien, Oostkamp in Belgien, Chaumont in Frankreich und Bad Langensalz­a partnersch­aftlich verbandelt. Die Schau und der Austausch werden wieder eine Bereicheru­ng sein.

Galerie im Schloss Dryburg, Bad Langensalz­a, weitere Infos unter

 ?? GERLINDE SOMMER ?? In ihrem Atelier, das mal ein Ladengesch­äft war: die Künstlerin, Lehrerin und Kunstförde­rerin Judith Unfug-Henning aus Thamsbrück bei Bad Langensalz­a. Im Herbst stellt sie in Bad Nauheim bei der „Europäisch­en Kunstbegeg­nung“aus.
GERLINDE SOMMER In ihrem Atelier, das mal ein Ladengesch­äft war: die Künstlerin, Lehrerin und Kunstförde­rerin Judith Unfug-Henning aus Thamsbrück bei Bad Langensalz­a. Im Herbst stellt sie in Bad Nauheim bei der „Europäisch­en Kunstbegeg­nung“aus.

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