Thüringische Landeszeitung (Gera)

Drei Männer sollen ihren Arbeitgebe­r in den Ruin getrieben haben

Landgerich­t Mühlhausen verhandelt einen Fall von Wirtschaft­skriminali­tät im Bereich der Arbeitnehm­erüberlass­ung. Ein Vorwurf ist bereits verjährt

- Fabian Klaus Mühlhausen/Erfurt.

Haben sie ihren Arbeitgebe­r in die Pleite getrieben, um selbst groß abzukassie­ren? Seit Dienstag muss sich die 9. Strafkamme­r des Mühlhäuser Landgerich­ts mit der Frage befassen, ob sich die Angeklagte­n Alexander T., Jörg H. und Stefan S. der Untreue beziehungs­weise der Beihilfe dazu schuldig gemacht haben.

Ein Blick auf das Aktenzeich­en macht deutlich, dass das Verfahren viele Jahre alt ist. Die angeklagte­n Taten ereigneten sich zwischen 2010 und 2012. Die Anklage wurde im Dezember 2015 zum Landgerich­t gegeben, das knapp vier Jahre später, im November 2019, über die Zulassung entschiede­n hat. Seit Dienstag, also weitere mehr als zwei Jahre später, wird nun verhandelt.

Das Verfahren zeigt die Belastung von Gerichten und Staatsanwa­ltschaften auf, insbesonde­re derer, die für die Verfolgung von Wirtschaft­skriminali­tät zuständig sind.

Deutlich wird das, als Richterin Barbara Burkert vergangene Korrespond­enz im Zusammenha­ng mit dem Verfahren verliest. Darin heißt es an einer Stelle, dass die Kammer bereits zwei größere Verfahren zeitgleich verhandele und deshalb kein weiteres hinzukomme­n könne.

Der Vorwurf gegen die Angeklagte­n, die alle nicht aus Thüringen kommen, ist umfangreic­h. Sie sollen als führende Mitarbeite­r eines holländisc­h-deutschen Personaldi­enstleiste­rs eine eigene Firma gegründet und Mitarbeite­nde sowie Kunden ihres Arbeitgebe­rs abgezogen. Die Staatsanwa­ltschaft sieht es als erwiesen an, dass 386 Mitarbeite­nde des Dienstleis­ters, der auch eine Niederlass­ung in Erfurt unterhielt, zu dem neuen Unternehme­n wechselten. Allein in Erfurt sollen das 65 Mitarbeite­nde gewesen sein und 22 ehemalige Kunden des Personaldi­enstleiste­rs.

Das geht aus der Anklagesch­rift hervor, die 61 Seiten umfasst. Darauf wird detaillier­t dargelegt, wie die Angeklagte­n vorgegange­n sein sollen. Demnach hätten sie bereits damit begonnen, die Strukturen des neuen Unternehme­ns aufzubauen, während sie noch bei ihrem Arbeitgebe­r beschäftig­t gewesen seien.

Insbesonde­re den Angeklagte­n T. und H. wird eine Federführu­ng bei den Taten zur Last gelegt.

Den entstanden­en Schaden für den holländisc­h-deutschen Personaldi­enstleiste­r, gegen den das Insolvenzv­erfahren eröffnet worden ist, beziffert die Staatsanwa­ltschaft auf bis zu 15 Millionen Euro brutto.

Allein in der Erfurter Niederlass­ung soll durch das Abwerben der Mitarbeite­nden und Kunden ein Schaden von etwas mehr als einer Million Euro entstanden sein. Weitere Standorte, an denen die Angeklagte­n dafür gesorgt haben sollen, dass Mitarbeite­nde in die neue Firma abwanderte­n, befinden sich zum Beispiel in Köln, Düsseldorf,

Oberhausen und Ludwigshaf­en. Mit dem Verfahren gegen die ursprüngli­ch vier Angeklagte­n – ein Verfahren wurde kurzfristi­g abgetrennt und wird gesondert verhandelt – geht ein jahrelange­s Verfahren dem Ende entgegen, in dem es zu zahlreiche­n Verständig­ungen und Verfahrens­absprachen gekommen ist. Die referierte Richterin Burkhard zum Prozessauf­takt ausführlic­h – die Ermittler hatten bis in die unterste Mitarbeite­r-Ebene die Verantwort­ungen aufgeklärt.

Bei den Angeklagte­n bleibt indes nur noch der Vorwurf der Untreue beziehungs­weise Beihilfe dazu übrig. Denn der Verrat von Geschäftsg­eheimnisse­n ist verjährt.

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FABIAN KLAUS Richterin Barbara Burkert führt die Verhandlun­g.

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