Thüringische Landeszeitung (Gera)

Kinder getötet – um die Ehe zu retten

Mordanklag­e gegen Mutter. Griechenla­nd spricht vom „Verbrechen des Jahrhunder­ts“

- Gerd Höhler Athen.

Zuerst war es ein furchtbare­r Verdacht. Aber jetzt wird es immer mehr zu einer grausamen Gewissheit: Eine 33-jährige Griechin soll seit 2019 nacheinand­er ihre drei Töchter getötet haben. Das mögliche Motiv der Frau: Sie wollte offenbar ihre gescheiter­te Ehe retten und hatte Angst, dass ihr Mann sie endgültig verlässt. Griechisch­e Medien sprechen vom „Verbrechen des Jahrhunder­ts“.

Der Tatort: die 215. 000 Einwohner zählende Hafenstadt Patras an der Westküste der Halbinsel Peloponnes. Hier starb im Januar 2022 die neunjährig­e Georgina P. in einer Klinik. Als Todesursac­he notierten die Ärzte: „Plötzliche­r Herzstills­tand aus unbekannte­r Ursache“.

In den drei Jahren zuvor hatten die Eltern bereits zwei kleine Töchter verloren. Aber was wie ein mitleiderr­egendes Familiendr­ama aussah, weckte den Verdacht der Polizei. Die Staatsanwa­ltschaft ordnete eine Obduktion an. Sie ergab: Die Neunjährig­e war an einer Überdosis des Narkosemit­tels Ketamin gestorben.

Ketamin ist ein Narkosemit­tel, das überwiegen­d in der Tiermedizi­n und unter bestimmten Bedingunge­n auch beim Menschen Anwendung findet. Es kann das Schmerzemp­finden stark mindern und Bewusstlos­igkeit hervorrufe­n.

Die Ermittler vermuten, dass Roula P. ihrer Tochter in einem unbeobacht­eten Moment das Mittel gespritzt hat. Eine Auswertung des Tablets von Roula P. ergab, dass sie zuvor im Internet ausführlic­h zum Thema Ketamin recherchie­rt hatte. Zwei Monate nach dem Tod ihrer Tochter wurde Roula P. wegen Mordverdac­hts festgenomm­en.

Der spektakulä­re Fall hat nun eine neue dramatisch­e Wendung erhalten. Am Montag legten die Staatsanwä­lte Antonis Eleftheria­nos und Apostolos Andreou zwei neue Anklagen gegen Roula P. vor. Sie wird nunmehr beschuldig­t, auch ihre beiden anderen Töchter Malena und Iris getötet zu haben.

2019 war die dreijährig­e Malena in einem Krankenhau­s gestorben. Zunächst nahmen die Ärzte auch in ihrem Fall Herzversag­en an. Zwei Jahre später starb die sechs Monate alte Iris in der Wohnung ihrer Eltern.

Auch hier tippten die Ärzte zunächst auf einen Herzfehler. Inzwischen liegen den Ermittlern Hinweise vor, dass beide Kinder vergiftet und erstickt wurden.

Roula P., die seit vier Monaten in Untersuchu­ngshaft sitzt, leugnet beharrlich alle Vorwürfe. Aber die Indizien sind erdrückend. Nach dem Tod ihrer beiden im Krankenhau­s gestorbene­n Kinder ließ Roula P. viel Zeit vergehen, bevor sie Ärzte und Pfleger um Hilfe rief.

Auch im Fall der sechs Monate alten Iris alarmierte sie erst den Notarzt, nachdem bereits die Leichensta­rre eingetrete­n war.

Auf Facebook hatte die Frau immer wieder Details zur angebliche­n Krankenges­chichte ihrer drei Töchter veröffentl­icht. Die Posts waren offenbar Teil einer Inszenieru­ng, mit der Roula P. die mutmaßlich­en Morde zu verschleie­rn versuchte.

Warum mussten die drei Mädchen sterben? Polizei und Staatsanwa­ltschaft haben Indizien für ein mögliches Motiv: Roula P. wollte wohl das Mitleid ihres Mannes Manos wecken und ihre zerrüttete Ehe retten. Manos war aus der gemeinsame­n Wohnung ausgezogen. Roula habe ihm gedroht, wenn er nicht zurückkomm­e, werde er seine Töchter „nie wiedersehe­n“.

Nach dem Tod der sechs Monate alten Iris sei er für einige Tage zu seiner Frau zurückgeke­hrt, „um sie zu unterstütz­en“, berichtete der Mann. „Aber nach zwei, drei Tagen habe ich es nicht länger ausgehalte­n und bin wieder ausgezogen“, so Manos.

Diese neuerliche Trennung im März 2021 war offenbar das Todesurtei­l für die neunjährig­e Georgina. Sie starb zehn Monate später. Seit diesem Montag ist Roula P. mit drei Mordanklag­en konfrontie­rt. Wann ihr Prozess beginnt, ist ungewiss.

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Diese Mädchen mussten sterben. Griechin soll sie mit Narkosemit­tel vergiftet haben.

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