Thüringische Landeszeitung (Gera)
Suizid einer Impfärztin: Spur führt nach Bayern
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Beleidigung und der Bedrohung auch in Berlin. Bundesregierung zeigt sich „tief bestürzt“
Im Fall des Suizids der von Impfgegnern bedrohten österreichischen Impfärztin Lisa-Maria Kellermayr hat die Staatsanwaltschaft München II Ermittlungen gegen einen Mann aus Oberbayern aufgenommen. „Die Staatsanwaltschaft München II führt ein Ermittlungsverfahren gegen eine männliche Person wegen des Verdachts der Beleidigung und Bedrohung – die Ermittlungen dauern an“, sagte eine Sprecherin der Ermittlungsbehörde am Mittwoch auf Anfrage. Weitere Details wollte sie nicht nennen.
Die Sprecherin bestätigte einen Bericht der Mediengruppe Bayern vom Mittwoch. Der im Fokus stehende Mann steht demzufolge im
Verdacht, der 36 Jahre alten Medizinerin in Mails mit Folter und Mord gedroht zu haben. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft im oberösterreichischen Wels auch bei der Staatsanwaltschaft Berlin einen Tatverdächtigen angezeigt, wie die Zeitungen der Mediengruppe Bayern berichteten.
Kellermayr war am Freitag tot in ihrer Praxis im Bezirk Vöcklabruck aufgefunden worden. Sie hatte unter anderem auf ihrer Webseite von monatelangen Einschüchterungen bis hin zu Morddrohungen „aus der Covid-Maßnahmenund Impfgegnerszene“berichtet – und schließlich unter Berufung darauf ihre Praxis geschlossen. Arbeitsbedingungen,
„wie wir sie die letzten Monate erlebt haben“, seien niemandem zuzumuten, hatte Kellermayr Ende Juni zur Begründung bei Twitter geschrieben. Sie stand Berichten zufolge über längere Zeit unter Polizeischutz.
Kellermayrs Leiche wurde am Mittwoch obduziert. Die Untersuchung bestätigte, dass es sich bei dem Tod um einen Suizid handelt. Das gehe aus dem vorläufigem Obduktionsergebnis hervor, teilte die Staatsanwaltschaft Wels mit. Die toxikologischen Analysen würden zwar noch deutlich länger dauern, hieß es. Aber nun habe sich schon bestätigt, dass insbesondere „keine Hinweise auf eine Einwirkung von
Dritter Hand zu Tage getreten“seien. Zunächst hatten die Behörden eine Obduktion nicht für nötig erachtet. Allerdings hatten Angehörige einen solchen Schritt beantragt, dem das Landgericht zustimmte.
Die Bundesregierung in Berlin zeigte sich „tief bestürzt“über den Suizid der Medizinerin. Ein Regierungssprecher sagte am Mittwoch, es sei Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der Bundesregierung ein besonderes Anliegen, sich gemeinsam mit den österreichischen Freunden gegen den Hass zu stellen. Drohungen, Gewalt und Hetze seien auf das Schärfste zu verurteilen, gerade auch wenn sie sich gegen medizinisches Personal und Ärztinnen und Ärzte richteten. „Digitaler Hass“im Internet bleibe viel zu häufig straflos, so der Sprecher.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte in der „Welt“, der Tod der Ärztin führe „drastisch vor Augen, wohin die Verrohung des gesellschaftlichen Klimas führen kann“. Auch in Deutschland sinke die Hemmschwelle. Ärztinnen und Ärzte erhielten Drohbriefe, würden verbal und körperlich angegriffen. „Die Polizei muss angesichts der besorgniserregenden Zunahme digitaler Straftaten zügig handeln“, forderte Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, in der Zeitung. Es fehle aber an entsprechenden Ressourcen, personell wie bei der Ausstattung. afp, dpa