Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Warum soll ich mich entschuldi­gen?“

Altkanzler Schröder setzt auf seine Nähe zu Putin. Er will im Ukraine-Krieg verhandeln und Nord Stream 2 aktivieren

- Miguel Sanches Berlin.

Nicht viele westliche Politiker haben einen persönlich­en Draht zu Russlands Präsident Wladimir Putin – Altkanzler Gerhard Schröder schon. Gerade war er in Moskau beim Kremlchef. Der SPDPolitik­er wirbt nun für Verhandlun­gen und selbstrede­nd für sich selbst als Vermittler. Er will wieder ins Geschäft kommen, buchstäbli­ch. Im Interview mit der Zeitschrif­t „Stern“und dem TV-Sender ntv empfiehlt der Lobbyist des russischen Energiekon­zerns Gazprom, die Gaspipelin­e Nord Stream 2 in der Ostsee in Betrieb zu nehmen. War da was? Ein Krieg in der Ukraine

vielleicht?

Nord Stream 2 war nach Beginn des russischen Angriffskr­ieges gegen die Ukraine gar nicht erst ans Gasnetz angeschlos­sen worden. Der Altkanzler sagt dessen ungeachtet nun, mit der Pipeline könne der Gas-Engpass in Deutschlan­d gelindert werden. Wer das nicht wolle, müsse dann auch die Konsequenz­en tragen: Verteilung­skämpfe. „Da möchte ich nicht in der Haut der Verantwort­lichen stecken.“Die Folgen würden riesig sein.

Es war Schröders erstes Interview seit Langem. Der 78-Jährige will sich Putin warmhalten. Denn: Ohne Gespräche beider Seiten werde es nicht gehen. Er ist sich sicher, dass der Kriegsherr reden will. „Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlun­gslösung.“Wie das geht, zeigt die Türkei, die gerade Getreideli­eferungen aushandelt­e. „Sehr hilfreich“, findet Schröder. Und der Anfang von etwas Großem? „Vielleicht kann man das langsam zu einem Waffenstil­lstand ausbauen.“

Schröder traut sich das zu. „Warum sollte ich mit Gesprächen, die rechtlich möglich sind und mich und meine Familie nicht in Schwierigk­eiten bringen, aufhören?“Da bleibt nur eine Frage: Will er mit oder für Putin verhandeln? Gegenfrage: „Würde eine persönlich­e Distanzier­ung von Wladimir Putin wirklich irgendjema­ndem etwas bringen?“Müsse er denn über jedes Stöckchen springen, das ihm hingehalte­n werde? „So bin ich nicht.“

Die SPD will Schröder loswerden. Es gibt 17 Anträge auf Ausschluss aus der Partei. Ein Beschluss steht Berichten zufolge kurz bevor. Schröders Äußerungen stießen nun aber auch parteiüber­greifend auf Kritik. Die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, kritisiert­e etwa: „Wenn er sagt, dass Putin eine Lösung will“, dann könne sie bereits sagen, wie die Lösung auszusehen habe: „Nämlich, Putin will die Ostukraine“, sagte sie im „Frühstart von RTL/ntv. mit dpa

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NIETFELD / DPA Altkanzler Gerhard Schröder wirbt für Verhandlun­gen zwischen Kiew und Moskau – und für sich selbst als Vermittler.

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