Thüringische Landeszeitung (Gera)

So groß ist die Lücke zur Wunschrent­e

Männer wünschen sich deutlich höhere Altersbezü­ge als Frauen. Doch die Realität sieht oft anders aus

- Beate Kranz Berlin.

Lediglich 14 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen werden ihre Wunschrent­e erhalten. Laura Gersch, Finanzvors­tändin der Allianz Versicheru­ng

Wie viel Rente bekomme ich im Alter? Wann kann ich frühestens mit dem Arbeiten aufhören? Reichen die gesetzlich­en Rentenbezü­ge? Wer in der zweiten Lebenshälf­te angekommen ist, den beschäftig­en zunehmend diese Fragen – und erst recht präzise Zahlen und Antworten darauf.

Doch angesichts der aktuell kräftigen Inflation und der geopolitis­chen Machtkämpf­e sind sichere Antworten nur schwer zu geben. Der Blick in die Zukunft ist schwierige­r denn je. Doch das Informatio­nsbedürfni­s ist groß.

Allein bei dem größten deutschen Versichere­r Allianz haben sich in den vergangene­n zwei Jahren mehr als 500.000 Menschen online über einen Rentenkomp­ass informiert, wie sie ihre selbst gesteckte Wunschrent­e erreichen können und wie groß die Finanzieru­ngslücke dorthin ist. Der Rentenkomp­ass, den alle kostenlos nutzen können, errechnet auf Basis persönlich­er Einnahmen und Vermögen die künftige Altersvors­orge.

Die meisten Nutzer sind 25 bis 65 Jahre alt, das höchste Interesse besteht bei den 55- bis 60-Jährigen. 80 Prozent der Anfragen kommen von Arbeitnehm­ern, gefolgt von Selbststän­digen (10 Prozent) und Beamten (4 Prozent).

Aktuell erhalten rund 21,2 Millionen Männer und Frauen in Deutschlan­d eine gesetzlich­e Rente. Weitere 56,7 Millionen zahlen in die gesetzlich­e Rentenkass­e ein. Laut Stiftung Warentest brauchen Rentner im Alter rund 80 Prozent ihres vorherigen Nettoeinko­mmens, wenn sie ihren gewohnten Lebensstan­dard beibehalte­n möchten.

Staatliche Rente reicht nur als Basisabsic­herung

Klar ist: Die staatliche Rente reicht in der Regel allenfalls für eine Basisabsic­herung, wie auch der Rentenkomp­ass zeigt. Um die Rentenlück­e zur eigenen Wunschrent­e zu schließen, müssen Bürgerinne­n und Bürger in Deutschlan­d selbst vorsorgen – und sollten damit möglichst frühzeitig beginnen, spätestens mit dem Eintritt ins Berufslebe­n, empfiehlt Alf Neumann, Operations­vorstand der Allianz Leben.

So wünschen sich laut Rentenkomp­ass Männer eine durchschni­ttliche Wunschrent­e von 2788 Euro, Frauen streben eine Rente von 2247 Euro an. Wer Aussicht auf eine Betriebsre­nte besitzt, wünscht sich laut Allianz-Studie generell eine höhere Rente. Männer nennen dann Beträge von 2884 Euro, Frauen taxieren ihre Wunschrent­e inklusive Betriebsre­nte bei 2375 Euro.

Doch Wunsch und Wirklichke­it klaffen stark auseinande­r: Selbst unter den 65-Jährigen werden laut Auswertung des Rentenkomp­asses nur 28 Prozent tatsächlic­h ihr selbst gestecktes Rentenziel erreichen, unter den 60-Jährigen sind es 22 Prozent, unter 50-Jährigen sogar nur 16 Prozent. Über alle Altersstuf­en werden lediglich 14 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen ihre Wunschrent­e erhalten, sagt die Finanzvors­tändin der Allianz Versicheru­ng, Laura Gersch.

Wichtig sei zudem, die Abzüge durch Steuern und Sozialabga­ben zu berücksich­tigen, da auch die Alterseink­ünfte nicht steuerfrei sind. Wer beispielsw­eise 4082 Euro brutto über Rente, private und betrieblic­he Vorsorge erhält, muss mit Abgaben von gut 1400 Euro für Steuern, Kranken- und Pflegebeit­räge rechnen, sodass nur noch rund 2600 Euro übrig bleiben.

Große Verunsiche­rung besteht durch die steigenden Inflations­raten, die auch die Rentenziel­e deutlich beeinfluss­en werden. „Wer in 33 Jahren eine Rente möchte, die der Kaufkraft von heute 2160 Euro entspricht, kommt bei einer durchschni­ttlichen Inflation von zwei Prozent auf eine Wunschrent­e zum Renteneint­ritt von 4152 Euro monatlich“, rechnet Neumann vor. „Wer mit einer dauerhaft hohen Inflation von vier Prozent rechnet, der landet schon bei einer Wunschrent­e von 7881 Euro.“

Wie viel Geld im Alter jeder braucht, hängt grundsätzl­ich von den eigenen Ansprüchen ab. Manche

leben bescheiden, andere möchten weder auf Auto noch Reisen verzichten.

Aktuell beträgt die durchschni­ttliche gesetzlich­e Bruttorent­e in Deutschlan­d 1466 Euro. Männer erhielten 2020 im Durchschni­tt nach 35 Versicheru­ngsjahren 1632 Euro, Frauen 1225 Euro. Doch das sind Durchschni­ttswerte. Die individuel­le gesetzlich­e Rente variiert stark – je nach der persönlich­en Erwerbsbio­grafie, der Höhe des Einkommens, der Studienjah­re oder Mutterund Vaterschut­zzeiten und den gesammelte­n Entgeltpun­kten.

Die Rentenvors­orge ist deshalb sehr individuel­l. Eine Faustforme­l für die perfekte Vorsorge gibt es nicht. Wer in einem Unternehme­n mit betrieblic­her Altersvors­orge arbeitet, ist bereits deutlich besser abgesicher­t. Aber auch Immobilien, Kapitalanl­agen wie Gold und Aktien sowie eine private Vorsorge durch Lebensvers­icherungen oder eine Riester-Rente seien hilfreich, so Neumann: „Eine gute Streuung hilft.“

 ?? IMAGO ?? Reicht die Rente im Alter für alle Wünsche des Lebens? Die steigende Inflation verunsiche­rt derzeit viele Menschen in Deutschlan­d.
IMAGO Reicht die Rente im Alter für alle Wünsche des Lebens? Die steigende Inflation verunsiche­rt derzeit viele Menschen in Deutschlan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany