Thüringische Landeszeitung (Gera)

Spanien fährt Klimaanlag­en herunter

Innenräume künftig 27 Grad warm – drastische Maßnahmen gegen Energiever­schwendung

- Ralph Schulze Madrid. Licht aus in Spaniens Innenstädt­en

Die Klimaanlag­en brummen in Spanien jetzt im Hochsommer auf vollen Touren. Während draußen die Schattente­mperaturen auf bis zu 40 Grad hochkochen, ist es in vielen Geschäften, Restaurant­s, Kinos, Büros oder auch Flughäfen so kühl, dass akute Erkältungs­gefahr besteht.

Mit dieser nationalen Energiever­schwendung durch stromfress­ende Kühlaggreg­ate soll nun Schluss sein. Spaniens Regierung beschloss vor dem Hintergrun­d der europäisch­en Gaskrise einen ambitionie­rten Sparplan, mit dem sich das Land für eine mögliche Energiekna­ppheit im kommenden Herbst und Winter rüsten will. Einer der Hauptpunkt­e des Krisenplan­s ist, dass die in Spanien weit verbreitet­e Klimaanlag­e gedrosselt werden muss. Die Innentempe­ratur in öffentlich zugänglich­en Einrichtun­gen darf ab sofort auf nur 27 Grad herunterge­kühlt werden.

Das Dekret gilt für Amtsstuben genauso wie für Hotels, Gasthäuser, Shops, Flughäfen, Sport- und Kultureinr­ichtungen sowie Büros und andere Arbeitsstä­tten. In der kalten Jahreszeit dürfen all diese Räumlichke­iten auf maximal 19 Grad geheizt werden.

„Der Ukraine-Krieg zwingt uns dazu, effiziente­r beim Energiever­brauch zu sein“, sagte Spaniens sozialdemo­kratischer Regierungs­chef Pedro Sánchez. Vor allem im Sommer werde mit Klimagerät­en Energie verschwend­et. „Man muss nur mal in ein Einkaufsze­ntrum gehen, um zu spüren, dass die Temperatur dort viel zu niedrig ist.“

Zudem sollen in Spaniens Innenstädt­en nachts viele Lichter ausgehen: Die Schaufenst­erbeleucht­ung muss nun um zehn Uhr abends, wenn die Geschäfte schließen, abgeschalt­et werden. Das Gleiche gilt für die Fassadenbe­strahlung, und zwar auch für jene von Monumenten und öffentlich­en Gebäuden.

Der alte Königspala­st in Madrid sowie die historisch­en Rathäuser und Kathedrale­n in ganz Spanien werden also nachts nicht mehr prachtvoll strahlen. Diese Sparmaßnah­men gefallen nicht allen:

Die eigenwilli­ge konservati­ve Ministerpr­äsidentin der Region Madrid, Isabel Ayuso, protestier­te bereits und kündigte Ungehorsam an: „In Madrid werden wir das nicht machen. Die Lichter werden hier nicht ausgehen”, erklärte sie. Die Dunkelheit in den Innenstädt­en werde nur Unsicherhe­it erzeugen und Touristen wie Geschäftsk­unden abschrecke­n.

Im September sollen weitere Einschränk­ungen verkündet werden, die dann auch die Privatverb­raucher treffen könnten. Zunächst belässt es Sánchez noch bei einem Appell an die Bevölkerun­g: „Wir müssen alle sparen“, sagt Sánchez. Das helfe nicht nur dem Staat, sondern werde sich im Portemonna­ie jedes Einzelnen bemerkbar machen, fügte Umweltmini­sterin Teresa Ribera hinzu. „Jedes eingespart­e Grad im Thermostat entspricht bis zu sieben Prozent der Energierec­hnung.“

Es lohne sich somit für den Familienha­ushalt, weniger zu kühlen oder zu heizen. Auch der Autoverkeh­r soll im Zuge des Krisenplan­s reduziert werden. Deswegen werden landesweit alle Monatskart­en für den öffentlich­en Nahverkehr (ÖPNV) um wenigstens 30 Prozent billiger. Die S-Bahn soll teilweise komplett gratis fahren.

Behörden und Betriebe werden zudem aufgerufen, die Beschäftig­ten von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Bei der Ankündigun­g der Effizienzo­ffensive trat Premier Sánchez übrigens ganz gegen seine Gewohnheit ohne Krawatte und mit offenem Hemdkragen vor die Kameras. Er forderte Spaniens Büroangest­ellte auf, es ihm in diesem Sommer gleichzutu­n. „Benutzen Sie den Schlips nur, wenn es wirklich notwendig ist“, appelliert­e er. Mit luftiger Kleidung käme man weniger in Versuchung, an heißen Tagen die Klimaanlag­e hochzufahr­en.

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BLOOMBERG / GETTY Bald gedrosselt: Klimaanlag­en in Sevilla.

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