Thüringische Landeszeitung (Gera)
Spanien fährt Klimaanlagen herunter
Innenräume künftig 27 Grad warm – drastische Maßnahmen gegen Energieverschwendung
Die Klimaanlagen brummen in Spanien jetzt im Hochsommer auf vollen Touren. Während draußen die Schattentemperaturen auf bis zu 40 Grad hochkochen, ist es in vielen Geschäften, Restaurants, Kinos, Büros oder auch Flughäfen so kühl, dass akute Erkältungsgefahr besteht.
Mit dieser nationalen Energieverschwendung durch stromfressende Kühlaggregate soll nun Schluss sein. Spaniens Regierung beschloss vor dem Hintergrund der europäischen Gaskrise einen ambitionierten Sparplan, mit dem sich das Land für eine mögliche Energieknappheit im kommenden Herbst und Winter rüsten will. Einer der Hauptpunkte des Krisenplans ist, dass die in Spanien weit verbreitete Klimaanlage gedrosselt werden muss. Die Innentemperatur in öffentlich zugänglichen Einrichtungen darf ab sofort auf nur 27 Grad heruntergekühlt werden.
Das Dekret gilt für Amtsstuben genauso wie für Hotels, Gasthäuser, Shops, Flughäfen, Sport- und Kultureinrichtungen sowie Büros und andere Arbeitsstätten. In der kalten Jahreszeit dürfen all diese Räumlichkeiten auf maximal 19 Grad geheizt werden.
„Der Ukraine-Krieg zwingt uns dazu, effizienter beim Energieverbrauch zu sein“, sagte Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez. Vor allem im Sommer werde mit Klimageräten Energie verschwendet. „Man muss nur mal in ein Einkaufszentrum gehen, um zu spüren, dass die Temperatur dort viel zu niedrig ist.“
Zudem sollen in Spaniens Innenstädten nachts viele Lichter ausgehen: Die Schaufensterbeleuchtung muss nun um zehn Uhr abends, wenn die Geschäfte schließen, abgeschaltet werden. Das Gleiche gilt für die Fassadenbestrahlung, und zwar auch für jene von Monumenten und öffentlichen Gebäuden.
Der alte Königspalast in Madrid sowie die historischen Rathäuser und Kathedralen in ganz Spanien werden also nachts nicht mehr prachtvoll strahlen. Diese Sparmaßnahmen gefallen nicht allen:
Die eigenwillige konservative Ministerpräsidentin der Region Madrid, Isabel Ayuso, protestierte bereits und kündigte Ungehorsam an: „In Madrid werden wir das nicht machen. Die Lichter werden hier nicht ausgehen”, erklärte sie. Die Dunkelheit in den Innenstädten werde nur Unsicherheit erzeugen und Touristen wie Geschäftskunden abschrecken.
Im September sollen weitere Einschränkungen verkündet werden, die dann auch die Privatverbraucher treffen könnten. Zunächst belässt es Sánchez noch bei einem Appell an die Bevölkerung: „Wir müssen alle sparen“, sagt Sánchez. Das helfe nicht nur dem Staat, sondern werde sich im Portemonnaie jedes Einzelnen bemerkbar machen, fügte Umweltministerin Teresa Ribera hinzu. „Jedes eingesparte Grad im Thermostat entspricht bis zu sieben Prozent der Energierechnung.“
Es lohne sich somit für den Familienhaushalt, weniger zu kühlen oder zu heizen. Auch der Autoverkehr soll im Zuge des Krisenplans reduziert werden. Deswegen werden landesweit alle Monatskarten für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) um wenigstens 30 Prozent billiger. Die S-Bahn soll teilweise komplett gratis fahren.
Behörden und Betriebe werden zudem aufgerufen, die Beschäftigten von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Bei der Ankündigung der Effizienzoffensive trat Premier Sánchez übrigens ganz gegen seine Gewohnheit ohne Krawatte und mit offenem Hemdkragen vor die Kameras. Er forderte Spaniens Büroangestellte auf, es ihm in diesem Sommer gleichzutun. „Benutzen Sie den Schlips nur, wenn es wirklich notwendig ist“, appellierte er. Mit luftiger Kleidung käme man weniger in Versuchung, an heißen Tagen die Klimaanlage hochzufahren.