Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Ich bin ringerverrückt“
Interview der Woche: Christian Fetzer geht beim RSV Rotation in die vierte Saison. Auch nach dem Abstieg aus der ersten Bundesliga bleibt der 40-Jährige den Thüringern treu. Der EM-Zweite von 2005 erklärt, warum er weiter für Greiz kämpft und wie er sich
Essingen. Erstmals in seiner langen und erfolgreichen Laufbahn ist Ringer Christian Fetzer am Ende einer Saison mit einer Mannschaft abgestiegen. 2010 war der Greco-Spezialist mit dem KSV Aalen deutscher Meister. Mit dem RSV Rotation Greiz geht es in der neuen Saison in der 2. Bundesliga weiter.
Das Beste kommt nicht zum Schluss, sondern zuerst. Der Kapitän bleibt an Bord. Mussten Sie arg mit sich ringen, um in Thüringen für eine vierte Saison zu unterschreiben?
Ich habe mir alles reiflich durch den Kopf gehen lassen. Dass es nicht meine letzte Mannschaftssaison sein sollte, das stand fest. Aber da lagen auch die Angebote aus der ersten Bundesliga auf dem Tisch. Schließlich bin ich als 1-Punkteringer, der noch viele Kämpfe stark mithalten kann, dieses Jahr sehr wertvoll geworden. Das wäre auch noch einmal eine Herausforderung gewesen – aber auch eine neue Mannschaft, ein neuer Trainer, ein neues Umfeld.
Sie haben sich für Greiz entschieden. Was sind die Beweggründe?
Der Greizer Ringerverein ist für mich nicht nur ein Verein, es ist Heimat beziehungsweise Familie für mich. Ich fühle mich pudelwohl in Greiz, werde geachtet und geschätzt vom Vorstand, den Trainern und den Sportlern. Die Zeit in Greiz bisher möchte ich nicht missen, möchte auch etwas zurückgeben, helfen eine neue, sicher verjüngte Mannschaft, mit aufzubauen – vielleicht gelingt es uns ja mittelfristig wieder in die Bundesliga aufzusteigen. Jetzt freue ich mich auf die zweite Liga mit Greiz.
Die es aber auch in sich hat. Neben alten Bekannten wie Markneukirchen, Aue, Lübtheen oder Nürnberg geht es auch gegen Reilingen/Hockenheim oder Rimbach.
Dass die Staffeleinteilung so gekommen ist, das ist gut. Es war ja auch mal angedacht, dass wir mit den Vereinen aus NRW in eine Staffel kommen – ich glaube, das hätte ich nicht mitgemacht. Fast jeder Kampftag 500 Kilometer hin und wieder zurück. Nun können sich die Fans auf Derbys und interessante neue Mannschaften freuen.
400 Kilometer sind es aber auch von Ihrem Heimatort, um nach Greiz zu kommen.
Ja, was man nicht alles tut fürs Ringen. Und, ganz ehrlich, die „OstAutobahnen“sind frei. Nach Nürnberg läuft es. Das ist definitiv anders als in den Ruhrpott zu fahren
Sie tun eine Menge. Woher nehmen Sie die Kraft, die Motivation? Es wird ja mit den Jahren nicht leichter, sich fit zu halten.
Ja, ich muss Jahr für Jahr mehr tun, um mein Level zu halten, um körperlich dagegenhalten zu können. Meine Tage sehen entsprechend aus. Heute habe ich fünf Uhr in der Früh das erste Mal trainiert, dann Arbeit im Büro und abends eine zweite Einheit. Nicht immer schaffe ich es, zweimal am Tag zu trainieren, aber oft. Da ist es gut, dass ich mir mein eigenes Trainingszentrum zu Hause aufgebaut habe. Ja, warum mache ich das? Ringen ist für mich der Sport, den ich liebe, den ich ausüben möchte, solange es geht. Ich lebe diesen Sport! Ich bin ,ringerverrückt‘, sonst würde man das nicht machen. Mein Freund und Trainer Tino Hempel weiß das, wir sind uns da ähnlich!
Bis zum ersten Bundesligakampf im Herbst ist es aber noch eine ganze Weile hin.
Ja, das ist schon ein Problem. Ich starte ja nicht mehr regelmäßig auf Einzelmeisterschaften, auch weil es die Zeit bei meinen ganzen „Jobs“nicht zulässt, konzentriere ich mich auf die Bundesliga. Aber ich werde versuchen, bis zum ersten Kampf mit Greiz noch bei ein oder zwei Turnieren auf die Matte zu gehen. Das Wettkampffeeling muss sein.
Wie ist es ringerisch. Werden wir noch fetzige Überraschungen sehen?
Ich glaube nicht, dass ich noch absolut neue Techniken aus dem Ärmel schütteln werde. Aber im Training mit den weitaus Jüngeren, da ergibt sich schon immer was, was auch ich übernehmen kann oder wo ich überrascht bin, dass sie funktionieren. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die aber entscheidend sein können. Auch mit 40 hast du als Ringer nicht ausgelernt, dafür ist die Sportart zu komplex und es spielen viele Faktoren rein.
Es ist nicht jeder Tag wie der andere. Was, wenn Sie mal keine Lust aufs Ringen haben?
(Lacht!). Das kommt nicht oft vor. Ringen geht immer, nur trainieren ist nicht immer einfach. Aber dann muss man sich eben mal zusammenreißen, gar nicht erst nach Ausreden
oder Ausflüchten suchen, die gibt es wie Sand am Meer, oder sich bemitleiden. Und ich nehme mir ein Beispiel an meiner Frau, die wirklich sehr fit ist, in Laufserien unterwegs ist und mir da auch mal zeigt, wo es langgeht. Sie unterstützt mich, wie auch die komplette Familie. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich glaube nicht, dass ich ohne den Rückhalt meiner Familie noch diese Energie hätte, auf die Matte zu gehen, zu kämpfen, zu trainieren, immer versuchen, alles zu geben, auch wenn es nicht immer gelingt.
Was ist das Geheimnis, dass Sie noch
immer vor Kraft strotzen, Biss haben und es mit jedem Gegner aufnehmen können?
Gäbe es ein Geheimnis, dann würde ich es nicht sagen, sonst wäre es kein Geheimnis (lacht!). Zum einen ist es die Liebe zum Ringen, die Challenge, die du eingehst. Und wie ich bereits sagte: Ich lebe für den Sport, ernähre mich sportgerecht, gebe mir die Nährstoffe und Kalorien, wie und wann ich sie brauche. Ich baue Supplemente zielgerichtet in die sportlichen Anforderungen ein. Dies sehe ich als wichtige Bausteine an und diese werden im Alter auch immer wichtiger. Des Weiteren
versuche ich, trotz meiner bereits über zwanzig Operationen, wodurch ich auch die eine oder andere Olympia-Chance verpasst habe, auch öfter über die Grenzen zu gehen, dahin wo es schmerzt und das vermisse ich bei vielen unserer jungen Athleten. Manchmal kommt der Erfolg auch durch viel harte Arbeit und Quälen – und sicher nicht durch Ausreden.
Gesunde Ernährung ist sicher auch ein Thema. Wer ist denn besser am Herd bei Fetzers?
Ich stehe sicher öfters in der Küche als meine Frau Maike – aus Zeitgründen
gibt es bei uns jedoch meistens schnellere Gerichte, was aber nicht heißt, dass diese ungesund sind. Es wird öfters gebrutzelt, als gekocht. Die beste Köchin ist dann natürlich die Mama, die wir aber zum Essen leider auch nicht oft sehen. Aber wenn wir mal dort eingeladen sind, zu feiern oder Sonstigem, dann wird meistens etwas mitgenommen für die Gefriertruhe auf Vorrat.
Mit einem Sonntagsbraten ist es oft schwierig, nehme ich an. Sie sind Ringer, Mitbetreiber eines Online-Handels, vermitteln noch Ringer, haben einen 32-Stunden-Job in der Verwaltung und sind Landes-Chef-Trainer über alle Altersklassen in Württemberg – und helfen noch als Assistenztrainer im Nachwuchs des Deutschen Ringer-Bundes. Was für ein Pensum.
Ja, es ist viel, was ich mache. Aber ich mache es gern. Ich habe profitiert vom Ringen, möchte etwas zurückgeben.
Läuft denn alles wie es laufen soll? Kriegen Sie alles unter einen Hut?
Ganz ehrlich?
Geradeheraus.
Zufrieden bin ich nicht wirklich mit der Situation. Wenn ich etwas mache, dann will ich es immer zu meiner vollsten Zufriedenheit ausüben und das ist momentan so nicht wirklich möglich. Ich würde mir wünschen, dass die Stelle des Landestrainers Württemberg eine hauptamtliche ist. In vielen anderen Landesverbänden ist das so. In Hauptamtlichkeit kann der Trainer viel mehr leisten, als in seiner knapp bemessenen Zeit auf Honorarbasis. Und wir brauchen Trainer, die Nachwuchs sichten, die Talente sehen und weiterentwickeln, die Zeit haben in die Vereine rauszugehen, Trainingslager ausführen. Und dies funktioniert nur im Hauptamt. Die hauptamtliche Trainerstelle wäre hier ein großer Wunsch von mir.
Mit Maximilian Besser haben Sie einen Ringer aus Ihren Reihen mit nach Greiz gebracht. Er hat sich verbessert und wird wohl in der zweiten Liga noch besser zurechtkommen. Sie haben bestimmt noch den einen oder anderen Athleten in der Hinterhand, der für Greiz infrage kommt, oder?
Für Maxi ist die zweite Liga jetzt optimal! Ich hoffe, er kann sich hier behaupten, eventuell sogar schon als Siegringer und Stütze des Vereins. Zum weiteren Teil der Frage, da lassen Sie sich überraschen.