Thüringische Landeszeitung (Gera)
Solarboom lockt unseriöse Anbieter
Sonnenstrom ist gefragt, doch Verbraucher melden zunehmend unsachgemäße Installationen
Der sogenannte Wechselrichter gilt als Herzstück einer Solaranlage. Die Technik wandelt nicht nur den mithilfe der Sonne produzierten Gleichstrom in den im Netz üblichen Wechselstrom um, sondern steuert und überwacht auch die gesamte Anlage. Nicht gut ist, wenn das Teil nicht ordnungsgemäß installiert wird – und der zuständige Fachbetrieb abtaucht. Passiert ist das einer Hausbesitzerin, die ihre Erfahrungen den Verbraucherzentralen schildert.
„Nach Montage der Module fehlt noch die Inbetriebnahme des Wechselrichters und des Speichers. Meine Ansprechpartner sind nicht mehr verfügbar. Die Firmenhotline nimmt zwar mein Anliegen auf, es erfolgt aber keine Rückmeldung mehr. Direkte Telefonnummern werden mir verweigert. Auch die Internetseite ist nicht mehr erreichbar.“Beschwerden wie diese haben sich nach Angaben des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) in den vergangenen Monaten gehäuft.
Die Anzahl der Beschwerden hat sich 2023 verdreifacht
„Im Jahr 2023 wurden in den Verbraucherzentralen mehr als 1700 Beschwerden über PhotovoltaikAnlagen erfasst, wobei über das Jahr 2023 eine Zunahme der monatlichen Beschwerdezahlen zu verzeichnen ist“, teilte der vzbv auf Anfrage unserer Redaktion mit. Im Vergleich zum Jahr 2022 hätte sich damit die Zahl der Beschwerden mehr als verdreifacht. Angaben der Verbraucherzentrale zufolge sind die häufigsten Gründe für die Beschwerden Lieferungs-/Leistungsstörungen (44 Prozent) und Probleme mit der Gewährleistung (14 Prozent).
In Deutschland ist im vergangenen Jahr so viel Solartechnik auf privaten Eigenheimen installiert worden wie nie zuvor: 2023 sind rund 736.000 PV-Anlagen auf deutschen Hausdächern angebracht worden. Lediglich 315.000 Solarstromanlagen waren es laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) ein Jahr zuvor.
Der wichtigste Motivationsgrund für private Immobilienbesitzer, sich verstärkt mit Solarstrom vom eigenen Dach zu versorgen, sei der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit vom Energieversorger und der Schutz vor steigenden Strompreisen, sagte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig unserer Redaktion. Die Energie vom Dach koste dem BSW zufolge inzwischen nur noch ein Drittel des Strombezugs vom Energieversorger.
Dass der Boom Schattenseiten mit sich bringe, dementiert der Verband
nicht. Problematisch ist vor allem, dass die hohe Nachfrage viele fachfremde Betriebe anlocke.
Fachleute werden gegenüber unserer Redaktion konkreter: Neben fehlender Zeit und einem ständigen Kostendruck seien zum Teil auch Zuständigkeiten zwischen den ausführenden Betrieben nicht geklärt, berichtet ein Solarexperte. Die Dunkelziffer an Schäden und Versäumnissen sei wohl noch größer, als es offizielle Zahlen vermuten ließen. „Von Kundenseiten wird vieles gar nicht angezeigt, da Betriebe versprechen, noch nachzuarbeiten. Dann geht das Pingpong zwischen den Firmen los“, so der Fachmann.
Dachdecker sehen sich eigenen Angaben zufolge als Leidtragende. „Dachdeckerbetriebe werden zunehmend von betroffenen Bauherren kontaktiert, um Mängel zu beheben“, sagte der Vizepräsident des
Dachdeckerverbands ZVDH, Michael Zimmermann. Die häufigsten Fehler geschehen laut ihm bereits vor der eigentlichen Installation der PV-Anlage – nämlich dann, wenn Eignung und Zustand des Daches nicht sorgfältig geprüft werden.
Als weitere kritische Punkte sieht der Fachmann etwaige Beschädigungen von Dacheindeckung, Dachabdichtung oder der Dachdämmung während des Einbaus. Das sei nicht immer sofort erkennbar, könne aber als Konsequenz langfristig zu schwerwiegenden Undichtigkeiten führen.
„Diese Fehler können, insbesondere in Kombination mit mangelnder Berücksichtigung der Windlasten in verschiedenen Windzonen, die Stabilität und Sicherheit der Anlage gefährden. Die Zusatzlast durch die Photovoltaik-Anlage kann zudem die Statik des Daches beeinflussen“, so ZVDH-Vizepräsident Zimmermann weiter. Darüber hinaus fehlten bei fachfremden Betrieben mitunter Kenntnisse über die Landesbauordnungen, die zum Beispiel auch Mindestabstände zu Nachbargebäuden einschließen würden.
Bleiben Mängel unentdeckt, bemerken das spätestens Mitarbeiter der Netzbetreiber, die jede neue Anlage unter anderem mit einem Einspeisezähler ausstatten – und Versäumnisse leicht aufdecken.