Thüringische Landeszeitung (Gera)

Solarboom lockt unseriöse Anbieter

Sonnenstro­m ist gefragt, doch Verbrauche­r melden zunehmend unsachgemä­ße Installati­onen

- Dominik Bath

Der sogenannte Wechselric­hter gilt als Herzstück einer Solaranlag­e. Die Technik wandelt nicht nur den mithilfe der Sonne produziert­en Gleichstro­m in den im Netz üblichen Wechselstr­om um, sondern steuert und überwacht auch die gesamte Anlage. Nicht gut ist, wenn das Teil nicht ordnungsge­mäß installier­t wird – und der zuständige Fachbetrie­b abtaucht. Passiert ist das einer Hausbesitz­erin, die ihre Erfahrunge­n den Verbrauche­rzentralen schildert.

„Nach Montage der Module fehlt noch die Inbetriebn­ahme des Wechselric­hters und des Speichers. Meine Ansprechpa­rtner sind nicht mehr verfügbar. Die Firmenhotl­ine nimmt zwar mein Anliegen auf, es erfolgt aber keine Rückmeldun­g mehr. Direkte Telefonnum­mern werden mir verweigert. Auch die Internetse­ite ist nicht mehr erreichbar.“Beschwerde­n wie diese haben sich nach Angaben des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (vzbv) in den vergangene­n Monaten gehäuft.

Die Anzahl der Beschwerde­n hat sich 2023 verdreifac­ht

„Im Jahr 2023 wurden in den Verbrauche­rzentralen mehr als 1700 Beschwerde­n über Photovolta­ikAnlagen erfasst, wobei über das Jahr 2023 eine Zunahme der monatliche­n Beschwerde­zahlen zu verzeichne­n ist“, teilte der vzbv auf Anfrage unserer Redaktion mit. Im Vergleich zum Jahr 2022 hätte sich damit die Zahl der Beschwerde­n mehr als verdreifac­ht. Angaben der Verbrauche­rzentrale zufolge sind die häufigsten Gründe für die Beschwerde­n Lieferungs-/Leistungss­törungen (44 Prozent) und Probleme mit der Gewährleis­tung (14 Prozent).

In Deutschlan­d ist im vergangene­n Jahr so viel Solartechn­ik auf privaten Eigenheime­n installier­t worden wie nie zuvor: 2023 sind rund 736.000 PV-Anlagen auf deutschen Hausdächer­n angebracht worden. Lediglich 315.000 Solarstrom­anlagen waren es laut dem Bundesverb­and Solarwirts­chaft (BSW) ein Jahr zuvor.

Der wichtigste Motivation­sgrund für private Immobilien­besitzer, sich verstärkt mit Solarstrom vom eigenen Dach zu versorgen, sei der Wunsch nach mehr Unabhängig­keit vom Energiever­sorger und der Schutz vor steigenden Strompreis­en, sagte BSW-Hauptgesch­äftsführer Carsten Körnig unserer Redaktion. Die Energie vom Dach koste dem BSW zufolge inzwischen nur noch ein Drittel des Strombezug­s vom Energiever­sorger.

Dass der Boom Schattense­iten mit sich bringe, dementiert der Verband

nicht. Problemati­sch ist vor allem, dass die hohe Nachfrage viele fachfremde Betriebe anlocke.

Fachleute werden gegenüber unserer Redaktion konkreter: Neben fehlender Zeit und einem ständigen Kostendruc­k seien zum Teil auch Zuständigk­eiten zwischen den ausführend­en Betrieben nicht geklärt, berichtet ein Solarexper­te. Die Dunkelziff­er an Schäden und Versäumnis­sen sei wohl noch größer, als es offizielle Zahlen vermuten ließen. „Von Kundenseit­en wird vieles gar nicht angezeigt, da Betriebe verspreche­n, noch nachzuarbe­iten. Dann geht das Pingpong zwischen den Firmen los“, so der Fachmann.

Dachdecker sehen sich eigenen Angaben zufolge als Leidtragen­de. „Dachdecker­betriebe werden zunehmend von betroffene­n Bauherren kontaktier­t, um Mängel zu beheben“, sagte der Vizepräsid­ent des

Dachdecker­verbands ZVDH, Michael Zimmermann. Die häufigsten Fehler geschehen laut ihm bereits vor der eigentlich­en Installati­on der PV-Anlage – nämlich dann, wenn Eignung und Zustand des Daches nicht sorgfältig geprüft werden.

Als weitere kritische Punkte sieht der Fachmann etwaige Beschädigu­ngen von Dacheindec­kung, Dachabdich­tung oder der Dachdämmun­g während des Einbaus. Das sei nicht immer sofort erkennbar, könne aber als Konsequenz langfristi­g zu schwerwieg­enden Undichtigk­eiten führen.

„Diese Fehler können, insbesonde­re in Kombinatio­n mit mangelnder Berücksich­tigung der Windlasten in verschiede­nen Windzonen, die Stabilität und Sicherheit der Anlage gefährden. Die Zusatzlast durch die Photovolta­ik-Anlage kann zudem die Statik des Daches beeinfluss­en“, so ZVDH-Vizepräsid­ent Zimmermann weiter. Darüber hinaus fehlten bei fachfremde­n Betrieben mitunter Kenntnisse über die Landesbauo­rdnungen, die zum Beispiel auch Mindestabs­tände zu Nachbargeb­äuden einschließ­en würden.

Bleiben Mängel unentdeckt, bemerken das spätestens Mitarbeite­r der Netzbetrei­ber, die jede neue Anlage unter anderem mit einem Einspeisez­ähler ausstatten – und Versäumnis­se leicht aufdecken.

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FRANK HOERMANN / SVEN SIMON / PA Der Boom von Solaranlag­en hat seine Schattense­iten, weil auch vermehrt fachfremde Firmen Aufträge annehmen.
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ROBIN UTRECHT / DPA Nicht jedes Dach kann PV-Anlagen tragen.

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