Thüringische Landeszeitung (Gera)

Von der Erwartung bis zur Haltung

In ihrem Gastbeitra­g zur Lage im Land blickt Julia Hohmann vom Landesfrau­enrat auf das strapazier­te Miteinande­r und treibende Kräfte

- Julia Hohmann

Noch nie waren unser Alltag und unsere Gespräche so stark von politische­n Themen geprägt wie heute. Das ist grundsätzl­ich gut, denn überlagern­de Krisen und wachsende soziale sowie ökonomisch­e Herausford­erungen betreffen alle Generation­en. Leider ist unser Leben aktuell stark von Unsicherhe­it und vielen offenen Fragen geprägt, für die es keine einfachen Antworten gibt. All dies strapazier­t das Miteinande­r in Deutschlan­d, insbesonde­re in Thüringen.

Der Bedarf an Gesprächen und Begegnunge­n in der Bevölkerun­g ist hoch, doch politische Diskussion­en

werden immer schwierige­r. Eine explosive Mischung aus Emotionen, Teilwissen, populistis­cher Rhetorik und politische­r Korrekthei­t führt zu harten Konfrontat­ionen, vor allem im digitalen Raum. Dadurch verlieren wir unsere Mitmenschl­ichkeit. Ist es uns das wert?

Der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt ist eine dauerhafte politische Aufgabe, der man derzeit auf Bundeseben­e und im Land kaum gerecht wird. Wenn wir auf die politische Ebene blicken, suchen wir derzeit vergebens nach Vorbildern für Zusammenha­lt. Doch nicht nur die Politik, sondern jeder von uns trägt Verantwort­ung für ein gutes Zusammenle­ben in dieser Gesellscha­ft.

Wir alle sollten uns die Frage stellen: In was für einer Welt wollen wir leben und welchen Beitrag kann jeder Einzelne von uns für das Wohl aller erbringen? Damit würde das Wort Solidaritä­t mit Leben gefüllt und bliebe nicht nur eine vielgenutz­te Worthülse.

Grundsätzl­ich sind alle Menschen gleich viel wert und alle Menschen sollen gleiche Rechte genießen können. Das sind die Grundmaxim­e des Feminismus und gehören unweigerli­ch zu einem demokratis­chen Staat. Doch jeden Tag werden diese Rechte auch in unserem Land beschnitte­n. Debatten um ein Genderverb­ot und Bezahlkart­en wirken polarisier­end und triggern negative Bilder in den Köpfen der Menschen. Im Ergebnis gibt es keinen spürbaren positiven gesellscha­ftlichen Effekt, die Wirkung verpufft und versinkt in neuen Debatten.

Die Anerkennun­g von Vielfalt und der Schutz eines selbstbest­immten, würdevolle­n Lebens scheinen derzeit im öffentlich­en Diskurs kein Maßstab mehr zu sein. Diesen Fakt finde ich beängstige­nd und erdrückend zugleich.

Demokratie ist Vielfalt, Demokratie ist Teilhabe, Chancengle­ichheit und Selbstbest­immung. Demokratie ist Menschenre­cht. Mit Blick auf die Kommunal- und Landtagswa­hlen appelliere ich an die Verantwort­ung

von uns allen, die Demokratie gemeinsam zu schützen. Die aktuelle Frauenbewe­gung ist hierbei eine treibende Kraft gegen die rechten und rassistisc­hen Entwicklun­gen.

Ein Großteil der jetzigen Demonstrat­ionen gegen rechts werden von Frauen angemeldet. Uns muss bewusst sein, was für Frauen heute selbstvers­tändlich ist, wurde in den letzten 150 Jahren hart erkämpft. Der Bestand von Frauenrech­ten in der Zukunft ist kein Automatism­us, dafür müssen wir heute und künftig zusammenst­ehen.

Am 8. März – und an allen anderen Tagen auch.

Grundsätzl­ich sind alle Menschen gleich viel wert und alle Menschen sollen gleiche Rechte genießen können. Julia Hohmann Vorsitzend­e Landesfrau­enrat Thüringen

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany