Thüringische Landeszeitung (Gera)

Neues Café mit Brot aus Gera und orientalis­chen Süßigkeite­n

Wie eine Flüchtling­sfamilie aus Afghanista­n in Gera heimisch wird und ihre Zukunft aufbaut

- Angelika Munteanu

Ein Jahr hat es gedauert, jetzt ist es mit viel Eigeniniti­ative und der Hilfe von Freunden geschafft: Seit wenigen Tagen ist das „City Café“mit Bäckerei in der Richterstr­aße am Rande der Geraer Innenstadt geöffnet.

Inhaber Hashmatull­ah Hakimi und seine Frau Shabana bedienen an der Theke Laufkundsc­haft und Cafégäste. Im Angebot sind frische Backwaren aus der Backstube des Geraer Bäckermeis­ters Michael Möbius und orientalis­che Süßigkeite­n, Baklava in verschiede­nen Variatione­n. Mit dem neuen Geschäft möchte sich das Ehepaar eine familienfr­eundliche Zukunft in Gera aufbauen. Ende 2015 war das Ehepaar mit Sohn Khalid auf der Flucht aus Afghanista­n - Shabana Hakimi war damals hochschwan­ger - nach Gera gekommen. Das jüngste der beiden Kinder, Tochter Mahanaz, kam gleich nach der Ankunft in Gera zur Welt. Zunächst habe er in einem Döner-Imbiss im Ostviertel gearbeitet, aber das sei kein Leben gewesen, erzählt der stolze Café-Betreiber. „Bei 15 Stunden Arbeit am Tag habe ich meine Kinder fast nie gesehen. Sie waren früh in der Schule, und wenn ich abends um zehn nach Hause kam, lagen sie schon im Bett.“In einer Bäckerei in der Nachbarsch­aft habe er gesehen, dass Arbeit auch anders geht, zu Zeiten, die auch Raum für die Familie lassen. So entstand die Idee, in der ehemaligen Kneipe unter der Wohnung in der Richterstr­aße ein Café mit Bäckerei einzuricht­en. Die Kneipe hat er vom Vorbesitze­r gekauft. „Den Dönerladen haben jetzt sein Bruder und ein Kumpel.“

Praktikum beim Bäckermeis­ter

Auf Bäckermeis­ter Möbius als Partner sei er im Internet gestoßen, berichtet Hashmatull­ah Hakimi. Er war auf der Suche nach einem guten Bäcker mit einem breiten Angebot an Backwaren, von Brot über Brötchen bis hin zu Kuchen. „Wir werden dreimal am Tag frisch beliefert“, sagt Hakimi. Deutsche Backwaren waren dem Afghanen vorher fremd. Um zu wissen, was er verkauft, hat er deshalb vor der Geschäftse­röffnung ein Praktikum in der Bäckerei Möbius absolviert. Auch Baklava, Blättertei­g mit Honig und Mandeln, Nüssen oder Pistazien, gehört zum Angebot. Zunächst zur Probe. „Baklava kommt bei den Kunden in Gera gut an“, freut sich Shabana Hakimi. Täglich gehe der Inhalt einer Kiste, 50 bis 60 Stück, über die Ladentheke. Deshalb soll das Angebot noch um weitere orientalis­che Köstlichke­iten und auch herzhafte Snacks zur Mittagszei­t erweitert werden. Für die jungen Afghanen ist die Geschäftse­röffnung zugleich ein Lehrstück in deutscher Bürokratie. Genehmigun­gen, Kontrollen, Brandschut­zauflagen - es gab viel zu tun. „Papierkram und Bürokratie sind in Deutschlan­d Pflicht“, sagt der Mann aus dem Orient und fügt hinzu: „In Afghanista­n hätte ich für das Geld und in dieser Zeit zehn Läden eröffnen können.“Während des Gesprächs mit unserer Redaktion betritt ein Kontrolleu­r

der Gema das Café und will wissen, ob hier Musik gespielt werde. 100 Euro kostet die Gema-Gebühr pro Quartal, erklärt er auf die Frage des Chefs und hinterläss­t seine Visitenkar­te für den Fall, dass Musik läuft. „Ein Kontrolleu­r wird bestimmt wiederkomm­en“, ahnt Hakimi und steckt die Karte ein.

Zugewinn für das Wohnvierte­l

Erfreulich­er ist der nächste Kunde: Sascha Förster, der nur ein paar Häuser weiter in der Richterstr­aße wohnt und Brötchen für seine Grillparty braucht. „Der Laden hier liegt günstig, gleich nebenan, bisher gab es hier im Viertel nichts“, stellt der gelernte Raumaussta­tter fest. Im Gehen streicht er fachmännis­ch über die Wand des Cafés: Gipsorname­nte in elegantem Schwarz-Gold. „Richtig schön geworden“, lobt er. Nachbar Luca Hauschild fühlt sich in dem neuen Café schon heimisch. „Hier komme ich zum Frühstücke­n her“, erzählt er. Und er steht den jungen Cafébetrei­bern immer mit Rat und Tat zur Seite.

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ANGELIKA MUNTEANU Im neuen City Café und Bäckerei in der Richterstr­aße in Gera: der aus Afghanista­n stammende Inhaber Hashmatull­ah Hakimi und seine Ehefrau Shabana.

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