Thüringische Landeszeitung (Gera)
Keine Schlafdörfer am Stadtrand von Gera
Der Ortsteil Cretzschwitz/Söllmnitz will die Kirche zurück ins Dorf holen und für das Kulturhaus die Zukunft sichern
Gera. Seit Monaten ist Cretzschwitz/Söllmnitz thüringen- und bundesweit in den Schlagzeilen. Wegen der umstrittenen geplanten Ansiedlung des Batterierecyclingparks Thüringen der südkoreanischen Investorengemeinschaft von SungEel und Samsung im Gewerbegebiet Cretzschwitz. „Dabei liegt die Ansiedlungsfläche gar nicht in unserem Ortsteil, sondern gehört zu Gera-Hermsdorf“, weiß Ortsteilbürgermeister Peter Zingel.
Vor 30 Jahren Eingemeindung
In den drei Dörfern Cretzschwitz, Söllmnitz und Wernsdorf, die zu dem Geraer Ortsteil gehören, geht es seit jeher ländlich und beschaulich zu. Bis heute, 30 Jahre nach der Eingemeindung in die Stadt Gera am 1. April 1994. „Schlafdörfer sind wir aber nicht“, versichert Zingel. Schon immer gab es in den Orten auch Gewerbe: Landwirtschaft, Industrie und Handwerksbetriebe. Ein neuer soll bald hinzukommen.
Mit dem Kulturhaus im alten Bahnhof von Söllmnitz hat der Ort sogar eine Kneipe. Das Haus, in dem auch der Sportverein und der Heimatverein ihren Sitz haben, ist mit der Geschichte der ehemaligen Gera-Pforten-Wuitz-Mumsdorfer Kleinbahn verbunden, die seit einem halben Jahrhundert stillgelegt ist. Das Kulturhaus liegt Zingel und dem Ortsteilrat am Herzen und - so hofft der Ortsteilbürgermeister auch den neuen Stadträten, die am 26. Mai gewählt werden. Vor zwei, drei Jahren drohte die Schließung wegen maroder Fenster. Mit Landesmitteln konnten sie durch neue ersetzt werden. Mit dem Geld aus der erweiterten Ortspauschale soll das Gebäude Stück für Stück weiter hergerichtet werden. „Wir wollen wieder Veranstaltungen ins Haus holen“, sagt Zingel, der früher selbst in einer Tanzkapelle musiziert hat. Er wünscht sich, dass Vereine das Haus kostenlos für Proben und Übungsstunden nutzen können.
Einwohnerzahl leicht steigend
Der Ortschaftsrat wird sich verjüngen, ist sich Zingel mit Blick auf die Kandidaten schon jetzt sicher. Er selbst will mit 77 Jahren nach zwei Wahlperioden nicht mehr kandidieren und hofft auf einen erfolgreichen Nachfolgekandidaten. Im Ortschaftsrat würde er im Falle seiner Wahl aber weiter mitarbeiten. Der ehemalige Geschäftsführer eines großen Autohauses ist quasi mit der Eingemeindung vor 30 Jahren nach
Söllmnitz gezogen. Für Kommunalpolitik habe er damals berufsbedingt keine Zeit gehabt. Bis dahin hatte er im Plattenbaugebiet Bieblach/Ost gewohnt. Im eingemeindeten Ort gab es die Möglichkeit, ein Haus zu bauen. Mit der Eingemeindung blieb er Einwohner der Stadt Gera. Für Bauwillige gibt es derzeit keinen Platz mehr, die letzten Grundstücke sind vergeben. Dafür hat der Ortsteil an Einwohnern gewonnen. Deren Zahl liegt derzeit bei 690. „Tendenz leicht steigend“, sagt Zingel.
„Cretzschwitz und Söllmnitz wollten vor 30 Jahren in die Stadt Gera eingemeindet werden“, erinnert Peter Zingel. Doch nicht alle Hoffnungen, die die Orte in die kommunale Ehe mit der Stadt Gera gesetzt hatten, haben sich erfüllt. Vor Jahren wollten die Orte deshalb die Stadt Gera wieder verlassen und sich dem Landkreis Greiz anschließen. Doch das Ansinnen der FastAbtrünnigen hatte keine Chance. „Dazu hätte der Geraer Stadtrat zustimmen müssen“, erklärt Zingel. Ein Problem für den Stadtteil ist,
wie überall in Gera, das fehlende Geld der Stadt, um Straßen, Plätze, Wege und die Infrastruktur in Schuss zu halten. „Der Weg zum Kulturhaus muss unbedingt noch vor der Wahl instand gesetzt werden, damit die Bürger ohne Schlaglöcher zum Wahllokal kommen“,
fordert der Ortsteilbürgermeister. Für eine Verbesserung zu kämpfen, wird eine Aufgabe für die nächste Wahlperiode sein. Denn die Ortspauschale, die Cretzschwitz/Söllmnitz aus dem Stadthaushalt erhält, reicht für die Sanierung der Straßen nicht aus. Es gibt keine Schule im
Ortsteil, keinen Jugendclub mehr und auch keinen Kindergarten, obwohl die Kinderzahl einen solchen aus Sicht des Ortsteilbürgermeisters rechtfertigen würde. Immerhin hat der Ortsteilrat erreicht, dass eine stündliche Busverbindung in die Stadt eingerichtet wurde. Auch der Rufbus am Wochenende funktioniere. „Damit sind wir gut angebunden und nicht von der Stadt abgekoppelt.“
Neues Dorfzentrum um die Kirche
Das Leben im Ortsteil ist vor allem durch eine reiche Vereinskultur geprägt. Dazu gehören neben dem Sport und dem noch jungen Kulturund Traditionsverein, einer aktiven Feuerwehr mit großer Jugendgruppe und einem Chor in Gründung auch eine private Interessengemeinschaft, die sich um die Söllmnitzer Kirche kümmert. Das Areal um die Kirche wird wieder zum Dorfmittelpunkt, eine Informationstafel, eine Bücherzelle in der alten Telefonzelle und ein Ratsplatz am Bachlauf sind bereits vorhanden.