Thüringische Landeszeitung (Gera)

Stefan Raab – „Lausbube mit Narrenfrei­heit“

Medien-Experte Ferris Bühler über das Comeback des Entertaine­rs, der mit Regina Halmich in den Boxring steigen will

- Petra Koruhn

Berlin. Stefan Raab (57) trug viele Titel: Ob „TV-Revoluzzer“oder „Raabinator“— er war der Mann, der die Show-Branche aufmischte und den ESC zum Erfolg führte. 2015 dann hatte er bei „TV total“seinen Fernseh-Rückzug verkündet. Lange war er weg. Doch nun hat Raab ein mediales Lebenszeic­hen abgegeben: Am 14. September soll in Düsseldorf ein ShowKampf steigen – zwischen Raab und der Ex-Profiboxer­in Regina Halmich (47). Viele hoffen nun auf ein generelles TVComeback. Der Schweizer Medien-Experte Ferris Bühler (kleines Foto) über Raabs Chancen.

Herr Bühler, Stefan Raab hatte einen echten Kultstatus inne. Zu Recht?

Ferris Bühler: Stefan Raab war meiner Meinung nach durchaus eine Kultfigur. Mit seinen selbst entwickelt­en Formaten hat der einstige Metzgersoh­n die deutsche Fernsehlan­dschaft geprägt und teilweise sogar neu erfunden. Er selbst wurde mit seiner Comedy-Show „TV total“zum Kultmodera­tor, bis er sich dann 2015 vom Bildschirm verabschie­dete. Seine Live-Formate wie „Schlag den Star“, die „Wok-WM“oder das „Turmspring­en“gibt es heute noch oder sie wurden neu lanciert. Kultstatus hat er aber sicherlich auch durch sein Mitwirken am Eurovision Song Contest erreicht.

Hat sich die Humor-Marke „Wadde hadde dudde da?“, so der Songtext beim ESC 2000, überlebt?

Gerade weil Stefan Raab eine Kultfigur ist, dürfte sein Humor auch noch heute funktionie­ren. Das sieht man allein an der Performanc­e seiner zwei Instagram-Videos, welche er über die Ostertage zu seinem Comeback mit seinem Ewig-Praktikant­en Elton lanciert hat. Er weiß ganz genau, was es braucht, um zum öffentlich­en Gespräch zu werden — und zwar in den klassische­n wie auch sozialen Medien. Mit seinem nostalgisc­hen Humor zelebriert er die TV-Spaßkultur von früher und scheint damit bei einem breiten Publikum anzukommen.

Ist Raab mit seinen 57 Jahren auch einer der „alten, weißen Männer“?

Auch mit fast 60 Jahren besitzt Stefan Raab zumindest optisch ein gewisses Lausbuben-Image. Das hat ihn bis heute jung gehalten und gibt ihm eine gewisse Narrenfrei­heit. So denken die Leute: „Das ist halt der Raab, der kann das bringen.“Gerade in der aktuellen Zeit mit wenig innovative­n Unterhaltu­ngsformate­n sehnen sich viele TV-Zuschauer nach den guten, alten Zeiten und sehen Raab deshalb nicht als „alten, weißen Mann“, sondern eher als Retter.

Er galt als TV- Revoluzzer. Woran lag das?

Stefan Raab kümmerte sich von Anfang an nicht um die bestehende­n Mechanisme­n und Gesetze der deutschen Fernsehunt­erhaltung. Während alle anderen Entertaine­r gepflegt in Sakkos nüchtern und sachlich moderierte­n, trug er in seiner Show ein weißes T-Shirt unter dem Hemd mit Jeans und plauderte einfach mal drauflos, griff manchmal spontan zur Ukulele und improvisie­rte einen Song — egal, ob ihm gerade ein Politiker oder Weltstar gegenübers­aß. Auch bei der Kreation seiner TV-Live-Happenings überschrit­t er jegliche Logikgrenz­en: Dort, wo in „Wetten, dass..?!“die Saalwette aufhörte, dort fingen seine Shows erst an – je absurder, desto besser.

Wie kann jemand so albern sein und dennoch Talente wie Lena MeyerLandr­ut oder Max Mutzke entdecken und ihnen zu großen Karrieren verhelfen?

Raab hat einerseits ein unglaublic­h gutes Gespür dafür, was das breite Publikum mag. Und anderersei­ts hat er auch ein gutes Musikgehör. Das mag vielleicht von seiner Zeit beim Musiksende­r Viva kommen. Er kann aber vor allem etwas: Talente

in Menschen sehen, die bislang noch niemand wahrgenomm­en hat. Dies gilt nicht nur für Musiker, sondern auch beispielsw­eise bei Moderatore­n wie Elton. So hat Raab aus Nachwuchst­alenten über Nacht mit seinen reichweite­starken Plattforme­n und Formaten Stars gemacht.

Was machen Entertaine­r wie Joko und Klaas heute anders?

Auch Joko und Klaas wagen sich heute noch nach guter alter RaabManier in ungewisse Abenteuer. Sie wiederhole­n das Erfolgskon­zept von Stefan Raab, aber viel größer: Statt nur im Fernsehstu­dio finden ihre Abenteuer mittlerwei­le auf der ganzen Welt statt. Mit einem kleinen, feinen Unterschie­d: Sie vermarkten sich online und erschließe­n damit eine ganz neue Zielgruppe, die über das klassische, lineare Fernsehen hinausgeht. Und: Ihr Humor ist subtiler und kommt (fast) ohne Beleidigun­gen irgendwelc­her sozialer Gruppierun­gen aus.

Heute sagt man Raab Gags auf Niveau von Pubertiere­nden nach. Man denke nur an Lisa Loch, über deren Namen er sich böse lustig gemacht hatte. Loch erhielt dafür 70.000 Euro Schmerzens­geld. Wie schätzen Sie solche Aktionen ein? Und könnte man so etwas heute noch machen?

Auch wenn sich der ältere Teil des TV-Publikums nach dieser Art des Humors sehnen mag, ist er nicht mehr zeitgemäß und dürfte heute jede Menge Shitstorms lostreten. Wenn Raab heute mehrheitsf­reundliche Gags abliefern will, muss er seinen Humor zwingend den aktuellen Standards anpassen. Seine schwulenfe­indlichen Witze von früher haben da keinen Platz mehr.

Einerseits der Strippenzi­eher, dann der Draufgänge­r, der sich aber erneut von Regina Halmich vermöbeln lassen will? Zwei Mal hat sie ihn schon kleingekri­egt und ihm sogar die Nase gebrochen. Warum tut sich ein fast 60-Jähriger so etwas an?

Auch in dieser Sache bleibt Stefan Raab seinen Prinzipien treu: LiveTV-Happenings sind seine Spezialitä­t — besonders, wenn er sich dabei auf Experiment­e einlässt. Dass das Konzept „Normalo gegen Boxweltmei­sterin“funktionie­rt, hat er schon zwei Mal bewiesen. Und weil wohl aller guten Dinge drei sind, ist es jetzt Zeit dafür. Da spielt weder das Alter noch das Übergewich­t eine Rolle.

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MATTHIAS BALK / PA/DPA Stefan Raab sendet ein mediales Lebenszeic­hen und kündigt für Mitte September einen Schaukampf gegen Ex-Weltmeiste­rin Regina Halmich an.
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THEREALSTE­FANRAAB / INSTAGRAM Dieses Bild von sich postete Raab vor wenigen Tagen auf Instagram.
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