Thüringische Landeszeitung (Gera)
Gera vor München: Mediziner implantieren Mini-EKG - Gerät
Super klein und hochmodern: Wie ein KI-gesteuertes Gerät jüngster Generation Patienten mit Herzproblemen helfen und mitunter lebensrettend sein kann
Gera. 9 Uhr am Dienstagvormittag: Marc-Alexander Ohlow, der leitende Oberarzt der Kardiologie im SRH Wald-Klinikum, setzt einer 84jährigen Patientin erfolgreich einen Ereignisrekorder der jüngsten Generation ein. Dieses Mini-EKG-Gerät arbeitet mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI).
„Wir haben es als Erste geschafft, dieses KI-Gerät zu implantieren. München war drei Stunden später dran, hatte den Eingriff für 12 Uhr geplant“, meint der Geraer Professor kurz danach im Gespräch mit dieser Redaktion erfreut über die gelungene Premiere. Damit sind die Geraer bundesweit Vorreiter. An lediglich vier Zentren in Deutschland - in München, Bremen, Frankfurt/ Main und eben Gera - soll das Gerät mit der neuen KI-Auswertungssoftware in dieser Woche erstmalig eingesetzt und getestet werden.
Der Ereignisrekorder: ein Minigerät mit Hightech
Der Ereignisrekorder findet bequem auf einer Handfläche Platz. Dabei verbirgt sich darin absolute Hightech: Das Gerät funktioniert ähnlich wie ein EKG, zeichnet jedoch die Herzfrequenz nicht nur für eine kurze Zeit, sondern über eine viel längere Dauer auf. Der Hersteller Biotronik garantiert dafür eine Batterie-Haltbarkeit von fünf Jahren. „Das Gerät zeichnet nicht nur die Frequenz auf, sondern schlägt sozusagen als kluges EKG Alarm, sollte die Frequenz zu hoch oder zu niedrig sein. Es schickt dann den dazugehörigen EKG-Ausschnitt telemedisch zu uns. Wir können die Daten auswerten und einer möglichen Herzerkrankung schneller auf die Spur kommen“, erklärt der Professor.
Schon seit 2016 implantiert das Kardiologie-Team des Geraer Klinikums Mini-EKG-Geräte, nun die modernsten von ihnen. Von den Vorteilen dieser KI-basierten Generation ist der Oberarzt absolut überzeugt.
Mitunter kann ein solches Gerät lebensrettend sein. Zum einen für vorrangig jüngere Menschen ohne Vorerkrankungen, die plötzlich einen Schlaganfall erleiden. Auf den ersten Blick gebe es keine Erklärung, doch auf den zweiten sei häufig ein unentdecktes Vorhofflimmern
der Auslöser, welches nun besser entdeckt werden kann.
Zum anderen bietet der Ereignisrekorder wertvolle Hilfe, wenn Patienten aus unklaren Gründen bewusstlos werden, oder wenn nach den Ursachen für Rhythmusstörungen gesucht werden muss.
„Denn taucht der Patient beim Arzt auf, ist das Ereignis meistens schon wieder vorbei. Zeichnet das Gerät jedoch dauerhaft über Jahre auf, bekommen wir eine verlässliche Diagnose“, so Marc-Alexander Ohlow.
Ein gesundheitliches Problem hatte auch Irmgard Zergiebel, die nun als erste Patientin mit dem hochmodernen Mini-EKG versorgt wurde. Es war Ostern. Die 84-Jährige wollte für ihre Urenkel Eier verstecken. Plötzlich kippte sie um, wurde bewusstlos. Zum Glück war die Familie in der Nähe, rief die Rettung. „Das Ruhe-EKG hat nicht klar für einen Herzschrittmacher gesprochen. Diesen wollen wir natürlich auch nicht umsonst implantieren, denn er hat nicht nur Vorteile. Deshalb haben wir nun diesen Zwischenschritt gewählt, können damit Frau Zergiebel über einen längeren Zeitraum überwachen und eine sichere Diagnose stellen“,
beschreibt es der behandelnde Kardiologe. Außerdem hofft er, dass übliche Messfehler-Meldungen - und sei es nur die durch eine schlecht klebende Elektrode - reduziert werden. Rund 150 Mini-EKG-Geräte implantiert die Klinik jährlich. Dementsprechend viele Patienten senden rund um die Uhr ihre Werte in die Kardiologie: bei der dreijährigen Lebensdauer bisheriger Geräte etwa 400 bis 500 Patienten, berichtet der Arzt. „Unser Ziel ist es, dass diese selbstlernende KI diese falschen Alarme hoffentlich um bis zu 90 Prozent reduziert. Das erleichtert uns wesentlich die Arbeit“, so Marc-Alexander Ohlow.
Für das Einsetzen des Gerätes beim Patienten benötige man nur etwa zwei Minuten. „Die Vorbereitung dauert viel länger als der eigentliche Eingriff“, versichert der Kardiologe. Irmgard Zergiebel fühlt sich schon kurze Zeit nach dem kleinen Eingriff fit. „Ruckzuck war das Gerät drin“, staunt die Seniorin. Am Mittwoch konnte sie bereits wieder entlassen werden. „Wenn mit mir gesundheitlich wieder etwas nicht in Ordnung sein sollte, wird die Ursache hoffentlich schnell erkannt“, wünscht sie sich.
„Unser Ziel ist es, dass diese selbstlernende KI die falschen Alarme um bis zu 90 Prozent reduziert. Das erleichtert uns wesentlich die Arbeit.“Marc-Alexander Ohlow Leitender Oberarzt der Kardiologie