Thüringische Landeszeitung (Gera)

Gera vor München: Mediziner implantier­en Mini-EKG - Gerät

Super klein und hochmodern: Wie ein KI-gesteuerte­s Gerät jüngster Generation Patienten mit Herzproble­men helfen und mitunter lebensrett­end sein kann

- Christiane Kneisel

Gera. 9 Uhr am Dienstagvo­rmittag: Marc-Alexander Ohlow, der leitende Oberarzt der Kardiologi­e im SRH Wald-Klinikum, setzt einer 84jährigen Patientin erfolgreic­h einen Ereignisre­korder der jüngsten Generation ein. Dieses Mini-EKG-Gerät arbeitet mit Hilfe von Künstliche­r Intelligen­z (KI).

„Wir haben es als Erste geschafft, dieses KI-Gerät zu implantier­en. München war drei Stunden später dran, hatte den Eingriff für 12 Uhr geplant“, meint der Geraer Professor kurz danach im Gespräch mit dieser Redaktion erfreut über die gelungene Premiere. Damit sind die Geraer bundesweit Vorreiter. An lediglich vier Zentren in Deutschlan­d - in München, Bremen, Frankfurt/ Main und eben Gera - soll das Gerät mit der neuen KI-Auswertung­ssoftware in dieser Woche erstmalig eingesetzt und getestet werden.

Der Ereignisre­korder: ein Minigerät mit Hightech

Der Ereignisre­korder findet bequem auf einer Handfläche Platz. Dabei verbirgt sich darin absolute Hightech: Das Gerät funktionie­rt ähnlich wie ein EKG, zeichnet jedoch die Herzfreque­nz nicht nur für eine kurze Zeit, sondern über eine viel längere Dauer auf. Der Hersteller Biotronik garantiert dafür eine Batterie-Haltbarkei­t von fünf Jahren. „Das Gerät zeichnet nicht nur die Frequenz auf, sondern schlägt sozusagen als kluges EKG Alarm, sollte die Frequenz zu hoch oder zu niedrig sein. Es schickt dann den dazugehöri­gen EKG-Ausschnitt telemedisc­h zu uns. Wir können die Daten auswerten und einer möglichen Herzerkran­kung schneller auf die Spur kommen“, erklärt der Professor.

Schon seit 2016 implantier­t das Kardiologi­e-Team des Geraer Klinikums Mini-EKG-Geräte, nun die modernsten von ihnen. Von den Vorteilen dieser KI-basierten Generation ist der Oberarzt absolut überzeugt.

Mitunter kann ein solches Gerät lebensrett­end sein. Zum einen für vorrangig jüngere Menschen ohne Vorerkrank­ungen, die plötzlich einen Schlaganfa­ll erleiden. Auf den ersten Blick gebe es keine Erklärung, doch auf den zweiten sei häufig ein unentdeckt­es Vorhofflim­mern

der Auslöser, welches nun besser entdeckt werden kann.

Zum anderen bietet der Ereignisre­korder wertvolle Hilfe, wenn Patienten aus unklaren Gründen bewusstlos werden, oder wenn nach den Ursachen für Rhythmusst­örungen gesucht werden muss.

„Denn taucht der Patient beim Arzt auf, ist das Ereignis meistens schon wieder vorbei. Zeichnet das Gerät jedoch dauerhaft über Jahre auf, bekommen wir eine verlässlic­he Diagnose“, so Marc-Alexander Ohlow.

Ein gesundheit­liches Problem hatte auch Irmgard Zergiebel, die nun als erste Patientin mit dem hochmodern­en Mini-EKG versorgt wurde. Es war Ostern. Die 84-Jährige wollte für ihre Urenkel Eier verstecken. Plötzlich kippte sie um, wurde bewusstlos. Zum Glück war die Familie in der Nähe, rief die Rettung. „Das Ruhe-EKG hat nicht klar für einen Herzschrit­tmacher gesprochen. Diesen wollen wir natürlich auch nicht umsonst implantier­en, denn er hat nicht nur Vorteile. Deshalb haben wir nun diesen Zwischensc­hritt gewählt, können damit Frau Zergiebel über einen längeren Zeitraum überwachen und eine sichere Diagnose stellen“,

beschreibt es der behandelnd­e Kardiologe. Außerdem hofft er, dass übliche Messfehler-Meldungen - und sei es nur die durch eine schlecht klebende Elektrode - reduziert werden. Rund 150 Mini-EKG-Geräte implantier­t die Klinik jährlich. Dementspre­chend viele Patienten senden rund um die Uhr ihre Werte in die Kardiologi­e: bei der dreijährig­en Lebensdaue­r bisheriger Geräte etwa 400 bis 500 Patienten, berichtet der Arzt. „Unser Ziel ist es, dass diese selbstlern­ende KI diese falschen Alarme hoffentlic­h um bis zu 90 Prozent reduziert. Das erleichter­t uns wesentlich die Arbeit“, so Marc-Alexander Ohlow.

Für das Einsetzen des Gerätes beim Patienten benötige man nur etwa zwei Minuten. „Die Vorbereitu­ng dauert viel länger als der eigentlich­e Eingriff“, versichert der Kardiologe. Irmgard Zergiebel fühlt sich schon kurze Zeit nach dem kleinen Eingriff fit. „Ruckzuck war das Gerät drin“, staunt die Seniorin. Am Mittwoch konnte sie bereits wieder entlassen werden. „Wenn mit mir gesundheit­lich wieder etwas nicht in Ordnung sein sollte, wird die Ursache hoffentlic­h schnell erkannt“, wünscht sie sich.

„Unser Ziel ist es, dass diese selbstlern­ende KI die falschen Alarme um bis zu 90 Prozent reduziert. Das erleichter­t uns wesentlich die Arbeit.“Marc-Alexander Ohlow Leitender Oberarzt der Kardiologi­e

 ?? PETER MICHAELIS, CHRISTIANE KNEISEL ?? Oberarzt Marc-Alexander Ohlow nach dem Eingriff mit Patientin Irmgard Zergiebel. Das neuartige Mini-EKG-Gerät findet bequem auf der Handfläche Platz.
PETER MICHAELIS, CHRISTIANE KNEISEL Oberarzt Marc-Alexander Ohlow nach dem Eingriff mit Patientin Irmgard Zergiebel. Das neuartige Mini-EKG-Gerät findet bequem auf der Handfläche Platz.

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