Thüringische Landeszeitung (Gera)

Hopfe gegen Raffke: Bürgermeis­ter bringt Schärfe in den Wahlkampf

Der scheidende Weidaer Rathausche­f wirft einem Kandidaten Unehrlichk­eit vor

- Marcel Hilbert

Weida. Diese Breitseite kam überrasche­nd nach der sachlichen Diskussion­srunde der drei Weidaer Bürgermeis­terkandida­ten vorige Woche. Auch kam sie aus unerwartet­er Richtung – und hat ein Nachspiel.

Heinz Hopfe (FWG), Bürgermeis­ter der Osterburgs­tadt, tritt zur Wahl am 26. Mai altersbedi­ngt nicht wieder an und war in der Stadtratss­itzung am Donnerstag gerade am Ende seiner Sechs-JahresBila­nz angelangt, als er noch die Kandidaten­runde ansprach. Er sei für ihn unverständ­lich, dass nicht alle Bewerber bei ihrer Vorstellun­g die Wahrheit sagten. Ein Kandidat habe sich als Unternehme­r, noch dazu erfolgreic­h, dargestell­t, obwohl dieser nach einer Insolvenz gar nicht mehr selbststän­dig sei. Einen solchen Kandidaten kann er nicht unterstütz­en, so Hopfe.

Kommunalau­fsicht reagiert umgehend

Auch wenn der Bürgermeis­ter keinen Namen nannte, war der Adressat klar. Und dem bisweilen impulsiven CDU-Stadtrat und Bürgermeis­terkandida­ten Gunnar Raffke war anzusehen, dass er innerlich brodelte. Äußerlich blieb er ruhig, auch, weil er eine solche Attacke irgendwann erwartete, wie er nach der Sitzung sagte. In der Sitzung sprang ihm aus dem Publikum der Weidaer Unternehme­r Torsten Schwengber zur Seite, der für die CDU für den neuen Stadtrat kandidiert. Es sei „unverschäm­t“und für ihn „juristisch arg bedenklich“, dass sich ein zur Neutralitä­t verpflicht­etes Stadtoberh­aupt so in den Wahlkampf einmischt. Auch Konrad Zorn, Steinsdorf­er Ortsteilbü­rgermeiste­r und Stadtrat der „Wählergeme­inschaft Weidaer Umland“, kritisiert­e Hopfe auf seine ihm eigene Art: Mit einem höhnischen „Bravo!“nach Hopfes Rede und damit, dass er am Ende der letzten Sitzung der Legislatur als einziges Ratsmitgli­ed das Blumenpräs­ent des Bürgermeis­ters für alle Stadträte ablehnte.

Gunnar Raffke nahm trotz des „Vorspiels“diesen Blumengruß mit einem angestreng­ten Lächeln entgegen – eine surreale Szene. Dass er das Ganze nicht auf sich sitzen lassen wird, erklärte er am Morgen danach. Er habe mit einigen empörten Unterstütz­ern geredet und spricht von „Amtsmissbr­auch“. Raffke

wollte noch am Freitag die Kommunalau­fsicht des Landkreise­s Greiz einschalte­n. Und die reagierte prompt. In einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, wird das die Aussage Hopfes gerügt. Er wird ermahnt, sich bis zum Ende der Kommunalwa­hl 2024 in amtlicher Funktion nicht mehr parteiergr­eifend zugunsten oder zulasten eines Kandidaten zu äußern. Verstöße gegen die Neutralitä­tspflicht könnten dazu führen, dass die Wahl im Zuge einer Anfechtung für ungültig erklärt werden könnte. Für die daraus entstehend­en Kosten könnte Hopfe persönlich haftbar gemacht werden, heißt es im Schreiben der Kommunalau­fsicht, dass bis Montag allen Stadtratsm­itgliedern zuzuleiten sei. Laut Kommunalau­fsicht handelte es sich um eine amtliche Äußerung, die im Teil „Bericht des Bürgermeis­ters“erfolgte und auch nicht als Privatmein­ung klargestel­lt wurde.

Raffke spricht über Insolvenz – allerdings nicht in der Runde

Etwas Ehrenrühri­ges sei eine Insolvenz nicht, sagt Gunnar Raffke. Angesproch­en hat er sie in der Diskussion­srunde trotzdem nicht. Dort sagte er, dass er die 1995 von ihm gegründete­n Druckerei Raffke in Weida nach der Investitio­n im Aumatalweg

2003 dort weiterführ­te, „erfolgreic­h bis heute“– nachzuhöre­n im Videomitsc­hnitt bei Youtube.

Rein rechtlich, betont er im Gespräch mit unserer Zeitung, sei er nach wie vor Inhaber der Druckerei Raffke, auch wenn es die Insolvenz gab und auch wenn er das Gewerbe zwischenze­itlich ab- und seine Frau es angemeldet habe. Auch in der Praxis führe der gelernte Drucker das Unternehme­n zusammen mit seiner Frau.

Zu Beginn der Corona-Zeit sei auch bei ihm ein Auftragsrü­ckgang eingetrete­n, sodass er mit einem Kreditinst­itut die Aussetzung von Darlehensr­aten verhandelt habe. Weil er in einer chaotische­n Zeit die Abgabefris­t für Unterlagen aber um ein paar Tage überzogen habe, platzte die Absprache und der Kredit wurde fällig, sagt er. Er habe in der Folge den Rat bekommen, Insolvenza­ntrag zu stellen. Die Firma lief trotzdem wirtschaft­lich weiter. Da ein anderer Kredit bei einem weiteren Geldhaus mit privater Unterstütz­ung eines Freundes bedient werden konnte und vor Gericht die andere Bank keine Forderung mehr erhoben hätte, war laut Raffke das Insolvenzv­erfahren ein Dreivierte­ljahr nach Eröffnung erledigt.

Er habe Maschinen und Immobilien

wieder übernehmen dürfen, sie befinden sich nach wie vor in seinem Eigentum, weshalb er weiter Inhaber der Druckerei sei, die nach seinen Aussagen weiter gut laufe. Sein Gewerbe habe er dennoch damals abgemeldet und seine Frau habe es angemeldet, aus versicheru­ngstechnis­chen Gründen und wegen des „Makels der Insolvenz“, der eine künftige Kreditaufn­ahme erschweren könne.

Scheidende­r Bürgermeis­ter ist mit sich im Reinen

Heinz Hopfe betont auf Nachfrage, dass er sowohl den Rahmen für seine Kritik als auch seine Worte sehr wohl überlegt habe und im Rückblick auf seine Amtszeit eben auch die Kandidaten­runde zusammenfa­sste. Die sei gut gewesen, hatte aber den angesproch­enen Makel, dass für ihn ein Kandidat für einen solchen hohen Posten offen, ehrlich und wahrheitsl­iebend sein und auch Misserfolg­e ansprechen können muss. „Ich habe mich immer zurückgeha­lten, auch wenn ich von anderen Seiten teils scharf und primitiv angegangen wurde.“Hier aber habe er seine Meinung über seinen Anspruch an einen Kandidaten für das Bürgermeis­teramt ausdrücken müssen.

 ?? MARCEL HILBERT ?? Skurriles Ende einer denkwürdig­en Stadtratss­itzung: Bürgermeis­ter Heinz Hopfe übergibt allen Stadtratsm­itgliedern ein Dankeschön für die Zusammenar­beit – auch Gunnar Raffke (rechts)
MARCEL HILBERT Skurriles Ende einer denkwürdig­en Stadtratss­itzung: Bürgermeis­ter Heinz Hopfe übergibt allen Stadtratsm­itgliedern ein Dankeschön für die Zusammenar­beit – auch Gunnar Raffke (rechts)

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