Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Total verliebt“in Raritäten aus Gera- Söllmnitz
Warum es zum Samstag viele Nachbarn in die kleine Ortschaft im Norden von Gera zog
Die Raritäten sind schnell weg am Samstagvormittag in Söllmnitz. In der Ortschaft im Geraer Norden wird der inzwischen traditionelle Hofflohmarkt abgehalten. Was beim Frühjahrsputz in Höfen und Scheunen übrig bleibt, steht zum Verkauf. Von der Aussteuer der Großmutter über noch funktionstüchtige Tontechnik aus der DDRZeit bis hin zu Kleidung, aus der die Besitzer irgendwann herausgewachsen sind.
Alte Haushaltsgeräte werden zu Dekoartikeln
Sogar der Sensenmann geht um zum Hofflohmarkt in Söllmnitz. Der Schwiegervater wisse noch, wie man mit einer Sense umgeht, das wolle er sich zeigen lassen, sagt der Käufer. Einst habe die Sense auf jedem Hof im Dorf geklappert. Die Dorfbewohnerinnen Manuela Sieler und Kathrin Stupka schleppen ein Waschtisch-Set aus Porzellan aus Urgroßmutters Zeiten davon. „Das soll bepflanzt werden mit Blumen und Kräutern - zu Dekorationszwecken“, verraten die Frauen. Eine riesige gusseiserne Bratpfanne ist Hühnern vorbehalten den Selbstgetöpferten aus Ton.
Gelegenheit für gemütliches Treffen
„Ich war schon einmal hier zum Hofflohmarkt und hab mich total verliebt in das Ereignis. Es ist schön, von Hof zu Hof durch das Dorf zu spazieren“, sagt die Mutter von Monika Seiß. Die beiden Frauen sind extra vom anderen Ende der Stadt aus Scheubengrobsdorf am Samstagvormittag nach Söllmnitz gefahren. Vor allem Kinderbücher und Spielzeug für die Kleinsten der Familie tragen sie davon.
Angelika Möller aus Baden-Württemberg ist bei einer Freundin zu
Besuch. Gemeinsam mit Heike Faust, Sabine Tittelbach und Ines Hanft hat sie es sich vor einem Wohnhaus gemütlich gemacht. Ein Sektchen ist dabei, wenn Tücher vom Wäscheständer, feinste Lederschuhe älterer Machart und nicht mehr getragener Schmuck aus der Schatulle auf Interessierte warten. „Wir wollen damit nicht reich werden, nur überleben“, sagen die Frauen lachend. Unterdessen kommt eine Familie aus Kleinpörthen in Sachsen-Anhalt vorbei. „Wir wohnen gerade mal zwei Dörfer weiter, da muss man schon mal schauen, was es hier gibt, und sich die Taschen vollstopfen“, sagen die Eltern. Für die Kinder Lucy und Luise waren auf jeden Fall große Malbücher drin.
Das „Melodikon“spielt sogar noch Lieder
Auf dem Dorfplatz halten die Bewohner des Ortes ebenso nicht mehr genutztes Hab und Gut feil wie auch am Anger. „Was ewig hält, bringt kein Geld“, stellt Carmen Kertscher fest. Auf den Tischen liegen Teile aus der unverwüstlichen Aussteuer der Großmutter. Eine kleine Musiktruhe „Melodikon“kann noch Lieder spielen. Medaillen, Werkzeuge und sogar ein Foto der einstigen DDR-Fußballnationalmannschaft sind zu finden.
Kerstin und Frank Heischmann tragen eine alte Zinkbadewanne davon: „Die stellen wir in den Garten und setzen Seerosen hinein.“Das Paar trägt Shirts und Jacken mit dem Emblem des einstigen Söllmnitzer Karnevalvereins „Sellm‘s su blau“.
Die Karnevalisten hatten den Hofflohmarkt im Dorf vor ein paar Jahren aus der Taufe gehoben und organisiert, bis kein Fasching mehr in Söllmnitz gefeiert wurde. Die Nachfolge - auch als Organisator hat der Heimatverein angetreten.