Thüringische Landeszeitung (Gera)
Kann die AfD jetzt verboten werden?
Verfassungsschutz darf Partei nun offiziell als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachten. Die Einstufung hat Folgen
Auf dieses Urteil aus Münster hat der Verfassungsschutz gewartet: Der Inlandsgeheimdienst darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen. Damit könnte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bald schärfere Schritte gegen die Partei einleiten und die AfD möglicherweise als gesichert extremistische Bestrebung einordnen.
Worum ging es vor Gericht?
Der Verfassungsschutz hatte die AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Dagegen wehrte sich die Partei. Das Verwaltungsgericht Köln wies eine Klage der AfD dagegen 2022 ab. Seitdem hat sich die Partei Beobachtern zufolge noch einmal deutlich radikalisiert. Es gebe ausreichend Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD, hieß es vor zwei Jahren bereits in Köln vor Gericht zur Begründung. Die AfD trug den Rechtsstreit vor das Oberverwaltungsgericht Münster. Die Richter dort gaben dem Verfassungsschutz nun abermals recht. Auch die Beobachtung
des sogenannten Flügels als zunächst Verdachtsfall und dann erwiesen extremistische Bewegung ist laut Urteil rechtmäßig.
Es lägen „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Was bedeutet das für den Umgang des Verfassungsschutzes mit der AfD?
Zumindest erst einmal ändert sich nichts. Bereits seit dem Kölner Urteil dürfen die Verfassungsschützer die AfD und ihre Protagonisten mit den Mitteln eines Geheimdienstes ins Visier nehmen: Der Verfassungsschutz darf also AfD-Vertreter observieren oder als V-Leute anwerben, um Beweise für eine extremistische Ausrichtung zu sammeln. Außerdem darf das Bundesamt unter strengen Vorgaben Telefonate überwachen oder E-Mails lesen. Dafür muss es allerdings Anhaltspunkte für schwerwiegende Straftaten wie Hochverrat oder die Bildung einer terroristischen Vereinigung geben.
Welche Schritte plant der Verfassungsschutz?
Der Verfassungsschutz wird das schriftliche Urteil abwarten, das dürfte in einigen Wochen vorliegen. Erwartet wird, dass die Behörde von Thomas Haldenwang in absehbarer Zeit ein neues Gutachten zur Einschätzung der Partei vorlegt. Aufgrund öffentlicher Äußerungen von Haldenwang muss die AfD damit rechnen, vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft zu werden. Diese Einstufung würde die AfD der gefährlichsten Kategorie der verfassungsfeindlichen Bestrebungen zuordnen. Die zur Beobachtung der Partei bereits erlaubten Mittel ändern sich durch eine höhere Einstufung zwar nicht, die Hürden für ihren Einsatz werden aber gesenkt.
Auch für Parteimitglieder, die im öffentlichen Dienst tätig sind, könnte eine solche Einstufung Folgen haben. Wer sich eine rechtsextreme Gesinnung vorwerfen lassen muss, weil er sich etwa aktiv bei einer gesichert rechtsextremen Partei engagiert, könnte als ungeeignet für den Dienst eingeschätzt werden. Seit April gilt zudem ein neues Gesetz, welches es vereinfacht, Bundesbeamte
zu entlassen, die verfassungsfeindlichen Organisationen angehören.
Was heißt das für die Parteienfinanzierung und ein mögliches Verbotsverfahren?
Zu Jahresbeginn urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die rechtsextreme Partei Die Heimat (ehemals NPD) für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann. Danach forderte etwa Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD), Konsequenzen für die AfD zu prüfen. Die Parteienfinanzierung brachte der AfD 2022 fast 10,5 Millionen Euro ein. Ein Ausschluss ist nur möglich, wenn die Partei tatsächlich verfassungsfeindlich ist.
Diskutiert wird zudem ein Verbotsverfahren, das der Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung beantragen kann. Bisher will keines der Verfassungsorgane diesen Schritt gehen. Möglicherweise wäre eine Einstufung als gesichert rechtsextrem der entscheidende Anstoß für ein solches Verfahren.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) sieht das Urteil nicht als Vorbote eines Verbotsverfahrens. „Ein solches sollte man nur anstrengen, wenn man sich sehr sicher sein kann, dass es auch erfolgreich wäre“, sagte Buschmann unserer Redaktion. Dennoch zeige das Urteil, dass der Rechtsstaat über die Mittel verfüge, sich gegen Parteien zu wehren, die die Verfassung mindestens in Teilen ablehnen.
Was sind die politischen Folgen für die AfD?
Theoretisch könnte eine neue Einstufung durch den Verfassungsschutz abschreckend auf Wähler wirken. „Durch eine Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem wird es vermutlich keine Veränderung im Wählerverhalten geben“, analysiert Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel. „Es mag zwar Menschen geben, die sich davon abschrecken lassen. Es gibt aber auch solche, die das als Adelung verstehen.“
Kann sich die AfD noch gegen das Urteil wehren?
Der juristische Weg ist noch nicht zu Ende. Aber: Das Oberverwaltungsgericht ist die letzte Tatsacheninstanz. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als mögliche letzte Instanz nimmt nur noch eine reine Rechtskontrolle vor.