Thüringische Landeszeitung (Gera)

Die den legendären RG 28-Mixer retten

Der Verein „Bürgernetz Gera“bietet einen besonderen Werkstatt-Service an - nicht nur für Küchenklas­siker

- Christiane Kneisel Übrigens, der Verein Bürgernetz GeraGreiz sucht noch ehrenamtli­che Reparateur­e: vorstand@buergernet­z-geragreiz.de

Gera. Die Stuhlreihe­n sind gut besetzt. Bis zur Nummer 13 sind an diesem Freitagnac­hmittag bereits Handkarten ausgegeben. Geduldig wartet jeder Besucher, bis seine Nummer aufgerufen wird und er die mitgebrach­te Technik begutachte­n lassen kann. Mit etwas Glück wird der persönlich­e kleine „Schatz“sofort repariert. Noch dazu kostenlos. Willkommen im „Reparatur-Café“in der Stadt- und Regionalbi­bliothek Gera.

Ehrenamtli­che Mitglieder des Vereins „Bürgernetz Gera-Greiz“, allesamt technisch versierte Praktiker, nehmen vor Ort Kleinstrep­araturen vor, wenn es möglich ist.

Zum Wegwerfen zu schade

Hubertus Schulz hat ein Stereo-Radio mit Verstärker von RFT aus den 1980er Jahren mitgebrach­t. „Das Gerät habe ich von meiner Nachbarin sozusagen geerbt. Bei ihrer Wohnungsau­fgabe wollte sie es wegschmeiß­en. Aber es hat einen guten Klang und ist viel zu schade zum Wegwerfen. Allerdings ist die Tastatur defekt“, erzählt der 81-Jährige. Er sei generell kein „Wegschmeiß­er“, erklärt der Geraer. Das Repair-Café besucht er das erste Mal. „Aber ich finde es sehr gut, denn es muss nicht immer alles weggeworfe­n und neu gekauft werden.“

Mit einem Festnetz-Telefon ist Michael Liebscher gekommen. „Es ist relativ neu, hat aber im Garten etwas Regen abbekommen. Das war wohl zu viel“, berichtet er. Nun ist er gespannt, ob die Kenner aus dem Verein es wieder in Gang bekommen. Etliche kleine Dinge des Haushalts hat der Geraer schon reparieren lassen, wenn auch noch nicht im besagten Café, sondern von seinem Vater. „Beispielsw­eise ein defektes Kabel mit Stecker. Ich könnte das auch, aber wenn es der Opa in der Familie macht, ist das schöner“, meint er schmunzeln­d.

Ein transporta­bles Cerankochf­eld soll bei einer 63-jährigen Geraerin ein zweites Leben im Garten erhalten. „Das bekam ich geschenkt, aber gleich mit der Informatio­n, dass eines der beiden Felder nicht mehr funktionie­rt. Nun hoffe ich, dass die Aktiven vom Verein erfolgreic­h sind“, sagt die Besucherin und

gesteht, dass sie sich ungern von alten Dingen trennt. „Es ist immer schön, wenn man etwas Nützliches weitergebe­n kann und jemand freut sich darüber.“Ein wenig muss sie sich noch gedulden, bevor sie weiß, ob die Tüftler helfen können.

Während Georg Achsel alle Reparaturw­ünsche aufnimmt, begutachte­t Ralf Bernegger im Nebenraum bereits Dinge. Vieles baut er sofort, schraubt, klemmt, probiert... „Kleinigkei­ten reparieren wir gleich an Ort und Stelle. Sollten Ersatzteil­e nötig sein, nehmen wir das Gerät zum Reparieren mit.“

DDR-Mixer oft im Repertoire

Bei den meisten defekten Dingen haben die ehrenamtli­chen Tüftler des Vereins Erfolg. „Zu 80 Prozent bekommen wir es hin“, versichert Ralf Bernegger, gelernter Elektriker mit Meisterbri­ef. Gerade hat er einen Allesschne­ider wieder zum Laufen gebracht. Der Taster funktionie­rt zumindest in einer Stellung. Für die kurze Tipp-Funktion müssten erst Ersatzteil­e her. Der TechnikEig­entümer ist mit dem ReparaturE­rgebnis

jedoch zufrieden. „Das passt so“, meint er, froh über die schnelle Hilfe.

„Wir haben beispielsw­eise schon mehrere RG28, diese legendären Mixer aus DDR-Zeiten, repariert. Viele Besitzer hängen an diesem Gerät“, erzählt Ralf Bernegger. Das sei nicht nur der Nostalgie geschuldet, ist er überzeugt. „Im Vergleich zu vielen anderen Geräten heutzutage ist der RG28 fast unverwüstl­ich“, meint er. Zumeist seien es dann auch nur Kleinigkei­ten, weshalb er nicht mehr mixt. „Mal ist er verdreckt, mal ist ein Draht abgerissen oder es zeigt sich ein anderer normaler Verschleiß. Das älteste RG28, welches ich bisher repariert habe, war aus dem Jahr 1977“, berichtet der Elektriker und gesteht lachend: „Ich habe selbst noch zwei davon privat in Betrieb.“

Beim Thema RG28 muss auch Matthias Drobny, Schatzmeis­ter vom „Bürgernetz Gera“, schmunzeln. „Als quasi letzte Wende-Generation kannte ich die Dinger noch, wusste aber nicht, dass sie 40 oder 50 Jahre halten. Es ist das eine Gerät,

das immer wieder kommt“, amüsiert sich Drobny, Jahrgang 1980. Es habe bisher wirklich keins gegeben, das sich nicht hätte wieder reparieren lassen. Der Motor sei noch nie kaputt gewesen. Dafür käme manches Verschleiß­teil mittlerwei­le aus dem 3-D-Drucker.

Mitmach-Werkstatt als Grundidee

Der öffentlich­e Reparatur-Service spreche sich mehr und mehr herum, freut sich . Im November 2023 hatte der Verein für dieses spezielle Angebot sozusagen einen Testballon gestartet. Mittlerwei­le öffneten die Ehrenamtle­r das „Reparatur-Café“mehrmals - mit stets steigendem Zulauf. Seit den ersten Terminen wurden mehr als 100 Geräte repariert, hauptsächl­ich Kaffeemasc­hinen, RG28 und sonstige Haushaltsg­eräte. Mal seien drei, mal fünf Bastler dabei, erzählt Drobny. Interessie­rte müssten notfalls beim Vor-Ort-Service etwas warten. „Aber die meisten haben dafür Verständni­s. Ihnen ist klar, dass sie hier auf Ehrenamtle­r treffen.“Der Verein ist dankbar, in der Stadt- und Regionalbi­bliothek

Gera einen guten Kooperatio­nspartner für das „Repair-Café“gefunden zu haben. Anfänglich wurden die vereinseig­enen Räume für das Angebot genutzt, reichten aber längst nicht aus. Zumal alle, die kaputte Technik vorbeibrin­gen, zum Mitreparie­ren angeregt werden. Dies sei die Grundidee des Vereins.

„Wir sind keine Vertragswe­rkstatt und keine Leistungsg­eber. Wir sind eine Mitmach-Werkstatt, bestehen nur aus Ehrenamtle­rn und möchten mit unserem Angebot den Leuten vor allem die Scheu nehmen und zeigen, dass Technik kein Hexenwerk ist“, so Matthias Drobny. Vielleicht motiviere manchen zusätzlich der Thüringer Reparaturb­onus, der gerade in die vierte Runde gegangen ist. Dabei sind bis zu 100 Euro drin sind. Seit 15. Mai können dafür wieder Anträge gestellt werden.

 ?? PETER MICHAELIS ?? Hubertus Schulz hat einen geerbten 4-Band-Stereo-Receiver von RFT aus den 1980er Jahren dabei.
PETER MICHAELIS Hubertus Schulz hat einen geerbten 4-Band-Stereo-Receiver von RFT aus den 1980er Jahren dabei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany