Thüringische Landeszeitung (Gera)
Die den legendären RG 28-Mixer retten
Der Verein „Bürgernetz Gera“bietet einen besonderen Werkstatt-Service an - nicht nur für Küchenklassiker
Gera. Die Stuhlreihen sind gut besetzt. Bis zur Nummer 13 sind an diesem Freitagnachmittag bereits Handkarten ausgegeben. Geduldig wartet jeder Besucher, bis seine Nummer aufgerufen wird und er die mitgebrachte Technik begutachten lassen kann. Mit etwas Glück wird der persönliche kleine „Schatz“sofort repariert. Noch dazu kostenlos. Willkommen im „Reparatur-Café“in der Stadt- und Regionalbibliothek Gera.
Ehrenamtliche Mitglieder des Vereins „Bürgernetz Gera-Greiz“, allesamt technisch versierte Praktiker, nehmen vor Ort Kleinstreparaturen vor, wenn es möglich ist.
Zum Wegwerfen zu schade
Hubertus Schulz hat ein Stereo-Radio mit Verstärker von RFT aus den 1980er Jahren mitgebracht. „Das Gerät habe ich von meiner Nachbarin sozusagen geerbt. Bei ihrer Wohnungsaufgabe wollte sie es wegschmeißen. Aber es hat einen guten Klang und ist viel zu schade zum Wegwerfen. Allerdings ist die Tastatur defekt“, erzählt der 81-Jährige. Er sei generell kein „Wegschmeißer“, erklärt der Geraer. Das Repair-Café besucht er das erste Mal. „Aber ich finde es sehr gut, denn es muss nicht immer alles weggeworfen und neu gekauft werden.“
Mit einem Festnetz-Telefon ist Michael Liebscher gekommen. „Es ist relativ neu, hat aber im Garten etwas Regen abbekommen. Das war wohl zu viel“, berichtet er. Nun ist er gespannt, ob die Kenner aus dem Verein es wieder in Gang bekommen. Etliche kleine Dinge des Haushalts hat der Geraer schon reparieren lassen, wenn auch noch nicht im besagten Café, sondern von seinem Vater. „Beispielsweise ein defektes Kabel mit Stecker. Ich könnte das auch, aber wenn es der Opa in der Familie macht, ist das schöner“, meint er schmunzelnd.
Ein transportables Cerankochfeld soll bei einer 63-jährigen Geraerin ein zweites Leben im Garten erhalten. „Das bekam ich geschenkt, aber gleich mit der Information, dass eines der beiden Felder nicht mehr funktioniert. Nun hoffe ich, dass die Aktiven vom Verein erfolgreich sind“, sagt die Besucherin und
gesteht, dass sie sich ungern von alten Dingen trennt. „Es ist immer schön, wenn man etwas Nützliches weitergeben kann und jemand freut sich darüber.“Ein wenig muss sie sich noch gedulden, bevor sie weiß, ob die Tüftler helfen können.
Während Georg Achsel alle Reparaturwünsche aufnimmt, begutachtet Ralf Bernegger im Nebenraum bereits Dinge. Vieles baut er sofort, schraubt, klemmt, probiert... „Kleinigkeiten reparieren wir gleich an Ort und Stelle. Sollten Ersatzteile nötig sein, nehmen wir das Gerät zum Reparieren mit.“
DDR-Mixer oft im Repertoire
Bei den meisten defekten Dingen haben die ehrenamtlichen Tüftler des Vereins Erfolg. „Zu 80 Prozent bekommen wir es hin“, versichert Ralf Bernegger, gelernter Elektriker mit Meisterbrief. Gerade hat er einen Allesschneider wieder zum Laufen gebracht. Der Taster funktioniert zumindest in einer Stellung. Für die kurze Tipp-Funktion müssten erst Ersatzteile her. Der TechnikEigentümer ist mit dem ReparaturErgebnis
jedoch zufrieden. „Das passt so“, meint er, froh über die schnelle Hilfe.
„Wir haben beispielsweise schon mehrere RG28, diese legendären Mixer aus DDR-Zeiten, repariert. Viele Besitzer hängen an diesem Gerät“, erzählt Ralf Bernegger. Das sei nicht nur der Nostalgie geschuldet, ist er überzeugt. „Im Vergleich zu vielen anderen Geräten heutzutage ist der RG28 fast unverwüstlich“, meint er. Zumeist seien es dann auch nur Kleinigkeiten, weshalb er nicht mehr mixt. „Mal ist er verdreckt, mal ist ein Draht abgerissen oder es zeigt sich ein anderer normaler Verschleiß. Das älteste RG28, welches ich bisher repariert habe, war aus dem Jahr 1977“, berichtet der Elektriker und gesteht lachend: „Ich habe selbst noch zwei davon privat in Betrieb.“
Beim Thema RG28 muss auch Matthias Drobny, Schatzmeister vom „Bürgernetz Gera“, schmunzeln. „Als quasi letzte Wende-Generation kannte ich die Dinger noch, wusste aber nicht, dass sie 40 oder 50 Jahre halten. Es ist das eine Gerät,
das immer wieder kommt“, amüsiert sich Drobny, Jahrgang 1980. Es habe bisher wirklich keins gegeben, das sich nicht hätte wieder reparieren lassen. Der Motor sei noch nie kaputt gewesen. Dafür käme manches Verschleißteil mittlerweile aus dem 3-D-Drucker.
Mitmach-Werkstatt als Grundidee
Der öffentliche Reparatur-Service spreche sich mehr und mehr herum, freut sich . Im November 2023 hatte der Verein für dieses spezielle Angebot sozusagen einen Testballon gestartet. Mittlerweile öffneten die Ehrenamtler das „Reparatur-Café“mehrmals - mit stets steigendem Zulauf. Seit den ersten Terminen wurden mehr als 100 Geräte repariert, hauptsächlich Kaffeemaschinen, RG28 und sonstige Haushaltsgeräte. Mal seien drei, mal fünf Bastler dabei, erzählt Drobny. Interessierte müssten notfalls beim Vor-Ort-Service etwas warten. „Aber die meisten haben dafür Verständnis. Ihnen ist klar, dass sie hier auf Ehrenamtler treffen.“Der Verein ist dankbar, in der Stadt- und Regionalbibliothek
Gera einen guten Kooperationspartner für das „Repair-Café“gefunden zu haben. Anfänglich wurden die vereinseigenen Räume für das Angebot genutzt, reichten aber längst nicht aus. Zumal alle, die kaputte Technik vorbeibringen, zum Mitreparieren angeregt werden. Dies sei die Grundidee des Vereins.
„Wir sind keine Vertragswerkstatt und keine Leistungsgeber. Wir sind eine Mitmach-Werkstatt, bestehen nur aus Ehrenamtlern und möchten mit unserem Angebot den Leuten vor allem die Scheu nehmen und zeigen, dass Technik kein Hexenwerk ist“, so Matthias Drobny. Vielleicht motiviere manchen zusätzlich der Thüringer Reparaturbonus, der gerade in die vierte Runde gegangen ist. Dabei sind bis zu 100 Euro drin sind. Seit 15. Mai können dafür wieder Anträge gestellt werden.