Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Drei Prozent schaffen es — der Rest fährt Taxi“

Wovon leben Künstler in Thüringen? Timo Behn erzählt, wie er in die Kunst stolperte und warum Müll ein großer Bestandtei­l davon ist

- Kristina Beierbach

Rudolstadt. Bei dem Jenenser Timo Behn stand Kunst nicht immer auf dem Plan. „Ich habe drei Monate lang eine Metzgerleh­re in Jena gemacht, aber das war absolut nicht mein Ding. In dieser Zeit bin ich Vegetarier geworden“, sagt er lachend. „Dann bin ich nach Erlangen gezogen und habe dort eine Lehre als Gas-Wasser-Installate­ur gemacht.“

Er arbeitete eine Zeit lang freiberufl­ich, bevor er unverhofft in ein Kunststudi­um reinstolpe­rte. „Ich habe lange in diesem handwerkli­chen Beruf gearbeitet, und es war einfach nicht mein Ding. Wasser ist nicht mein Element, das beherrsche ich nicht.“

Laut Behn entscheide­t man sich nicht dazu, Künstler zu werden, man ist es. Und irgendwann merke man, dass es so ist. „Ich habe mit ein paar Freaks zusammen in einer WG in der Fränkische­n Schweiz gewohnt und habe da meine Kunst gemacht, und das hat eine Kunststude­ntin gesehen und zu mir gesagt, ich solle mich an der Akademie bewerben.“

Behn lässt sich nicht entmutigen

Daraufhin studierte er 2001 Bildende Kunst an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Ottmar Hörl. Im Studium beschäftig­te er sich hauptsächl­ich mit der Malerei. „Der Professor war zwar Bildhauer, aber ich habe ihn bewusst gewählt, damit ich mich freier entwiFall ckeln kann. Ein Professor für Malerei will immer ein bisschen seinen eigenen Stil sehen“, erklärt Behn. Das Studium finanziert­e er sich mithilfe von Bafög und PromotionJ­obs.

Auf die Frage, was ihn später im Beruf als Künstler erwarte, bekam er im Studium bereits eine klare Antwort. Beschönigt wurde nichts. „Mir wurde gesagt: ‚Drei Prozent schaffen es, der Rest fährt Taxi‘“, erinnert er sich. Entmutigt hat das den gebürtigen Jenenser allerdings nicht. „Taxifahren ist immer noch besser als an der Kasse sitzen“, sagt Behn scherzend. „Ich bin nicht davon ausgegange­n, dass ich auf jeden unter den drei Prozent bin, aber ich dachte mir: wird schon irgendwie funktionie­ren – und wenn nicht, kann ich immer noch in meinen alten Beruf zurück oder irgendetwa­s anderes machen.“

Nach dem Abschluss des Studiums als Meistersch­üler zog Timo Behn nach Berlin, um seine Kontakte weiter auszubauen. Dort lebte er zehn Jahre und arbeitete in seinem eigenen Atelier. „Anfangs hatte ich ein riesiges Atelier, aber Berlin wurde immer teurer, und aus 500 Quadratmet­ern für 25 Euro wurden 25 Quadratmet­er für 500 Euro“, so der Künstler. Durch den Verkauf seiner Kunst und Nebenjobs finanziert­e er sich seinen Lebensunte­rhalt.

Kreiert nachhaltig­e Skulpturen

Vor knapp zwei Jahren zog es Behn dann doch zurück nach Thüringen, wo er in Rudolstadt sein Atelier eröffnete. „In Jena wohnt meine Familie, und es ist wesentlich günstiger und auch nicht so hektisch, und die Landschaft­en sind einzigarti­g. Nach Berlin habe ich mir geschworen, keine Sekunde mehr in einer UBahn zu verbringen“, sagt Timo Behn lachend. Auch seine finanziell­e Lage habe sich deutlich verbessert. Zudem konnte er in diesem Jahr das Landesstip­endium für Bildende Kunst der Kulturstif­tung Thüringen ergattern.

Neben der Malerei probierte er sich in anderen Gebieten aus und entwickelt­e 2023 im Rahmen eines

Stipendium­s des Thüringer Theaterver­bandes zwei Stücke an der Studiobox am Erfurter Theater. „Man hängt sich wochenlang Tag und Nacht rein, und dann wird es nur ein paarmal aufgeführt, und das war es. Malerei hingegen bleibt. Aber es war eine wunderbare Erfahrung und Zusammenar­beit “, sagt Timo Behn.

Zudem kreiert er Skulpturen aus Dingen, die er hin und wieder auf der Straße findet. Seine Werke nennt er „Plastiture­n“, ein zusammenge­setzter Begriff aus Skulptur und Plastik. „Ich versuche so gut wie nichts Neues zu kaufen. Einfach weil die Dinge schon da sind, irgendwo herumliege­n und ich dann weniger Einfluss auf das Werk habe. So kann der Zufall mit hineinspie­len, und die Gegenständ­e haben dann auch mehr Geschichte.“

Was es brauche, um erfolgreic­h zu werden, stehe für ihn eindeutig fest. „Mein Professor hat immer gesagt, dass es drei ganz wichtige Punkte gibt, die man beachten muss, um erfolgreic­h zu werden: Kontakte, gute Kontakte und sehr gute Kontakte. Du kannst den größten Blödsinn machen, aber wenn du die richtigen Leute kennst, dann funktionie­rt es“, so sein Professor.

„Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. Es braucht Talent, Ausdauer, Selbstvert­rauen, Selbstiron­ie und einen ganzen Batzen Glück. Und wenn du deinen Weg gehst und nicht die Wege der anderen, dann findet dich dein Glück“, ergänzt der Künstler.

Anfangs hatte ich ein riesiges Atelier, aber Berlin wurde immer teurer, und aus 500 Quadratmet­ern für 25 Euro wurden 25 Quadratmet­er für 500 Euro. Timo Behn, Künstler

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TIMO BEHN Aus zufällig gefundenen Gegenständ­en entstehen nachhaltig­e Kunstwerke.

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