Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Ich bin positiv angespannt“
Die Pöllwitzer Keglerin Sarah Conrad hat sich erstmals für die Weltmeisterschaften qualifiziert und will es im slowakischen Brezno wie Teamkollegin und Weltmeisterin Anna Müller halten
Gera. Im Jahr 2012 zählte Sarah Conrad zur U23-Nationalmannschaft, die in Bautzen WM-Gold im Team holte, bis 2014 gehörte die Sportkeglerin zur Auswahl, kam aber nicht mehr zum Einsatz. Zehn Jahre später die Berufung für die Einzel-WM in Brezno Ende Mai.
Zehn Jahre mussten vergehen, bis Sie wieder für die deutschen Farben eine WM spielen. Warum die lange Pause?
Eine gute Frage, die ich gar nicht so exakt beantworten kann, weil ich als Sportlerin nicht in die Köpfe der Trainer schauen kann. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Trainer mich nicht auf dem Schirm hatten, weil ich in den vergangenen Jahren zweimal schwanger war, zwei kleine Kinder zu Hause habe, Familie und Job und Bundesliga geplant werden müssen.
Wie schaffen Sie das alles?
Das Stichwort heißt Zeitmanagement. Wir überlassen nichts dem Zufall, planen alles sehr genau. Und ohne meinen Ehemann Alexander, der beim SV Wernburg spielt, wäre das nicht denkbar. Er hält mir den Rücken frei und ich tue es ebenso.
Und nun geht es am 25. Mai zur WM in die Slowakei.
Mein Mann passt auf die Kinder auf, die es ja schon gewohnt sind, dass die Eltern mal nicht da sind. Alex wird bei der WM den Livestream schauen und die Große, sie ist vier, wird dann verfolgen, was ich mache, wie die Kegel fallen. Inzwischen werde ich auch im Kindergarten oder in der Sportgruppe, die meine Kinder besuchen, aufs Kegeln angesprochen. Wir sind als Kegel-Familie bekannt.
Wie kam eigentlich der Kontakt zur Nationalmannschaft in Gang?
Tatsächlich habe ich die Bundestrainerin im Dezember 2022 angeschrieben, nachgefragt, ob es Gründe gibt, dass ich nicht berücksichtigt werde. Und als Antwort kam recht schnell: Wir wussten nicht, dass du Interesse hast, freuen uns darüber. Ja, und so kam es in Gang. Ich bin dann im Jahr 2024 zunächst Perspektivkader geworden, für die
Team-WM 2023 kam ich nicht mehr infrage, da stand die Mannschaft bereits größtenteils fest.
Mit konstant guten Leistungen in der Bundesliga, im Europapokal und in der Champions League haben Sie sich in die Nationalmannschaft gespielt. Nun steht eine Einzel-WM auf dem Programm. Viele Keglerinnen sagen ja, wenn sie wählen könnten, dann würde ich immer die Mannschaft vorziehen.
Das ist – oder sagen wir besser war – bei mir auch so. Ich habe mich in der Mannschaft immer wohlgefühlt, das macht für mich das Kegeln aus, für die Mannschaft die Leistung bringen. Seit etwa zwei Jahren habe ich mich gezielt auf einen Einzelstart vorbereitet, habe für die Einzelmeisterschaften gemeldet, habe das Top12-Turnier in Ulm bestritten und kann sagen: Ich bin bereit für die Einzel-WM.
Mit welchen Erwartungen reisen Sie zur WM nach Brezno?
Ich freue mich riesig, dass ich wieder Teil des Ganzen bin, für mein Land starten, Deutschland international vertreten kann. Ich möchte die WM-Tage genießen, Spaß am Kegeln haben.
Und sportlich gesehen?
Los geht es bei der WM mit der Qualifikation, jede Starterin absolviert 120 Wurf – die besten 32 gehen in die K.o.-Spiele, wobei die Qualibeste auf die 32. trifft und so weiter. Die Qualifikation möchte ich auf jeden Fall meistern und dann von Spiel zu Spiel sehen.
Das sagen nicht nur die Fußballer, sie wollen von Spiel zu Spiel sehen. Auch Ihre Teamkollegin Anna Müller hat das so gesagt und auch so gemacht und ist vor zwei Jahren Einzel-Weltmeisterin geworden.
(Lacht!) Dann mach ich das auch so. Man sollte nicht den dritten vor dem ersten Schritt setzen und sich zu viel vornehmen, sich selbst zu viel Druck machen. Sagen wir es so: Ich bin positiv angespannt.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer sportlichen Form, der Wurf sitzt?
Der Wurf sitzt. Ich bin gut drin, habe in den vergangenen Wochen bewusst auswärts trainiert, um nicht den Vorteil der Heimbahn zu haben. Ich war in Eisenberg, die Bahn steht auf einem Podest, wie sie es auch bei der WM sein wird – von daher war das eine gute Einstimmung und die Ergebnisse stimmen.
Beim Bundesligaspiel gegen den KC Schrezheim erlebten Sie einen historischen Moment. Kathrin Lutz überspielte mit 712 Holz als erste Keglerin die 700er-Marke. Beim ersten Europapokalsieg mit den Pöllwitzerinnen in München kegelten Sie 691 Holz, waren also nahe dran an den Siebenhundert …
Sicher hätte ich auch gern als erste Keglerin die 700 geknackt, aber ich war kein bisschen enttäuscht oder neidisch. Ich habe mich tierisch gefreut für Kathrin und habe mich gefreut, dass ich dabei war. Ich saß am Pult und dieser Rekord lag früh in der Luft. Dieses Knistern, die angespannte Atmosphäre bei uns auf der Bahn war ganz besonders. Ein historischer Moment, wie Sie es richtig sagen. Und ich denke, der Bann ist nun gebrochen – es werden weitere Keglerinnen folgen, die die 700 übertreffen. Vielleicht auch ich.